Am Nordufer des St. Lorenz Stromes geht unsere Reise weiter.
Wahrscheinlich nennt man dieses Gewässer vorsichtshalber Strom, denn man kann nicht
eindeutig bestimmen, was es wirklich ist – ein Fluss oder doch schon das Meer? Das
Wasser ist noch nicht salzhaltig, aber es gibt Ebbe und Flut wie beim Meer. Und
der Strom ist sehr, sehr breit. Die Fähre, die wir später nehmen, braucht gut
eineinhalb Stunden, um von einem an das andere Ufer zu gelangen. Aber zuerst
fahren wir nach Tadoussac. Diese kleine Hafenstadt wird als bester Ort in ganz Kanada
zur Walbeobachtung angepriesen. Aber wie könnte es anders sein - als wir kommen
lassen sich keine Wale blicken. Stundenlang kreuzt das Boot umher und wir sehen
nichts anderes als nur Wasser. Doch kurz bevor wir enttäuscht in den Hafen
zurückkehren, ist uns das Glück hold. Neben dem Schiff taucht eine Walart auf,
die wir bis jetzt noch nie gesehen haben: Belugas. Sie sind ganz weiss, allerdings
erst, wenn sie ausgewachsen sind, als Babys sind sie dunkel.
Die nächste kanadische Provinz heisst New Brunswick. Zum letzten
Mal stellen wir unsere Uhren um, jetzt beträgt der Unterschied zu Mitteleuropa
nur noch 5 Stunden – gegenüber 10 Stunden in Alaska. Farbenprächtige Wälder
begleiten uns auf unserem Weg zur Fundy Bay. Diese Bucht ist berühmt für den
gewaltigen Unterschied zwischen Ebbe und Flut, der bis zu 16 Meter betragen
kann.
Wir schauen von den Klippen auf die grauen Fluten, unter uns schlagen mächtige
Wellen an den Strand und auf einmal wird uns bewusst, dass wir hier am Ufer des
Atlantiks stehen. Streng genommen wäre hier die Durchquerung des
nordamerikanischen Kontinentes vollbracht, aber wir wollen entsprechende
Feierlichkeiten erst in Halifax (dort geht es
wirklich nicht mehr weiter nach Osten) zelebrieren, denn erst dort
werden wir „am Ende“ angekommen sein
Doch bevor es so weit ist, machen wir einen kleinen Sprung
zur Prince Edward Insel. Sie ist die kleinste der kanadischen Provinzen.
Springen müssen wir aber nicht wirklich, es führt eine fast 13 Kilometer lange
Brücke zur Insel. Sie soll die längste Brücke über ein Eisgewässer sein, das
Meer darunter friert im Winter zu. Für die Brücke wird eine Maut verlang, eine
Ausnahme in Kanada.
Der Boden der Insel ist rötlich Erde bedeckt. Im Moment werden mit riesigen Maschinen Kartoffeln geerntet. Auch die schier unendlichen Strände und Sanddünen des Nationalparks sind rötlich gefärbt. In dieser Jahreszeit sind sie verlassen, kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Alles ist verrammelt, die Campingplätze geschlossen. Nach dem Feiertag am zweiten Montag im Oktober geht die kanadische Tourismusindustrie in den Winterschlaf. Für uns heisst es wieder wild campieren, so wie wir es in den ersten zwei Jahren unserer Reise praktiziert haben.
Nach der Rückkehr zum Festland ist es nur ein kleines Stück
und wir stehen an der Grenze von Nova Scotia, der letzten kanadischen Provinz,
die wir besuchen. Nach Halifax, unserm Endziel, sind es etwas mehr als 230
Kilometer. Doch wir haben noch ein paar Tage „aufgespart“ und wollen einen
Umweg über Cape Breton machen, das ganz im Norden der Provinz liegt. Ursprünglich
war es eine Insel, heute ist sie mit einem Damm mit dem Festland verbunden. Die
Ortschaften sind keltisch geprägt und in den Pubs wird Fidel-Musik gespielt.
Und es scheint uns, dass jetzt im Herbst die Laubbäume hier die schönsten
Farben von ganz Kanada tragen. So haben wir uns den „Indian Summer“
vorgestellt. Die letzten Tage unserer Reise haben wir hier in der Natur, trotz
einiger Regentage, nochmals richtig genossen.