Die Abfahrt von
unserem paradiesischen Haus haben wir so festgelegt, dass wir rechtzeitig im
Murrurundi eintreffen. Aber davon später. Auf dem Weg dorthin besuchen wir –
ja, der Kandidat hat 100 Punkte – einige Nationalparks. Am besten gefällt uns
der Cathedral Rock National Park mit seinen gewaltigen Felsenformationen. Dort
haben wir die Länge des Wanderweges krass unterschätzt und sind erst nach dem
Einbruch der Dunkelheit in dem kleinen Camping zurückgekehrt. Eine Taschenlampe
mitzunehmen wäre keine schlechte Idee gewesen!
Die glückliche Rückkehr wollen
wir mit einem Feuer feiern, aber daraus wird nichts, obwohl sich Romy soviel
Mühe mit Holzsammeln gegeben hat. Unser freundlicher Campingnachbar macht uns
darauf aufmerksam, dass infolge des ausbleibenden Regens im ganzen New South
Wales ein totales Feuerverbot herrscht. So wird sich ein anderer Camper
irgendwann über das mühsam gesammelte Holz freuen. Wir bewegen uns hier in einer Höhe von
durchschnittlich 700 Meter. Von den Bergkanten bieten sich nicht nur
faszinierende Ausblicke hinunter bis zum Meer, sondern es stürzen sich auch
unzählige Wasserfälle in tiefe Schluchten.
Murrurundi ist
ein kleines Städtchen, irgendwo auf dem Lande wie viele andere auch. Das Leben
geht hier das ganze Jahr über seinen gewohnten Gang. Doch an diesem Wochenende
ist etwas los, ein Rodeo ist angesagt. Darum sind wir auch hier - Romy wollte
schon lange ein Rodeo in Australien erleben, aber bis heute ergab es sich nie,
dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Entweder war es gerade
schon vorbei oder wir hätten ein paar Wochen warten müssen. Nun hat es geklappt
und wir verfolgen die Vorbereitungen. Von Weit und Fern kommen die Farmer und
Pferdezüchter mit ihren Wohnwagen angereist. Diese sind besonders gross weil in
einer Hälfte die Menschen, in der anderen die Pferde wohnen. Wir merken schnell,
dass ein Rodeo hier mehr als nur ein Wettbewerb oder eine Show ist. Es ist ein
gesellschaftliches Ereignis, man trifft sich, Neuigkeiten und Erfahrungen
werden ausgetauscht, Beziehungen geknüpft und vielleicht sogar auch Ehen
angebahnt. Und natürlich ist man stolz auf seine Pferde und die Reitkünste. In
Australien ist es üblich am Anfang jeder Veranstaltung die Nationalhymne zu
spielen. Alle Zuschauer stehen stramm, Reiter mit Fahnen der Gliedstaaten Australiens
umkreisen die Arena. Und dann geht es los, viele Disziplinen sind im Programm.
Ein Kalb mit einem Lasso zu fangen ist vielleicht das einfachste. Schwieriger
ist es, dies in Teamarbeit zu machen – ein Mann muss dem Kalb das Lasso um den
Hals oder die Hörner, der andere um die Hinterbeine werfen. Beim Rennen um
aufgestellte Fässer quer durch die Arena beteiligen sich auch Reiterinnen und sie
stehen ihren männlichen Kollegen an Schnelligkeit und Geschicklichkeit in
nichts nach. Dagegen bleibt das Reiten auf nicht berittenen Pferden eine reine Männersache,
denn es ist nicht ungefährlich. Der Höhepunkt eines Rodeos ist und bleibt aber
das Reiten auf Bullen. Auf dem Rücken der kräftigen Tiere wenigstens ein paar
Sekunden zu sitzen und nicht mit seinen Hufen oder noch schlimmer seinen
Hörnern Bekanntschaft zu machen, verlangt eine grosse Portion Mut und viel
Geschick. Oft früher als gewünscht macht der Reiter Bekanntschaft mit dem Sand
der Arena. Der Sieger schafft es gerade 12 Sekunden oben zu bleiben. Die Bullen
versuchen mit gewaltigen Sprüngen den Reiter los zu werden. Für die Zuschauer ist
es ein Riesenspektakel.
Im ganzen Gelände
herrscht ein totales Alkoholverbot. Nur in einer kleinen umzäunten Area, wohin
man nur durch einen von Securitas bewachten Eingang gelangt, kann man sein Bier
oder ein Glas Wein kaufen und trinken - sonst nirgends! So drängen sich
vorwiegend Männer mit einer Bierdose in der Hand hinter den Zaun - so wie sich
die Rinder etwa hundert Meter weiter in einem anderen Gehege drängen. Die
Ähnlichkeit ist natürlich rein zufällig.
Nun liegt uns ein
grosses Brocken im Weg, Sydney mit seinen fast 5 Millionen Einwohnern. Und da
sehr viele von ihnen in einem Einfamilienhaus wohnen wollen, ist die Stadt
unvorstellbar grossgewachsen, genauso wie der Verkehr, der auf den Strassen
herrscht. Wir wissen, dass für das Parken im Zentrum astronomische Summen
verlangt werden und darum wählen wir diesmal ein anderes Vorgehen. Etwa 17 km
vom Zentrum entfernt liegt der Lane Cove River Tourist Park und den steuern wir
an. Er ist sehr ruhig gelegen und hat einen nicht zu überbietenden Vorteil:
Zehn Minuten zu Fuss dauert es zur Bahnstation und in weiteren zwanzig Minuten
sind wir direkt im Zentrum. Alles perfekt, ein einziger Wermuttropfen bleibt
der Preis. Sydney, am Meer gelegen, mit der Hafenbrücke und dem Opernhaus
gewinnt bei uns den Preis der schönsten Stadt der Welt.
Hier hat die Besiedlung
von Australien durch die Engländer vor etwas mehr als 200 Jahren mit der
Gründung einer Sträflingskolonie angefangen. Unglaublich was daraus geworden
ist. Wolkenkratzer ragen zum Himmel. Die alten schmuddeligen Lagerhäuser am
Hafen hat man zu schicken Begegnungs- und Einkaufszentren ausgebaut. Wir fahren
mit der Hafenfähre, um uns die Stadt vom Wasser aus anzuschauen und mit dem
Schnelllift auf den Sydney Tower, um sie aus der Luft zu bewundern. In den
Strassen herrscht Hektik, entspannen kann man sich in den zahlreichen Parks. Am
Abend des ersten Tages, zur „blauen“ Stunde, fotografiert Romy die Stadt vom
gegenüber liegenden Ufer. Die Lichter gehen langsam an, die Brücke und das
Opernhaus strahlen im Scheinwerferlicht. Ein Anblick, der unbezahlbar ist…
Für australische
Verhältnisse ein Katzensprung von Sydney entfernt liegt Canberra, die
Hauptstadt Australiens. Der Gründung geht keine ruhmreiche Geschichte voraus,
sondern ein Streit zwischen Sydney und Melbourne um den Standort der neuen
Hauptstadt. Der Streit wurde mit der Gründung in einem unbewohnten Gebiet gelöst,
etwa auf halben Weg zwischen Sydney und Melbourne. Die Stadt wurde am Reissbrett
als eine reine Beamtenstadt entworfen. Hier wird nichts produziert, hier wird „nur“
verwaltet. Zur Besichtigung steht den Steuerzahlern und Touristen das neue
Parlament offen.
Viele Australier
betrachten als grösste Sehenswürdigkeit in Canberra aber das Kriegsdenkmal, das
eigentlich ein Museum ist. Alle Schlachten und Kriege, bei welchen australische
Soldaten beteiligt waren, sind hier anschaulich dokumentiert. Und es sind viel
mehr, als wir Europäer denken würden - von den Burenkriegen in Südafrika bis zu
Afghanistan.
Uns dagegen hat
das Botschaftsviertel am besten gefallen. Australien hat die ausländischen
Regierungen gebeten, die Botschaftsgebäude im Stil der jeweiligen Länder zu
bauen. Einige sind dieser Bitte nachgekommen und so sind sehr interessante
Bauten entstanden, wie zum Beispiel die Botschaften von Thailand, China, Papua
und Indonesien, um einige Beispiele zu nennen. Nicht so die Schweiz, ich denke,
da hat man sich beim Bau eher von der Architektur eines Bürogebäudes in einem Zürcher
Vorort inspirieren lassen. Einige Grundstücke im Botschaftsviertel sind, aus
welchem Grund auch immer, nicht überbaut. Doch auch dort finden sich
Botschafter. Es sind die Botschafter der Natur, graue und grosse Känguruhs, die
vor den Fenstern der Diplomaten weiden.