Nach fast sechs
Monaten in Australien sind wir reif für die Insel. Ja gut, aber welche? Es gibt
eine im Süden die auch zu Australien gehört, sie heisst Tasmanien. Gesagt,
getan. Per Internet haben wir die Fähre von Melbourne nach Devonport gebucht.
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Tasmanien ist ein australischer Bundesstaat, deshalb ist diese Strecke ein Teil
des nationalen Strassennetzes und wird folglich von der Regierung
subventioniert. Darum ist die Passage relativ billig, aber nur für das Auto,
für Passagierkabinen werden volle Preise verlangt. Und da die Fähre über Nacht
fährt, ist eine Kabine natürlich sehr bequem.
Unser erster
Eindruck, nachdem wir früh am Morgen die Fähre verlassen haben: Tasmanien
erinnert uns an die Schweiz - oder haben wir schon Heimweh? Auf alle Fälle ist
es anders als das Festland, wie man hier das übrige Australien nennt. Es ist
grün, sehr grün, es hat Hügel, hohe Berge und malerische Seen, gesäumt von
ausgedehnten Wäldern. Aber vor allem ist es viel kleiner, da brauchen wir nicht
Hunderte von Kilometern von einem Ort zum anderen zu fahren. Bekanntlich kommt aber
das Grün nicht von ungefähr, es grünt nur dank dem häufigen Regen - weshalb wir
wieder an die Schweiz denken.
Tasmaniens Ursprung
beruht auf einer englischen Sträflingskolonie, davon zeugen heute noch Ruinen
von Gefängnissen und Militärunterkünften. Port Arthur war eine der ersten
Niederlassungen auf der Insel. Eigentlich konnten sich die Strafgefangenen auf
der Insel relativ frei bewegen, denn eine Flucht war nicht gut möglich. Nach
Port Arthur aber kamen solche, die sich zusätzlich in australischen Kolonien etwas
zu Schulde kommen liessen, also Wiederholungstäter waren. Es war eines der
grausamsten Gefängnisse überhaupt. Auf einer Halbinsel gelegen, war die
Bewachung relativ einfach. Die Verbindung zum übrigen Land bildet eine schmale
Stelle, kaum 100 Meter breit. Sie wurde von bissigen Kettenhunden bewacht, hier
kam kein Mann durch.
Das Areal ist heute ein historischer Park. Von vielen
Gebäuden aus der damaligen Zeit stehen noch die Aussenmauern, andere, wie das
Isolationsgefängnis, wurden aufwendig rekonstruiert. Dort können wir
nachfühlen, unter welchen erbärmlichen Bedingungen die Sträflinge damals leben
mussten. Sogar ihre Essensrationen kann man als Modelle aus Plastik
begutachten. Viel war es nicht obwohl die Männer den ganzen Tag schwer schuften
mussten. Sie durch Arbeit und Gehorsam zu besseren Menschen zu formen, war die
Aufgabe des Kommandanten und seinen Soldaten. Auch heute noch strahlt dieser
Ort etwas Beklemmendes und Bedrückendes aus. Der Dauerregen bei unseren Besuch
verstärkt diese Stimmung zusätzlich.
Szenenwechsel:
Die Hauptstadt Tasmaniens heisst Hobart und es ist eine fröhliche, lebendige
Stadt. Ausser einigen Bauten aus der Kolonialzeit und der imposanten Brücke gibt
es allerdings nicht viel zu bewundern. Doch heute scheint die Sonne, die
Menschen geniessen das schöne Wetter und das Leben pulsiert in der Stadt. Im
Hafen liegen Fischerboote vor Anker, einige verkaufen ihren Fang gleich vom
Boot aus. Ein Muss gibt es allerdings für jeden Besucher, die Fahrt auf den
Mount Wellington, den Hausberg von Hobart. Die Fahrt ist nicht ohne - eine schmale
Strasse führt in etwa 22 Kilometer von Null auf mehr als 1200 Meter. Vom Gipfel
aus bietet sich eine fantastische Aussicht, natürlich nur dann, wenn sie nicht
in Wolken gehüllt ist. Und das ist mehr als oft der Fall. Doch diesmal haben wir
Glück.
Wie im übrigen
Australien gibt es in Tasmanien auch viele schöne Nationalparks. Zwei davon
möchten wir erwähnen. Den Cradle Mountain National Park haben wir zuerst
besucht. Er ist der bekannteste und am meisten besuchte Nationalpark hier. Das
hat leider auch Folgen, man muss das Auto stehen lassen und einen Zubringerbus
benutzen, um in den Park zu gelangen. Der Bus hat mehrere Haltestellen, man
kann beliebig aussteigen, etwas anschauen oder wandern und dann wieder in den
nächsten Bus zusteigen. Doch die meisten Touristen fahren nur zum Dove Lake.
Auf seiner Wasseroberfläche sollen sich die hohen Berge mit einigen
Schneefeldern und dem blauen Himmel spiegeln. Diese Szenerie macht den Park so
beliebt. Leider wird meine Fotografin enttäuscht, der Himmel ist heute grau und
von einer Spiegelung kann keine Rede sein.
Bei der anschliessenden Wanderung wird
Romy mehr als entschädigt, wir haben Glück als ein Teufel unseren Weg kreuzt. Keine
Angst, nicht der Leibhaftige, sondern der Tasmanische Teufel. Dieses Tier haben
wir bis jetzt nur tot, überfahren am Strassenrand gesehen. Nun hat Romy gerade
noch Zeit genug den Auslöser zu drücken bevor das sonderbare Tier im Gebüsch
verschwindet.
Der zweite
Nationalpark heisst Freycinet Peninsula National Park und liegt im Osten am
Meer. Dort befindet sich die berühmte Wineglass Bay, oder wie sie unser Reiseführer
beschreibt: „der traumhafte Sandstreifen ist einer der fotogensten Strände der
Welt“. Wir haben uns keinen guten Tag dafür ausgesucht, die Wolken hängen sehr
tief und es regnet ohne Unterbruch, begleitet von starkem Wind. Doch so leicht
wollen wir uns nicht geschlagen geben. Wir bleiben hier im Camping über Nacht und
hoffen inbrünstig, dass es am Morgen etwas besseres Wetter gibt. Und wirklich,
in der Nacht hört der Regen auf, doch leider ist der Himmel immer noch grau. „Du
wirst sehen, bald ist der Himmel blau“, sage ich Romy, als wir den Wanderweg
unter die Füsse nehmen. Es geht steil nach oben, viele, viele Stufen sind es bis zum Aussichtspunkt, von
wo aus man die Bucht überblicken kann. Sie ist traumhaft, ohne Frage, doch die
Sonne fehlt. Romy ist ein wenig verstimmt und ich denke mir: „Man soll sich hüten,
einer Frau das Blaue vom Himmel zu versprechen.
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