Dies wird also der letzte Beitrag für längere Zeit sein, wir wollen uns jetzt in den Winterschlaf begeben. Bevor wir tief einschlafen, möchten wir allen, die uns unterwegs begegnet sind, allen, die uns auf irgendeine Art und Weise unterstützt haben und allen, die zu Hause unsere Reise verfolgt haben, herzlich Danke sagen. Für uns war es eine anstrengende, aber gleichzeitig eine sehr schöne Zeit. Wir freuen uns, dass es im Frühling weiter geht. Und wir freuen uns, wenn ihr wieder, sei es nur virtuell, dabei seid.
ON THE ROAD AGAIN... Romy und Miro unterwegs
2011 I...ETAPPE: Schweiz bis Nepal
2012 II..ETAPPE: Von Himalaja zum Mekong
2013 III.ETAPPE: Down Under
2014 IV.ETAPPE: Go West - USA und Kanada
2016 Antarktis, Osterinsel, Chile und Argentinien
2017 Südafrika
Montag, 24. Oktober 2011
Winterschlaf
Dies wird also der letzte Beitrag für längere Zeit sein, wir wollen uns jetzt in den Winterschlaf begeben. Bevor wir tief einschlafen, möchten wir allen, die uns unterwegs begegnet sind, allen, die uns auf irgendeine Art und Weise unterstützt haben und allen, die zu Hause unsere Reise verfolgt haben, herzlich Danke sagen. Für uns war es eine anstrengende, aber gleichzeitig eine sehr schöne Zeit. Wir freuen uns, dass es im Frühling weiter geht. Und wir freuen uns, wenn ihr wieder, sei es nur virtuell, dabei seid.
Montag, 17. Oktober 2011
Letzte Tage in Kathmandu
Nun freuen wir uns nach Hause zurück zu kehren und wir sind gespannt, was uns dort Neues erwartet.
Samstag, 8. Oktober 2011
Ins gelobte (?) Land
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kommt der Landrover an. Christine hat es in nur zwei Tagen geschafft von Lhasa bis hierher zu fahren. Die neue Dieselpumpe arbeitet tadellos und die Gruppe ist wiedervereint. Das feiern wir mit dem letzten gemeinsamen Abendessen zusammen mit unserem Guide.
Am nächsten Morgen geht es die letzten acht Kilometer zur Grenze. Habe ich schon geschrieben, dass die Strasse vollkommen mit Lastwagen verstopft ist?!? So schaffen wir es nicht mehr vor der Mittagpause durch die Grenzabfertigung zu kommen. Das ist aber wirklich das letzte Hindernis auf unserem dornigen Weg durch Tibet. Nachdem die Beamten gestärkt sind, geht es sehr schnell, der Ausreisestempel ist im Pass und wir dürfen vorbei am salutierenden Grenzsoldaten über die Freundschaftsbrücke fahren. Doch Halt, in der Mitte der Brücke müssen wir die Strassenseite wechseln, in Nepal fährt man ja links! Die Formalitäten an der Grenze in Nepal sind erstaunlich einfach und schnell. Das Visum wird für 40 USD in den Pass geklebt, das Carnet für das Auto abgestempelt, fertig - wir dürfen weiterfahren.
Bald merken wir, dass wir nun in einem ganz anderen Land sind. Die Strasse ist durch viele Erdrutsche unterbrochen, die nur mühsam auf provisorischen Pisten zu umgehen sind. Während der langen Jahre des Bürgerkrieges mit den Maoisten hat die Regierung kein Geld in den Strassenunterhalt investiert, der Zustand spricht für sich. Es wird klar – heute erreichen wir Kathmandu nicht mehr, obwohl es von der Grenze nur 120 km sind. Am nächsten Tag ist es so weit.
Das Ziel liegt nach fünf Monaten und fast 24’000 km vor uns unter einer Smogglocke – Kathmandu, die Stadt von der schon Generationen von Hippies in den Sechziger und Siebziger Jahren geträumt haben. Auch ich stand 1973 schon da, die Stadt, die damals noch ein Dorf war vor meinen Augen.
Heute ist alles anders, die Stadt ist ein Moloch geworden, sie platzt aus allen Nähten, der Verkehr erstickt an sich selbst. Und ich mache einen entscheidenden Fehler. Ich gebe in das GPS Gerät die Adresse des Hotels ein, wo wir im Garten stehen wollen und lasse mich dorthin führen. Leider ist bekanntlich der direkte Weg nicht immer der Schnellste. So komme ich in die Altstadt, wo die Gassen kaum breiter als unser Auto sind. Ausserdem bekommt das GPS wegen den hohen Häusern bald keinen Satellitensignal mehr und ich stehe da, ohne zu wissen, wo ich mich befinde. Ein Zurück gibt es nicht, es gibt kein Platz, wo ich kehren könnte und rückwärts fahren ist auch unmöglich, es ist viel zu eng. Dann setze ich dem Ganzen noch die Krone auf, indem ich in eine nicht gekennzeichnete Einbahnstrasse einbiege. Auch sie ist so eng, dass ein Kreuzen nur an wenigen Stellen möglich ist. Wieder einmal rettet Romy die Situation, sie läuft jeweils etwa 200 Meter voraus und hält mit Körpereinsatz den Gegenverkehr an, damit ich die engen Passagen durchfahren kann. Mühsam bewegen wir uns vorwärts, heute sind wir die Attraktion von Kathmandu. Ich höre nur eine Bemerkung von vorbei gehenden Touristen: „Die sind aber mutig“. Mutig ist gut, eher dumm ist zutreffend. Aber irgendwie schaffen wir es nach Stunden wirklich bei dem Hotel anzukommen - mit der Erkenntnis, dass es nicht immer ratsam ist, sich auf die modernste Technik zu verlassen.
Noch ist unsere Gruppe zusammen aber bald trennen sich unsere Wege. Nuria fliegt nach Hause, Fabian und Johanna wechseln in ein Hotel, das dem Stadtleben näher ist. Und in Katmandu herrscht wirklich das Leben. Im Stadtteil Thamel gibt es alles, was die westlichen Touristen angeblich brauchen. Wir selber sind beschäftigt einen sicheren Platz für den Brummi zu finden. Dann buchen wir den Flug in die Schweiz. Wir werden dort Ferien von unserem Urlaub machen. Nun haben wir Zeit und Musse uns etwas zu erholen, die Sehenswürdigkeiten Kathmandus ausgiebig zu besichtigen und alle Annehmlichkeiten der Stadt, die von den meisten Overlandern als das gelobte Land gepriesen wird, zu geniessen.
Samstag, 1. Oktober 2011
Das Finale mit Tücken
Der nächste Tag ist viel besser. Zuerst erreicht uns die Nachricht, dass Johanna und Fabian in Lhasa sind. Für uns bedeutet das, dass wir die schlechte Piste nicht noch einmal zurück fahren müssen. So können wir das Kloster in Ruhe besichtigen. Romy mit dem Guide das Innere, wo gerade eine eindrückliche Zeremonie stattfindet, ich besteige einen Hügel in der Umgebung, um das Kloster von oben fotografieren zu können. Die ganze Klosteranlage ist in Form eines übergrossen Mandalas gebaut und das kann man nur von oben sehen.
Der nächste Höhenpunkt ist das Mt. Everest Base Camp. Der Tag beginnt mit Regen, der, je höher wir kommen, in Schnee übergeht. Ich habe schon zur Genüge über schlechte Pisten und Strassen gejammert, aber diese gehört wirklich zu der allerschlechtesten Sorte. Es geht über einen 5100 hohen Pass, dann schneit es und Schneematsch verdeckt die Löcher. Die Sichtweite beträgt an die 300 Meter. Ich murmle nur: „Das war keine gute Idee“, denn man fährt ja hierher um den Mt. Everest zu sehen? Sehen kann man aber nur tief hängende Schneewolken.
Am nächsten Morgen ist der Schneematsch hart gefroren, die Busfenster von Innen mit einer dicken Eisschicht überzogen. Draussen aber scheit die Sonne und der Mt. Everest zeigt sich in voller Pracht - ohne eine einzige Wolke. Die letzten 8 km bis zum Base Camp sind für Fahrzeuge gesperrt, nur ein Shuttlebus fährt dorthin. Heute aber verkehrt er wegen der dicken Schneeschicht und vereisten Strasse nicht. Also laufen wir durch den frisch gefallenen Schnee. Im Sonnenschein stehen wir auf einem Hügel oberhalb des Kamps, wir vier, inzwischen verstehen wir uns ganz gut, und bewundern die weisse Pracht vor unseren Augen. Wir sind hier alleine, weiter darf kein Tourist gehen. Stille rund um uns, nur die Gebetsfahnen flattern in der klaren Luft. Der Berg steht wie ein König aus Eis vor uns und scheint gar nicht so uneinnehmbar. Sind wir Glückspilze, so ein Augenblick kommt hier nur ganz selten vor…
Auf der Weiterfahrt nehmen wir eine Abkürzung. Es war uns schon klar, dass eine Abkürzung selten besser ist als der Hauptweg. So ist es auch hier. Um es kurz zu machen – der blaue Bus bleibt im Schlamm stecken und als ich ihn rausziehen will grabe ich mich auch noch ein. Wir sind 5000 Meter hoch, jede körperliche Anstrengung bereitet Mühe und Atemnot. Wie kriegen wir die Autos wieder heraus? Ich sehe unseren Guide verzweifelt in Stille zu allen Schutzgottheiten Tibets beten. Und wirklich, sein Gebet wird bald erhört. Die Hilfe kommt in Gestalt eines Toyota Landcruisers mit chinesischen Touristen (welche Ironie des Schicksals). Es dauert nicht lange und unsere Fahrzeuge stehen wieder auf festen Boden. Die ganze Aktion wird durch klicken der Kameras der chinesischen Touristen begleitet, denn eine solche zusätzliche Attraktion erleben sie nicht jeden Tag. Wahrscheinlich sind wir schon morgen in einem chinesischen Facebook, falls es so etwas gibt. Sie sind glücklich uns geholfen zu haben, wir sind glücklich, auf sicherem Boden zu stehen. Freundlich dankend verabschieden wir uns gegenseitig. So festigt man die Freundschaft zwischen den Völkern! Die Weiterfahrt bringt noch ein paar „Problemchen“ aber wir schaffen es und sind stolz bis zum unserem heutigen Ziel gekommen zu sein.
Der vorletzte Tag in Tibet. Viele Fragen sind noch offen. Schafft es Christine die Pumpe rechtzeitig einzubauen und hierher, nach Zhagmu, dem Grenzort zu Nepal, zu kommen, damit wir morgen gemeinsam ausreisen können? Müssen wir vielleicht in diesem gottverlassenen Ort tagelang auf sie warten? Eins ist gewiss – Fortsetzung folgt.
Donnerstag, 22. September 2011
Lhasa – Traum oder Alptraum?
Am nächsten Morgen geht das Programm weiter. Die Stadtbesichtigung ist angesagt. Wir waren hier vor vielen Jahren aber wir können die Stadt nicht wieder erkennen. Fast alle alten Häuser wurden abgerissen und durch moderne Bauten ersetzt. Lhasa ist eine moderne chinesische Stadt geworden. Nur der Potala trohnt auf seinem Hügel wie zurzeit als Tibet noch unabhängig war. Doch drinnen ist alles anders. Aus den Mönchen sind nun Staatsangestellte geworden. Früher nur Ausgewählten zugänglich, ist heute der Ansturm der, vor allem chinesischen Touristen, so gross geworden, dass man viele Tage im Voraus einen genauen Termin reservieren muss. Ist man dann ein paar Minuten zu spät, kann man den Palast nur von aussen anschauen. Vielleicht ist es sogar besser, denn Innen ist er zu einem Museum umfunktioniert worden. Schön zwar, aber nicht lebendig. Eine Frage kommt auf: wird je ein Dalailama hier den Sitz einnehmen können?
Die Chinesen haben die Stadt fest im Griff. Stark bewaffnete Militärpatroullien zirkulieren durch die Strassen. Polizei und Überwachungskameras sind an jeder Ecke. Fotografieren in unerwünschte Richtung kann unangenehme Probleme verursachen. Unbegreiflich, wovor die chinesische Regierung soviel Angst hat. Sie investiert viel Geld in Tibet, sehr viel Geld sogar. Strassen werden gebaut, Eisenbahnen, Schulen, Spitäler und Häuser. Klar, ohne die Chinesen wäre Tibet eines der ärmsten Länder der Welt und auf Entwicklungshilfe angewiesen. Doch bekanntlich lässt sich nicht alles mit dem Geld kaufen.
Wir besichtigen Klöster in der Umgebung der Stadt. Überall das gleiche Bild: Mit Regierungsgeldern werden die Klöster aufgebaut und renoviert (welche bei der Kulturrevolution zerstört wurden), die Mönche bekommen den Lohn vom Staat. Dafür wird Loyalität erwartet. Zuckerbrot und Peitsche, nennt sich das. Die Pilger und Tibeter sind schon längst eine Minderheit geworden. Das Bild beherrschen die Touristen. Trotz einem hohen Eintrittsgeld kommen sie in grossen Scharen. Vor allem sind es Chinesen, die mit der neuen Lhasa – Bahn anreisen. Die Geschäftsleute, auch sie vor allen Chinesen, freut es. In Lhasa bekommt man alles, die teuersten Weltmarken sind hier vertreten. Die Preise sind höher als in Europa, aber es scheint niemanden zu stören. Zwischen dieser Glitzerwelt irren ein paar verängstigte Pilger vom Land, die ungläubig schauen, was aus ihrer heiligen Stadt geworden ist…
Unser weiteres Schicksal ist ungewiss. Die Dieselpumpe musste in Deutschland geordert werden, nachdem die Suche in ganz China ergebnislos verlaufen war. Bis sie geliefert wird könnten ohne weiteres zehn Tagen vergehen. Laut Programm muss die ganze Gruppe gemeinsam am 29. September nach Nepal ausreisen. Sie darf angeblich nicht getrennt werden. Wie das alles unter einen Hut zu bringen ist steht noch in den Sternen oder besser in den Amtstuben der chinesischen Behörden. Wie es scheint, bleibt unsere Tibetreise bis zum Ende spannend (und sehr anstrengend).
Donnerstag, 15. September 2011
Vergangenes Königreich, heiliger Berg und Atemnot
Und auch die Geschichte hat hier ihre Spuren hinterlassen. Hier in der Nähe lag das berühmte Königreich von Guge. Ein Berg, einsam in einer Ebene über dem Fluss gelegen, beherbergte die Hauptstadt des Reiches. Unzählige Wohnhöhlen, Gebäude und Tempel hat man damals in den Berg gegraben. Vor allem aber Treppen. Bis wir an den Gipfel gelangen, wo der Königpalast steht, müssen wir etliche Treppen überwinden und viele Pausen einlegen und immer wieder geduldig warten bis unser Puls in normale Höhen zurückkehrt. Der Königspalast wurde neu errichtet nachdem die Roten Garden während der Kulturrevolution alles dem Boden gleich gemacht hatten, eine Zerstörungswut, die aus heutiger Sicht unbegreiflich erscheint. Jetzt gibt die chinesische Regierung viel Geld aus, um das Zerstörte wieder aufzubauen. Erstens, weil der Tourismus eine gute Geldquelle ist, und zweitens, um der ganzen Welt zu dokumentieren, wie gut sie sich um die Minderheiten sorgt. Ja, leider sind heute die Tibeter eine Minderheit in ihrem eigenen Land. So wird fleissig an den alten Tempeln gebaut. Meistens wird aber nur das Äussere hergestellt, für den Innenausbau fehlen schlicht die Handwerker und Künstler.
Nach einigen Hundert Kilometern Weiterfahrt erscheint am Horizont plötzlich ein Berg. Es ist nicht irgendein Berg, es ist der heilige Berg Kailash. Den Tibetern und den Indern gleichermassen heilig, wird er von mehreren Religionen als der Mittelpunkt der Welt betrachtet. Um den Berg, der wegen seiner Heiligkeit nicht bestiegen werden darf, führt ein dreitägiger Pilgerweg, Kora genannt. Auch wir wollen uns den vielen Pilgern auf ihrem Weg anschliessen, einem Weg, der es in sich hat. Zwar sind die Tagesetappen mit 20 Kilometer nicht all zu lang, doch die Höhe macht es. Der Ausgangspunkt in einem kleinen Ort Darchen liegt auf 4560 m, der höchste Punkt am Pass Drölma La gar auf 5636 m. Früh am Morgen geht es los. Zuerst ist der Weg ganz harmlos, langsam ansteigend in einem Flusstal. Nur das Wetter spielt nicht mit, es regnet leicht und der heilige Berg hüllt sich in Wolken. Am späten Nachmittag erreichen wir ein Kloster, dem ein Gästehaus angegliedert ist. Dort bekommen wir ein schäbiges Sechserzimmer, kalt und mit schimmeligen Wänden. Ich wage zu behaupten, dass nur eine kleine Prozentzahl der Leute, die wir kennen, hier freiwillig übernachten würde. Es gibt aber nichts Besseres. Einzige Alternative ist das Zelt. Doch im starken, kalten Wind und Regen ist es wirklich keine Alternative. Zum Ersten Mal ist unsere Gruppe unter einem Dach vereint. Auch das „Restaurant" des Gasthauses bietet nicht viel: chinesische Standardnudelsuppe (heisses Wasser eingiessen, fünf Minuten warten, fertig, essen) oder gebratener Reis mit Eiern. Waschgelegenheit bietet einzig der eiskalte Bach. Mit Berichten über die 50 Meter entfernte Toillete verschone ich die Leser lieber. Am nächsten Tag gibt es kein Frühstück, denn die Wirtsleute schlafen noch als wir aufbrechen. Unsere Gruppe hat sich aufgeteilt in Fussgänger und Berittene. Romy, Christine und Nuria werden wegen den zu erwartenden Widrigkeiten den Weg auf dem Pferderücken bewältigen; ich, Johanna, Florian, Bianca und Fabian zu Fuss. Heute geht es über den Pass und der Aufstieg beginnt gleich nach dem Gasthaus. Meter um Meter steigen wir, nein, wir kämpfen uns hoch. Mit zunehmender Höhe wird der Atem kürzer und die Pausen länger. Trotzdem bekommt der Körper nicht so viel Sauerstoff wie er braucht. Wir haben zwar als eine Sicherheitsmassnahme jeder eine Sauerstoffflasche bekommen, die wie eine grosse Spraydose aussieht und sehr leicht ist. Ob sie im Notfall helfen würde? Allein die Anwendungsanleitung in Chinesisch stimmt schon bedenklich. Die indischen Pilger haben noch mehr Probleme, da sie nicht genug akklimatisiert sind. Auf dem Weg liegen unzählige Ampullen von einem, wie wir vermuten, Aufputschmittel, das sie verwenden. Keuchend beginne ich Romy um ihren Ross zu beneiden. Immer wieder meine ich, der Pass liege schon in Sichtweite, doch es geht weiter hoch und noch höher. Die Schönheit der Bergwelt um mich herum kann ich kaum wahrnehmen. Zehn Meter, ein Stein, wo ich absitzen kann, und lange, sehr lange atmen, bis sich der Atem und Herzschlag normalisiert haben. Dann weiter, die nächste zehn Meter. Anderen Pilgern geht es nicht besser. Nur Fabian läuft unbeschwert als ob es sich um eine Wanderung auf den Uetliberg handeln würde. Natürlich beneide ich auch ihn, aber er ist um 35 Jahre jünger. Endlich markiert ein Meer von Gebetsfahnen den Scheitelpunkt des Passes. Die Pilger lassen hier ein Stück von ihrer Kleidung oder wenigstens eine Haarsträhne liegen. Ihnen bringt diese Wanderung das Nirwana ein Stück näher. Vielleicht auch uns? Wer weiss? Der Abstieg ist steil, doch muss man nicht mehr mit der Atmung kämpfen. Auch Reiter müssen vom Pferd absteigen und zu Fuss laufen, denn der Abstieg ist zu gefährlich. Dann laufen wir noch 13 Kilometer in einem Tal, leicht absteigend, bis zum nächsten Gasthaus. Dort geht es uns genau gleich wie in dem Ersten. Kein bisschen besser, nur die Reisportionen sind etwas grösser. Der dritte und letzte Tag ist dagegen leicht. Nur etwa 12 Kilometer und wir sind zurück beim Ausgangspunkt. Doch die Beine sind schwer und die Kilometer ziehen sich in die Länge. Endlich sehen wir das Dorf hinter einer Talbiegung. Mit einem üppigen Essen beschliessen wir diese Pilgerwanderung, die bis an unsere Grenze und teilweise darüber hinausgegangen ist. Nun fahren wir zum Manasarovar See, wo ein Erholungstag geplant ist. Leider kommen wir dort wegen einer Panne am Landrover von Christine erst bei Dunkelheit an. Das ersehnte Duschen müssen wir auf Morgen verschieben. Umso mehr geniessen wir dann die heissen Quellen, die es beim See gibt. In einem grossen Holzbottich voll heissen Wassers vergessen wir die Strapazen der letzten Tage schnell. Wie neugeboren steigen wir aus dem herrlich warmen Wasser aus. Bereit für nächste Herausforderung...
Montag, 5. September 2011
Über Stock und Stein
Bevor wir weiter fahren können, müssen wir einen Tag auf einem trostlosen Hotelparkplatz verbringen. Man muss wissen, dass die Strasse, der wir nun folgen werden, neu gebaut wird. Da die Chinesen nicht kleinlich sind, erwartet uns eine Baustelle von 700 km Länge, so wird uns gesagt. Am Ende werden es ganze, Romy hat es genau aufgeschrieben, sage und schreibe 930 km sein. Aber der Reihe nach. Wir müssen warten (auf dem Hotelparkplatz), denn die Strasse wird für den normalen Verkehr nur an drei Tagen im Monat geöffnet. Dann dürfen wir! Und es wird bald klar, was unseres Brot für die nächsten 5 Tage sein wird: eine Piste von der übelsten Sorte, Flussdurchfahrten ohne Brücken, Löcher, gewaltige Steigungen ohne Ende, Steine jeder Grösse, Staub, Schlamm, Wellblech und alle möglichen Widrigkeiten. Vor allem die Höhe macht Mensch und Auto zu schaffen. Denn sehr bald ist der erste Pass mit 5200 Meter erreicht und es folgen weitere, nicht minder hohe, der höchste davon über 5400 Meter. Es geht auch immer wieder hinunter, jedoch nie unter 4500 Meter. Erste Höhenbeschwerden machen sich bemerkbar, vor allem Kopfweh und Schlaflosigkeit. Für den schlimmsten Fall haben wir zwei Sauerstoffkissen bekommen. Sie sind zwar recht gross, aber wie lange der Sauerstoff im Notfall reichen würde wagen wir gar nicht zu fragen. Doch ertragen wir die Höhe besser als erwartet, vielleicht dank der Akklimatisation im Pamir. Wegen der Höhe verlieren die Motoren an Leistung. Sehr oft müssen wir stundelang im ersten oder im zweiten Gang fahren. Der Benzinverbrauch schnellt in noch grössere Höhe als wir uns befinden. War der Durchschnittsverbrauch in der Schweiz um die 12 Liter, sind es hier glatt 10 Liter mehr. Wir müssen Benzin nachkaufen, da unsere Kalkulation mit 15 Liter weit hinter dem wirklichen Verbrauch liegt. Es gibt aber keine Tankstellen, Benzin kann man nur bei Privaten kaufen. Sie verlangen aber Fantasiepreise für eine fragwürdige Qualität, denn sie wissen all zu gut, dass man keine Alternative hat, wenn man das Benzin braucht. Lieber verkaufen sie nicht, jedes Handeln ist zwecklos. Ausserdem stimmen die angegeben Mengen nie mit der Wirklichkeit überein, was zu wüsten Diskussionen Anlass gibt.
Für das alles entschädigt uns die Landschaft. Wunderschöne Berge in allen Farbschattierungen, teils mit Schnee bedeckt, weitläufige Täler, Flüsse, die ihren Lauf noch selber wählen können und Wolken, die fantastische Gebilde am Himmel zeichnen. Nun darf der Fahrer die Schönheit der Landschaft nur in den kurzen Fahrpausen geniessen, denn wenn er nur für einen kurzen Augenblick die Augen von der Piste lässt, kommt garantiert ein tiefes Loch oder ein Stein. Habe ich früher über schlechte Strassen in Tadschikistan geschrieben, muss ich mich nachhinein entschuldigen. Das hier übersteigt alles bei Weitem. Vor allem der blaue VW von Johanna und Fabian hat Mühe, er hat nur Zweiradantrieb. Einige Male bleibt er in einem Fluss stecken, die starken Landrover müssen ihn dann herausziehen. Auch einige Steigungen packt er nicht. Das kostet alles viel Zeit, unser Durchschnitt ist kaum 20 km pro Stunde. Bald hängen wir dem Zeitplan hinterher. Dazu kommt noch eine unerwartete Strassensperre. Fast den ganzen Tag stehen wir von einem Erdwall, erst gegen Abend kommt ein Radbagger und macht den Weg frei.
Viele Tausend chinesische und tibetische Arbeiter sind unter erbärmlichen Bedingungen am Bau beschäftigt. Alle paar Kilometer steht ein Baukamp, wo die Arbeiter in grossen Zelten leben, kein Komfort in 5000 Meter Höhe. Klar gibt es Maschinen, aber sehr viel wird noch von Hand gemacht.
Wir kämpfen uns vorwärts, Kilometer um Kilometer. Dann endlich – ein Pass, behangen mit Gebetsfahnen. Jetzt sind wir in Tibet. Freude herrscht, Fotos werden gemacht. Aber äusserlich hat sich nichts geändert, die Landschaft ist gleich schön, die Piste gleich schlecht. So geht es Tag um Tag. Unterwegs kann man nichts kaufen, vom Duschen nur träumen. Es gilt nur eines, vorwärts kommen. Jeden Tag sind wir 10 bis 12 Stunden am Steuer. Nicht zu denken, wenn hier eine Panne passieren würde. Unser Guide fährt abwechselnd in einem der vier Fahrzeuge mit.
Doch, wie man sagt, alles hat ein Ende. Nach 930 km und fünf Tagen liegt - wie eine Fata Morgana - ein perfekter Asphalt vor uns. Wir möchten aussteigen und den Belag küssen. Der Brummi schwebt gerade, so kommt uns es vor. Wir fliegen! Wir haben das Übel besiegt. Obwohl wir wussten, dass die Pisten schlecht sind, müssen wir im nach hinein sagen, dass wir die Schwierigkeiten unterschätzt haben. Mensch und Material kamen auf diesem Schreckensabschnitt an ihre Grenzen und wie schätzen uns glücklich, dass es alle – so scheint es im Moment – heil überstanden haben.
Im Moment sind wir in Ali. Die Stadt auf der Karte zu suchen ist relativ schwierig, denn sie hat etwa fünf verschiedene Namen. Hier gibt es (fast) alles. Für uns ist die Dusche am wichtigsten. Alles hier ist fest in chinesischer Hand, Tibeter sind bald in der Minderheit. Zuerst lassen wir die Fahrzeuge waschen damit die ursprüngliche Farbe zum Vorschein kommt und alles wird gecheckt und wenn nötig repariert. Es gibt ein Internetcafe, hier Internetbar genannt, ein Bazar und mehrere Supermärkte. Wir kaufen ein und bunkern Wasser. Nun sind wir bereit für die nächsten Abenteuer.
Ps. Vielen Dank für das Echo. Ich bin sehr froh, dass dieser Weg, im Blog neue Beiträge zu veröffentlichen, funktioniert, wenn leider auch ohne Bilder. Im nächsten Reiseabschnitt wollen wir den heiligen Berg Kailash zu Fuss umrunden (drei Tage über einen Pass von 5600 Metern). Wir werden wahrscheinlich lange ohne Internetzugang sein.
Wir grüssen herzlichst unsere treuen Leser und entschuldigen uns, dass es nicht möglich ist, uns bei allen persönlich zu bedanken.
Romy und Miro
Montag, 29. August 2011
Im Inneren des Imperium
Ja, wir sind im „Reich der Mitte" wie es heisst, oder im Imperium, wie wir es nennen, angekommen. Es war eine Zitterpartie bis zum Schluss, denn nie weiss man, was den chinesischen Behörden über Nacht einfällt. Wie es genau weiter geht, wissen auch noch nicht, aber wir sind drin und das zählt!
Wir, das sind drei Fahrzeuge, ein Landrover gefahren von Christine und Nuria aus Deutschland und zwei VW Busse T3, gefahren von uns und von Johanna und Fabian aus Davos. Pathetisch gesagt, das Schicksal hat uns zusammengeführt und wir sind nun für die nächsten 35 Tage miteinander verbunden. Das Schicksal spielen auch hier wiederum die chinesischen Behörden, die für Autoreisende einen Führer vorschreiben. Und da niemand ohne einen Führer reisen darf, sind wir aufeinander angewiesen, um nicht zu sagen angekettet, denn er wird abwechslungsweise in einem von unseren drei Autos mitfahren.
Ein Tag vor der geplanten Einreise treffen wir uns bei der Karawanserei Tash Rabat in Kirgistan, etwa 100 km von der chinesischen Grenze entfernt. Das letzte Mal kampieren wir unweit einiger Jurten, inmitten der kirgisischen Berge. Am Abend fahren wir noch näher zum Grenzübergang, damit wir dort am Morgen frühzeitig sind. Die Rüttelpiste erlaubt kaum eine Geschwindigkeit die über 30 km/h geht. Eine kalte Nacht steht bevor, immerhin sind wir 3400 Meter hoch.
Früh am Morgen stehen wir an der Schranke, zusammen mit etwa 15 chinesischen Lastwagen. Und wir stehen lange, denn erst wenn unserer Führer an der chinesischen Seite der Grenze ankommt, geben die Chinesen das Einverständnis und die Kirgisen beginnen mit unserer Abfertigung. Sie geht relativ zügig voran, braucht aber doch mehr Zeit als sonst, da wir nun sechs Personen sind. Zwischen den Grenzposten liegt etwa 7 km Niemandsland. Als letzter Gruss von Kirgistan erreicht uns noch ein heftiger Hagelschauer gefolgt von einem Regenbogen. Ob das ein guter Ohmen ist?
Dann die Grenze. Ein silbrig glänzender Tor bewacht von einem stramm stehenden Soldaten. Unserer Führer kommt uns entgegen und begrüsst uns herzlich. Er ist ein Uigure namens Musa. Seine ersten Amtshandlungen: unsere Pässe und GPS Geräte einsammeln, dann fahren wir 5 km zum ersten Checkpoint. Was dort gecheckt wird entzieht sich unserer Kenntnis, das erledigt der Guide. Die wirkliche Abfertigung erfolgt erst nach 100 km Fahrt. Dort werden zuerst die Fahrzeuge in einer Schleuse desinfiziert. Das erscheint uns lächerlich, die Autos sind von unten bis aufs Dach mit Schlamm bespritzt und total verstaubt, dem wirklich letzten Gruss von Kirgistan. Darum kann es gar nicht nützen, kostet aber 5 $.
Der Terminal ist modern, es gibt sogar Automaten, die unsere maschinenlesbaren Pässe entziffern können. Nach den neuesten Vorschriften darf man keine Lebensmittel nach China einführen. Wir haben es nicht gewusst und mit dem letzten kirgisischen Geld noch gross eingekauft. Was jetzt? Wir unterschreiben eine Deklaration, dass wir keine biologischen Produkte mitführen und bereiten schon diverse Ausreden vor. Doch die Beamten interessieren sich nur für Motoren- und Chassisnummer.
Wir dürfen nun offiziell das grosse Reich betreten und sind plötzlich in einer anderen Welt. Überall neue Gebäude, das alte wird ohne jede Rücksicht abgebrochen. Autobahnen, Strassen, Schulen – alles ist neu, auch Autos und Motorräder. Sie fahren grossteils elektrisch, da sind uns die Chinesen weit voraus. Zusammen mit unserem Guide erreichen wir Kashgar. Dort haben unlängst Unruhen stattgefunden, man merkt es an der starken Polizei- und Militärpräsenz in der ganzen Stadt. Jetzt ist es aber ruhig. Allerdings dürfen wir mit unseren Autos nur bis zum Hotelparkplatz fahren und sonst keinen Meter weiter ohne den Guide.
Früher war Kashgar ein wichtiges Ort an der Seidenstrasse. Auch heute treffen sich hier Reisenden aus allen Himmelrichtungen. An der Hotelbar gibt es viel zu erzählen und die Erfahrungen und Erlebnisse werden bei einem Drink ausgetauscht. Wir müssen bis Montag (drei Tage) warten, dann können wir erst die chinesische Fahrprüfung machen und die chinesischen Autonummern in Empfang nehmen. Dann kann es losgehen, falls die Behörden uns nicht unerwartet einen neuen Stein in den Weg legen. Der spannendste Teil unserer Reise liegt vor uns…
Ps. Wie es zu erwarten war, ist unsere Blog - Seite hier gesperrt. Doch inzwischen konnte ich es so einrichten, dass ich einen neuen Beitrag per E-Mail laden kann. Das geht leider nur ohne Bilder. Auch kann ich ihn nicht kontrollieren, darum bitte ich euch, mich per E-Mail zu benachrichtigen, falls etwas nicht in Ordnung ist. Die Bilder werden von Nepal aus nachgeliefert.
Montag, 22. August 2011
Brot und Spiele
Dienstag, 16. August 2011
Die Polizei – dein Freund und Helfer
Mittwoch, 10. August 2011
Vom Dach der Welt.
Dienstag, 2. August 2011
Mit einem Fuss in Afghanistan.
Wir Ausländer dürfen uns auch in die Menge stürzen, aber erst nachdem wir unsere Pässe am Tor deponiert haben. So können wir für kurze Zeit und auch ohne Visum Afghanistan betreten. Unter den wachsamen Augen der Soldaten wird nun gehandelt und gefeilscht. Tadschiken schleppen mobile Restaurants an mit Tischen und Stühlen und bald brutzelt der Plow (ein Reisgericht) in grossen Pfannen. Afghanen fahren mit grossen Handkarren an, schwer beladen mit Teppichen und anderen Gegenständen. Die meiste Ware ist „Made in China“ und eigentlich Ramsch. Doch um das geht es nicht, für uns sind die Menschen massgebend. Afghanen in wallenden Gewändern mit der typischen Kopfbedeckung, Tadschiken eher westlich gekleidet. Leider ist keine einzige Frau aus Afghanistan anwesend. Wahrscheinlich müssen sie zu Hause bleiben, während die Männer die Geschäfte abwickeln. Umso mehr fallen die bunten Kleider der Frauen aus Tadschikistan auf, manche mit Kopftuch, viele aber ohne. Ganz selbstbewusst feilschen sie mit den bärtigen Afghanen um den Preis der Ware. Das wäre für mich die angemessene Stellung der Frau in Islam.
Ps. Morgen geht es weiter nach Murgab und dann weiter Richtung kirgisische Grenze.
Donnerstag, 28. Juli 2011
Wir fahren Slalom.
Alle diese Dörfer liegen auf einem schmalen Landstreifen und direkt dahinter türmt sich eine 3000 Meter hohe Bergkette auf. Ab und zu sehen wir im zick-zack schmale Eselpfade die bis zum Gipfel führen. Dies ist die einzige Verbindung zum übrigen Afghanistan. Und wir schauen den Afghanen vom anderen Flussufer, von einer anderen Welt zu. Das heisst, nur der Beifahrer kann es tun, der Fahrer muss sich voll auf die Strasse konzentrieren, denn die Löcher sind sehr hinterlistig – aber das hatten wir ja schon.
Donnerstag, 21. Juli 2011
Ein STAN weiter.
Die Chinesen, die hier die Strasse bauen, sind mit dem Bau des Tunnels noch nicht fertig. Darum geht es über einen 3400 Meter hohen Pass. Die Strasse, und das ist eine Beleidigung dieses Wortes, stammt noch aus der Sowjetzeit. Seitdem hat man nichts mehr in den Unterhalt investiert. Der ursprüngliche Asphaltbelag hat sich aufgelöst und tiefe Löcher haben sich aufgetan. Die Fahrzeuge ziehen mächtige Staubfahnen hinter sich. Die Steigung zwingt die Lastwagen im Schritttempo zu fahren. Zum Staub kommen noch schwarze Abgaswolken dazu. Überholen ist praktisch unmöglich. Wir fahren Slalom zwischen den Löchern, schlucken Staub und Abgase. Der Motor quält sich im ersten Gang. Langsam, sehr langsam gewinnen wir in unzähligen Kurven an Höhe. Endlich sind wir oben. Das Bergpanorama ist überwältigend, doch der starke kalte Wind lässt es uns nicht lange geniessen. Nicht weniger als elf Fünftausender sind in dieser Gegend zu bewundern.
Lange reden wir am Lagerfeuer über Gott und die Welt. Auch über den Tunnel, der vor uns auf dem weiteren Weg nach Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, liegt. Der Tunnel ist berühmt – berüchtigt. Es gibt keine Beleuchtung und keine Lüftung für gut fünf Kilometer. Man kann ihn aber über einen Pass umfahren. So dreht sich die Diskussion: Pass oder Tunnel? Wir ziehen alle möglichen Informationen ein. Leider sind sie sehr widersprüchlich, von es geht bis Horror. Wir entscheiden uns für den Tunnel, denn die Passstrasse soll noch schlechter sein als die letzte.
Den iranischen Fahrradfahrer laden wir samt Fahrrad in den VW Bus, Ernst fährt in unserem Schutz hinter uns. So fahren wir in das grosse schwarze Loch. Die Abgase verpesten die Luft, die Sichtweite ist vielleicht 30 Meter. Ich hoffe, dass die anderen Verkehrsteilnehmer Lichter haben und sie auch benutzen. Eine riesige Baumaschine steht unbeleuchtet mitten im Tunnel. Tiefe Löcher in der Fahrbahn, voll Wasser, das unablässig von der Decke tropft. Wie tief sie sind kann ich nur ahnen. Da ist schon wieder ein entgegenkommendes Auto, das mit Fernlicht blendet. Fahren, fahren, ja nicht anhalten müssen. Wir sorgen uns um Ernst, der hinter uns die Giftmischung direkt einatmen muss, wir können wenigstens Fenster und Lüftung schliessen. Plötzlich ist die Fahrbahn auf einer Länge von gut 100 Meter ganz unter Wasser, wie tief wissen wir nicht. Aber es geht, wir quälen uns vorwärts. Ein Stein fällt uns vom Herzen als wir das sprichwörtlichen Licht - nach über einer halben Stunde - am Ende des Tunnels sehen. Es ist wieder einmal gut ausgegangen. Kaum zu glauben, dass der Tunnel erst drei Jahre alt sein soll. Ende Monat, also in 12 Tagen soll er endgültig geschlossen werden, weil er zu gefährlich ist.