Donnerstag, 21. Juni 2018

Island West und Nord


Seit wir Reykjavik verlassen haben, regnet es. Die geplanten Wanderungen fallen buchstäblich ins Wasser. Vielleicht wachsen uns bald Schwimmhäute, wenn es so weiter geht. Wir besuchen die Hraunfoss Wasserfälle, die sich auf einer fast ein Kilometer langen Front unterhalb eines Lavafeldes in den Fluss Hvita stürzen. 


Weiter geht es um die Sneafellsnes Halbinsel. Vom dem gleichnamigen Vulkan sehen wir gar nichts und dabei ist hier der Ausgangspunkt zu einer Reise zum Mittelpunkt der Erde – wenigstens in einem Fantasieroman von Jules Verne. Einen Ausnahmetag ohne Regen nutzen wir zu einer Wanderung zum Eldborg Krater. Aber es bleibt mir nicht erspart, nass zu werden. Als ich nach der Rückkehr meine dreckigen Schuhe an einem Fluss abwaschen will, fällt mir die Bürste ins Wasser. Bei der Rettungsaktion rutsche ich aus und falle in den Fluss. Es ist nicht gefährlich aber ich werde dabei nass bis auf die Unterwäsche. Leider selber schuld.

Mit einer kleinen Fähre kommen wir in zwei Stunden von Stykkisholmur zu den Westfjorden. (Diese Stadt ist stolz auf freies WiFi im ganzen Stadtgebiet.) Im Zielhafen angekommen fahren wir eine 15 Km lange Stichstrasse zu dem westlichsten  Punkt von Europa. Oder ist es schon Amerika? Nach der Wissenschaft verläuft die Trennlinie zwischen den beiden Kontinentalplaten  ja mitten durch Island und nicht hier. Wie auch immer, ab hier gibt es nichts anderes als Wasser bis zu der amerikanischen Küste. Das beschäftigt uns weniger, mehr aber die Naturstrasse, die voller Löcher ist. Diese wiederum sind voll mit schmutzigem Regenwasser. Dieses spritzt auf alle Seiten, denn die Löcher sind so zahlreich, dass Ausweichen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Warum plagen wir uns so, um zu einem, an sich bedeutungslosen Ziel zu gelangen? Das Land endet dort mit Felsen, wo zu dieser Zeit Übertausende Seevögel nisten. Unter ihnen unsere Lieblinge, die Papageientaucher. Und das ist uns die Mühe wert. Auch ist der Camping noch geschlossen und wir müssen die Nacht am Strassenrand verbringen. Nacht ist aber etwas viel gesagt, die Sonne (falls sie sich zeigt), geht erst kurz vor Mitternacht unter und vor drei am Morgen ist sie wieder da. Dunkel wird es dabei überhaupt nicht.



Unglaublich aber wahr – am Morgen ist der Himmel blau. Wir können entlang der Kliffenrand wandern und die Vögel im Sonnenschein beobachten. Sogar zwei Polarfüchse bekommen wir vor Linse. Romy ist begeistert… Die Weiterreise in den Westfjorden nimmt viel Zeit in Anspruch, den jeder Fjord muss umgefahren werden. Es wird aber nie langweilig. Da gibt es Robben zu beobachten, dort wird mit Hilfe der geothermischen Energie Salz aus Meerwasser gewonnen, woanders liegt eine Menge Treibholz am Strand. Angeblich stammt es aus Sibirien und ist über das ganze Nordmeer gedriftet. Früher war es sehr wichtig für die Bauern als Bauholz und zum heizen, denn auf Island wachsen Bäume nur sehr sporadisch. Erst in der letzten Zeit wird im grossen Massstab aufgeforstet. In einem der Fjorde in der Stadt Siglufjördur gibt es ein Heringmuseum. Heringe waren für Island anfangs des letzten Jahrhunderts lebenswichtig. Man hat sie in Fässern eingelegt exportiert oder zu Fischöl und Fischmehl verarbeitet. Und sie waren schier unerschöpflich. Man brauchte nur die Netze auswerfen. Dann - eines Tages - waren die Fischschwärme weg. Die ganze Industrie war zusammengebrochen, viele Fischer und andere Arbeiter wurden arbeitslos.

Heute gehen wir zu See. Nicht Heringe fischen, sondern Wale beobachten. Wir bekommen sehr warme Overalls, den auf dem Wasser ist es empfindlich kalt und Wind bläst ununterbrochen um die Ohren. Doch die Widrigkeiten werden belohnt, wir bekommen ein paar dieser wunderbaren Geschöpfe vor die Kamera. 



Akureyri, die zweitgrösste Stadt Islands und der Hauptort des Nordens, ist voll von Menschen. Es sind aber nicht die Einheimischen, sondern Touristen von den Kreuzfahrtschiffen. Zwei riesige davon liegen im Hafen und die Menschenmassen verstopfen die Fussgängerzone. Einzig die Souvenirläden freuen sich. Wir ergänzen unsere Vorräte und fahren weiter zum Godafoss. Am Abend ist es noch bewölkt, am nächsten Morgen scheint aber die Sonne. Sogar einen Regenbogen gibt es. Und nicht nur das. Eine Filmcrew ist dabei, eine Sequenz für den Film „Flying over Island“ zu drehen. Ein Helikopter mit Kamera und mehrere Kajakfahrer, die sich von dem 12 Meter hohen Wasserfall hinunter stürzen, sorgen für Aufregung.



Bei Myvatn See gibt es auch viel zu erkunden. Aber auch viele lästige Mücken, zum Glück stechen die Biester nicht. Es gibt Thermalfelder mit blubbernden Schlamm und dampfenden Fumarolen, Heisswassergrotten, Krater mit und ohne Seen und sogar Pseudokrater. Diese sind nicht durch vulkanische Tätigkeit entstanden sondern durch Wasserdampferuptionen als die glühend Lava über Gewässer oder Feuchtgebiete floss. 


Wir gönnen uns auch etwas Spezielles – ein Bad in der Lagune. Unlängst wurde ein Heisswassersee mit viel Aufwand errichtet. Herrlich sich im blauen Wasser zu suhlen. Allerdings ist es kein billiges Vergnügen, Der Eintritt kostet gut 45 Fr. (Zum Glück für uns zahlen Rentner etwas weniger). Wie es so schön heisst – man gönnt sich ja sonst nichts…

Nun stehen drei der Grössten Wasserfälle auf dem Programm: Hafragilsfoss, Dettifoss und Selfoss. Dettifoss soll der grösste Wasserfall Europas sein. Der riesige Parkplatz und die gut ausgebaute Zufahrt bestätigen es entsprechend. Bevor sich der Kreis unserer Reise um die Insel wieder schliesst, fahren wir in die Ostfjorde. Ein kleiner Ort namens Bakkagerdi versüsst uns den Abschied. Dort gibt es einen Vogelfelsen mit Hunderten von Papageientaucher. Man kommt sehr nah an sie und sie scheinen Kunststücke zu vorführen, die ihren Spitznamen „Clowns der Nordsee“ bestätigen. Was haben wir uns an anderen Orten bemüht, wenigsten ein paar von diesen putzigen Vögeln vor die Linse zu bekommen und hier können wir uns nicht satt sehen. Vielleicht hätten wir hier mit unserer Umrundung anfangen sollen? Wie auch immer, bald heisst es Abschied nehmen von dieser Insel mit wilder Natur und liebeswürdigen Menschen. So wie es angefangen hat, so endet auch unsere Reise – im Regen. Mit dem Wetter war es wie mit dem berühmten halbleeren / halbvollen Glass. Mehr schlecht oder mehr schön, das ist eine Frage der Einstellung. Die Fähre bringt uns in drei Tagen wieder aufs europäische Festland, wir haben viel Zeit zum Nachdenken….