Samstag, 31. August 2013

Ureinwohner, Murmeln und Cowboys



In Alice sehen wir viele Ureinwohner, einige gut gekleidet beim Einkaufen, andere eher verwahrlost am Boden hockend im Park. Gerne würden wir über diese Menschen mehr erfahren. Doch es ist enorm schwierig mit ihnen überhaupt ins Gespräch zu kommen. Zu unserer Überraschung können die meisten nur ein paar Brocken Englisch. Sicher hat man ihnen zu Kolonialzeiten und auch danach viel Unrecht angetan, sie als Menschen dritter Klasse behandelt. Und es ist noch nicht allzulange her seit man ihnen die vollen Rechte als australische Bürger gegeben hat, zusammen mit ihrem Stammesland, das ihnen damals weggenommen wurde. Die heutigen Regierungen, anscheinend vom schlechten Gewissen geplagt, versuchen eine Wiedergutmachung. Es werden englische Namen von Orten, von National Parks, Bergen und Flüssen usw. in die Sprache der Ureinwohner umbenannt. Man macht alles Mögliche, um sie in die moderne Gesellschaft zu integrieren und gleichzeitig will ihre Kultur um jeden Preis erhalten.

Dazu muss man wissen, dass ihre und unsere Kultur so verschieden wie Tag und Nacht sind. Ich habe das leise Gefühl, dass es ein unmögliches Unterfangen ist, denn indem man sie in unsere Kultur integriert, zerstört man gleichzeitig ihre eigene. Sicher gibt es Ureinwohner die studiert haben und erfolgreiche Geschäftsleute sind, aber es gibt auch die anderen, die von der modernen Gesellschaft nichts wissen wollen. Sie leben in Reservaten im Busch, wo sie ihrem Lebensstil, ungestört von äusseren Einflüssen, nachgehen können. Und dazwischen gibt es jene, die ihre Probleme mit Hilfe von Alkohol zu ertränken versuchen.

In keinem Land, das wir auf unseren Reisen besucht haben, hatten wir Probleme mit den Menschen in Kontakt zu treten. Ein Lächeln, ein Blick in die Augen, ein paar Worte, gesunde Neugier und Respekt haben eine Brücke gebaut. Hier funktioniert dies nicht. Wir haben das Gefühl, dass diese Menschen in einer anderen Welt leben, zu der wir keinen Zugang haben, ein Verständnis scheint unmöglich. Trotzdem möchten wir mehr über sie erfahren. Da bietet sich eine Tour an. 


Aber auch da sind Wiedersprüche: wir erfahren sehr viel über ihre Geschichte, die Stammesgesetze, Heiraten, über die Bräuche wenn ein Kind geboren wird oder jemand stirbt, über die Nahrung aus dem Busch, über ihre Waffen. Wir können in der heissen Asche gegarten Känguruhschwanz und lebendige Maden kosten und Bumerang werfen. Doch das alles wird uns nicht von einem Ureinwohner vermittelt, nein es ist ein Weisser.



Wir verabschieden uns von Alice Springs. Um noch mehr Schluchten zu sehen, fahren wir nach Osten in die East MacDonnell. Als Zugabe gibt es hier eine Ruinenstadt, die ein ähnliches Schicksal wie viele Goldgräberstädte erlebt hat – nachdem die Goldvorkommen erschöpft waren, hat man sie dem Verfall preisgegeben. Ein paar Häuserruinen stehen da im Busch, es ist sehr schwer sich vorzustellen, dass es hier einmal eine pulsierende Stadt gegeben hat. Nach diesem Abstecher kommen wir wieder zum Stuart Highway und fahren in nördlicher Richtung. Es wird immer wärmer.

Ein Höhepunkt unterwegs sind die „Devils Marbel“ auf deutsch „Teufels Murmeln“. Riesige runde Steine liegen verstreut in der Landschaft, als ob wirklich der Teufel oder ein Riese hier Murmeln gespielt hätte. Wir bleiben hier eine Nacht. Es ist nicht irgendeine Nacht, es ist eine Vollmondnacht. Nun liegen die Steine, die noch kurz vorher in der untergehenden Sonne rot geglüht haben, verzaubert im silbernen Mondlicht da.



Wir haben das Northern Territory verlassen und ein neues Bundesland betreten, Queensland. Die Landschaft ist die gleiche geblieben, trockener Busch mit roter Erde. Zwischen den wenigen, vertrockneten Grasbüscheln weiden einige Kühe. Dass sie überhaupt etwas zu Fressen finden wundert uns. Känguruh gibt es auch, meistens aber liegen sie tot am Strassenrand, überfahren von Autos. Traurige Tatsache ist, dass wir als Reisende im Outback Australiens mehr tote als lebendige Känguruhs sehen. Die Adler und Raubvögel freut es, ihr Tisch ist hier immer reich gedeckt. Die erste Stadt in Queensland heisst Camooweal und hier bietet sich uns eine Abwechslung von der eintönigen Fahrt durch das Nirgendwo. Es ist eine Zusammenkunft der „Drovers“, was übersetzt so viel wie Viehtreiber heisst. Diese Männer haben eine glorreiche Vergangenheit hinter sich und Ruhm aus den Zeiten, wo es noch keine Viehtransporter-Road-Trains gegeben hat. Damals mussten sie das Vieh Hunderte von Meilen zu den Schlachthöfen an der Küste treiben. Die noch übriggebliebenen Drovers betreiben heute noch zu besonderen Anlässen einen Wettbewerb, der „Bronco Branding“ heisst. Dabei muss ein Reiter mit seinem Lasso aus einer Herde ein Kalb einfangen und es zu seinen Helfern schleppen. Dort stürzen sich ziemlich brutal zwei Männer auf das arme Tier, das nicht weiss, wie ihm geschieht und um sein Leben fürchtet. Sie werfen es zu Boden und binden ihm schnell die Füsse zusammen. Ein dritter Mann eilt mit dem Brenneisen herbei. Dieses wird aber nicht im Feuer erhitzt, sondern in Farbe getunkt. Ob es Tierschutzbestimmungen verlangen, dass die ursprüngliche Methode nicht angewendet wird oder weil es ein Showwettbewerb ist, wissen wir nicht. Die Tiere werden mit einer wasserfesten Farbe markiert. (Warum eigentlich wasserfest, wenn es hier praktisch nie regnet, fragen wir uns). Dann wird das Kalb wieder freigelassen. Drei Tiere muss der Drover mit seiner Mannschaft fangen und markieren, die Zeit wird gemessen. Das Publikum verfolgt das Spektakel mit Begeisterung, eine Mannschaft folgt der anderen. Unter den harten Männern finden sich sogar einzelne Frauen. Der Wettbewerb dauert den ganzen Tag und so fahren wir weiter, ohne die Siegerehrung abzuwarten.




Samstag, 24. August 2013

Bootsrennen in der Wüste

Wir verlassen nun den Ayers Rock und bewegen wir uns jetzt auf dem ausgetretenen Touristenpfad. Unser erstes Ziel ist der Kings Canyon. Wir machen hier eine längere Wanderung und sind beileibe nicht die einzigen. Romy erinnert sich an die guten alten Zeiten der Radiowanderungen. Um der Menge etwas zu entrinnen, wählen wir zur Weiterfahrt den Mereemie Loop, eine Verbindungstrasse die durch das Gebiet der Aborigines nach Hermannsburg führt. Dazu braucht es wieder ein Permit, das man aber ohne Probleme an der Tankstelle im Kings Canyon Resort bekommt. Eine mündliche Erklärung, dass man einen Geländewagen fährt und 5 Dollar genügen. Wahrscheinlich sind vor allem die 5 Dollar wichtig, denn kontrolliert wird nichts. Die Strasse, eigentlich eine Piste, ist etwa 160 km lang und unbefestigt. Einen Geländewagen braucht man nicht wirklich, aber in Australien ist man übervorsichtig. Wir fahren los und nachdem wir stundenlang so richtig von den endlosen, tiefen Bodenwellen durchgeschüttelt sind, erreichen wir Hermannsburg. Wie kommt eine australische Siedlung mitten im Busch zu einem solchem Namen? Die Erklärung ist einfach - ihre Entstehung geht auf eine deutsche Mission zurück. Die Mission ist heute nicht mehr tätig, aber die Kirche und die übrigen alten Gebäude stehen noch und sind unter Denkmalschutz. Auch einige deutsche Küchenrezepte scheinen aus dieser Zeit überliefert zu sein. Im Café gibt es einen köstlichen Apfelstrudel mit Schlagrahm. Das „Köstlich“ ist aber mit Vorsicht zu verstehen, meint Romy; denn nachdem wir lange Zeit so was nicht gegessen haben, mundet es uns wirklich ausgezeichnet. Ein Rezept, wie man einen guten Kaffee macht, ist leider nicht überliefert worden, es gibt nur eine lösliche Brühe. In der Nähe von Hermannsburg liegt ein Nationalpark, den wir uns unter keinen Umständen entgehen lassen wollen. Es ist auch nicht allzuweit, nur etwa 22 km von der Hauptstrasse. Aber am Anfang der Piste, die zum Park führt, steht ein grosses rotes Schild. „For 4 wheel drive with high clearence only“, übersetzt heisst es: „nur für Geländewagen mit grosser Bodenfreiheit erlaubt“. 

Wir überlegen, ob wir es riskieren sollen, denn der Brummi hat zwar Vierradantrieb aber mit der Bodenfreiheit sieht es nicht gut aus. Doch auf „Palm Valley“, wie der Nationalpark heisst, wollen wir nicht verzichten. Und es geht, Brummi schafft es – bis auf die letzten zwei Kilometer. Da geht es über Felsenstufen von fast einem halben Meter Höhe, ebenso hat es tiefe Löcher und Sand. Wir laufen lieber den Rest der Piste zu Fuss und dann sehen wir sie – die Palmen. 

Sie sind Überbleibsel aus der Zeit, in welcher in Australien noch ein anderes Klima herrschte. Hier, in diesem geschützten Tal mit genug Wasser, konnten sie sich halten, während sich im grossen Umkreis eine Halbwüste ausbreitete. Wir sind hier ganz alleine, haben die Palmen, die sich im sanft im Wind wiegen, nur für uns.


Wieder so ein Moment, wo wir uns sagen können: „Die ganze Anstrengung war nicht umsonst, es hat sich gelohnt“. Die Sonne steht schon niedrig im Westen, die Felsen des Tales glühen in tiefroten Tönen. 

Kurz bevor es ganz dunkel wird erreichen wir den kleinen Campingplatz am Flussufer ganz in der Nähe. Nur noch zwei andere Fahrzeuge sind hier. Es herrscht Stille, kein künstliches Licht stört den fantastischen Sternenhimmel, es ist als wären wir auf einem anderen Planeten. Wir zünden ein Feuer an, sitzen lange draussen, schauen in die knisternden Flammen und geniessen diese einmalige Stimmung.

Unterwegs nach Alice Spring besichtigen wir die Sehenswürdigkeiten im West MacDonnell National Park, so wie es die anderen Touristen auch tun. Meistens sind es tiefe Schluchten, durch die sich die Flüsse im Laufe der Jahrtausende einen Weg gegraben haben. Die Flüsse führen zwar um diese Zeit kein Wasser mehr aber in den meisten Schluchten sind Wasserlöcher geblieben. Darin spiegeln sich die hohen, roten Felswände, der blaue Himmel und die grünen Eukalyptusbäume mit ihren weissen Stämmen.




Dann sind wir endlich in Alice Spring, fast genau in der Mitte des Kontinents. Der Ursprung der Stadt geht auf die Telegrafenleitung zurück, die quer, teils durch noch unbekanntes Gebiet, von Südaustralien nach Darwin gebaut wurde. Damals galt sie als technische Meisterleistung. Von Darwin wurde ein Unterseekabel nach dem heutigen Indonesien gelegt. Brauchte vorher eine Nachricht von London nach Australien zwei Monate (mit einem Schiff), reichten nun zwei Tage. Da die Reichweite der Übermittlung begrenzt war, musste eine Nachricht unterwegs mehrmals wiederholt werden. Die damalige Telegrafenstation wurde als Keimzelle der Stadt sorgfältig restauriert und steht zur Besichtigung offen. Eine etwas andere Sehenswürdigkeit ist die „School of the Air“. Diese Schule rühmt sich, sie hätte das grösste Schulzimmer der Welt. Und das stimmt auf seine Weise. Von hier aus werden Kinder in Farmen, Polizeistationen, Militärbasen, Rangerstationen in den abgelegenen National Parks, Road Houses und Minen, Hunderte von Kilometer weit entfernt und im ganzen Land verstreut, unterrichtet. Im Moment gibt es 140 Schüler. Früher wurde der Unterricht mittels Funk durchgeführt, heute geschieht es über einen Satellit und Internet. Die Schüller sehen ihren Lehrer am Bildschirm, der Lehrer kann jeden seiner Schüler mit einem Tastendruck auf seinen Bildschirm „holen“. Bis zum elften Lebensjahr werden die Schüler auf diese Weise geschult, dann müssen sie für die weitere Bildung in ein Internat.

Alice ist eine verrückte Stadt, sagen viele. Wir sagen es auch, nachdem wir die „Henley-on-Todd-Regatta“ gesehen haben. Natürlich hat die Stadt auch einen Fluss, der“ Todd River“ heisst. Ausser an ein paar Tage im Jahr fliesst im Fluss aber kein Wasser. 1962 kam man auf die ausgefallene Idee, hier ein Bootsrennen zu veranstalten. Gut, aber wie soll das gehen, wenn der Fluss kein Wasser führt? „Ganz einfach“, war die Antwort des Erfinders: Den Boden der Boote entfernen, einsteigen und das Boot tragen. Mit den Jahren hat sich daraus ein lustiger Event entwickelt. Der Tag fängt mit einer „Bootsparade“ in der Hauptstrasse an, wo alle Teilnehmer mit ihren Booten mitmarschieren. Das Rennen wird in einer Arena in dem trockenen, sandigen Flussbett abgehalten. Ab der Startlinie müssen die Teilnehmer etwa 150 Meter zu einer Tonne laufen und das Boot tragen, dort umkehren und zurücklaufen. Es gibt verschiedene Kategorien wie bei einem richtigen Bootrennen – Einer, Zweier, Vierer und Achter, Ruderboote, Kajaks, Jachten usw. Mit der Zeit wurden die Boote immer leichter und heute werden sie eigentlich nur symbolisiert. Weitere Wettbewerbe sind Seilziehen (hier heisst es Schiff ankern), Wasserski, Fässer mit Sand füllen und andere unmögliche Dinge. Es ist ein richtiges Volksfest, einige Teilnehmer sind kostümiert und alle machen mit Begeisterung mit. Essen und Trinken kommen natürlich auch nicht zu kurz, überall sind Stände aufgebaut. Der Höhepunkt des Festes ist eine grosse Seeschlacht. Drei zu Schiffen umgebaute Geländewagen liefern sich in der Arena einen Kampf mit Wasserkanonen und Staubbomben. Nachdem alle Munition verbraucht ist, entscheidet das Publikum mit Applausstärke welches Schiff gewonnen hat. Ob dieser Art des Vergnügens kann man denken, die Leute hier seien etwas wüstengeschädigt – doch wenn ich an die Street Parade in Zürich denke, finde ich, die Menschen seien eigentlich überall gleich.



Samstag, 17. August 2013

Die längste Abkürzung

Nur fahren wir also diese unbefestigte Piste mit dem prunkvollen Namen „Great Central Road“. Die Werbung hat daraus „Australia’s Longest Shortcut“  gemacht, also „die längste Abkürzung Australiens“. Lang ist diese Piste allemal, unser GPS zeigt 1084 km von Laverton, wo die Piste ihren Anfang nimmt, bis zum Ayers Rock im Roten Zentrum, unserem nächsten Ziel. Doch die Werbung hat diesmal Recht, es ist wirklich die einzige Abkürzung, um vom Westen Australiens in das Zentrum zu gelangen. Die Piste ist technisch nicht schwierig zu fahren, es gibt keine Sanddünen, Wasserdurchfahrten oder dergleichen, soweit gut. Die Strecke führt durch unbesiedeltes und einsames Gebiet, unterwegs gibt es nur drei Road Houses wo man tankt und wenn nötig Hilfe holen kann. Das Zweite wollen wir möglichst vermeiden, denn ein Abschleppen über einige Hundert Kilometer kostet in Australien fast so viel wie ein neues Auto. Aus diesem Grund ist die Piste gesäumt von vielen Autowracks, die hier für die Ewigkeit in der australischen Sonne rosten, nachdem man alles Brauchbare abmontiert hat. Da stossen wir ein Gebet zum Himmel und vertrauen voll auf Brummi.


Wir füllen alle unsere Kanister mit Wasser und Benzin, kaufen ausreichend Lebensmittel. Ja, auch ein „Permit“, also eine Bewilligung ist für das Befahren vorgeschrieben, da die Strecke durch Ureinwohnerreservate führt. Die Bewilligung gilt nur für den Transit, der Besuch der Orte, wo die Aborigines leben, ist ausdrücklich verboten. Nun kann es losgehen. Bald zeigt sich die nächste Tücke dieser Piste, die Bodenwellen. Das sogenannte „Wellblech“ schüttelt uns durch und zwingt uns bald den vierten und teilweise auch den dritten Gang zu vergessen. Fast vier Tage brauchen wir um die Entfernung zu überwinden, es sind lange Tage, nur mit langsamem Fahren ausgefüllt. Die Landschaft bietet nicht viel, der einzige Höhepunkt sind die wilden Kamele, die manchmal unseren Weg kreuzen.


Der Verkehr ist sehr spärlich, vielleicht ein Auto pro Stunde begegnet uns. Einmal müssen wir doch nachtanken. Der Benzinpreis hier ist astronomisch und es ist nicht einmal richtiges Benzin. Da einige Ureinwohner das Benzin schnüffelten und dies mit der Zeit zu Problemen führte, hat die Regierung den Verkauf, gleich wie den von Alkohol, in diesem Gebiet kurzerhand verboten. Anstelle des Benzins wird unter dem Namen „Opal“ ein Ersatzstoff verkauft. Diesen kann man angeblich nicht als Ersatzdroge missbrauchen, beim Fahren merken wir keinen Unterschied. Am Mittag des vierten Tages sehen wir endlich wie das Licht am Ende des Tunnels - die Kata Tjuta, oder die Olgas, wie sie früher hiessen. Bald schwebt der Brummi wieder über Asphalt und bald ist auch mit der Einsamkeit vorbei. Denn Kata Tjuta, zusammen mit dem Ayers Rock, der nun Uluru genannt wird, sind die meist besuchten Orte in Australien. Und wirklich, kaum finden wir hier einen Parkplatz. Wir unternehmen eine Wanderung und warten auf den Sonnenuntergang. Die Felsen zeigen mit der untergehenden Sonne alle Schattierungen von verschiedenen Rot, bis sie ganz dunkel werden. Am Himmel erscheinen die ersten Sterne. Wir sind froh, diese lange Piste geschafft zu haben.



Die nächsten Tage widmen wir dem Ayers Rock. Selbstverständig umrunden wir ihn zu Fuss, verzichten aber auf eine Besteigung, entsprechend den Wünschen der Ureinwohner, denn für sie ist dieser Berg heilig. Respekt zeigen heisst es hier. Trotzdem gibt es noch viele Leute, für die die Besteigung wichtig ist. An jedem Abend findet das gleiche Ritual statt: Man fährt zu einem riesigen Parkplatz und richtet sich dort mit Stühlen und Drinks gemütlich ein, den Berg vor Augen, die untergehende Sonne im Rücken. Unzählige Kameras klicken. Der Felsen ändert allmählich seine Farbe. Fantastisch, man muss es gesehen haben, um es zu Hause erzählen zu können. Nach dem Sonnenuntergang setzt sich eine lange Fahrzeugkollone Richtung Hotel oder Campingplatz in Bewegung.



Um auch Bilder aus der Luft zu haben, bucht Romy einen kurzen Aussichtsflug. Ich habe mich entschieden lieber auf der Erde zu warten, denn schliesslich muss jemand im Falle eines Falles das Auto aus dem Land bringen. Doch kaum ist Romy gegangen, ist sie auch schon wieder da. Die anderen Leute, die auch mitfliegen sollten, sind nicht erschienen, eine Stunde Warten ist angesagt. Aber auch dann kommen sie nicht. Damit der Flug stattfindet, muss noch eine Person gefunden werden und natürlich fragt man mich. So kommt es, dass ich dann doch und sogar zum halben Preis fliegen kann. Der kleine „Vierplätzer“ wird von einer jungen, lustigen Pilotin geflogen. Sie hat sichtlich Spass an ihrem Job. Als sie unten am Boden wilde Kamele sieht, flippt sie fast aus und geht im Tiefflug über die Tiere, um sie mit ihrem Handy fotografieren zu können. Sofort wird die Nachricht per Funk an andere Piloten weitergegeben. Wir freuen uns auch, aber erst wirklich, als wir wieder festen Boden unter den Füssen haben.

Freitag, 9. August 2013

Ruf des Goldes

Seit wir Albany an der Südküste verlassen haben, kennen wir nur eine Richtung: Norden. Norden bedeutet hier Wärme. Doch zuerst merken wir noch nicht viel davon. Wir fahren durch ein landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Ausgedehnte, frisch-grüne Getreidefelder begleiten uns auf dem Weg. In den Dörfern stehen riesige Silos. Einige der Felder liegen nach der Ernte im letzten Jahr brach, dort weiden nun Schafe. Wir beobachten wie ein Farmer mit seinem Geländewagen die Schafe zusammentreibt. Zwar hat er auch einen Hund, wie es sich zum Schafe treiben gehört, aber der fährt lieber auf der Ladefläche mit als hinter den Schafen herzurennen.

In Lake Grace bekomme ich unsere leere Gasflasche aufgefüllt, nun haben wir wieder Reserve. Es war nicht einfach den Mann im Hardware Geschäft zu überzeugen, das zu tun. In Australien wird bekanntlich grosser Wert auf Sicherheit gelegt. Gas aus einer in die andere Flasche umzufüllen geht zwar, ist aber nicht ungefährlich, vor allem, wenn man die nötigen Kenntnisse nicht hat. Die Tricks, denen sich die Gashändler in Nepal oder Kambodscha bedienen, würden dem braven Mann wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen lassen. Darum sage ich lieber nichts und gebe mich mit einer halben Füllung zufrieden.


In Hyden machen wir eine Wanderung um den „Wave Rock“, einem Felsen der die Form einer perfekten Ozeanwelle hat. Unterwegs lernen wir einen für uns neuen Bewohner dieses Landes kennen. Wie immer will ihn Romy fotografieren aber er versteckt hartnäckig seinen Kopf. Es braucht seitens Romys viel Geduld und gutes Zureden bis ihr das Foto gelingt. Übrigens, sein Name ist Echidna, auf Deutsch heisst es Schnabeligel. Als wir zurückkommen, steckt ein Zettel hinter dem Scheibenwischer. Ein Gruss von unbekannten Schweizern, die den Brummi mit Schweizer Nummernschildern entdeckt haben. Das freut uns am Vorabend des 1. August ganz besonders.



Nun kommen wir in eine ganz andere Landschaft, wir sind wieder im Busch mit roter Erde und Eukalyptusbäumen. Auch das Wetter wird immer besser. Wir haben die Goldfields erreicht. Am Ende des neuzehnten Jahrhundert hat man hier Gold gefunden. In der Folge ist ein Goldrausch ausgebrochen, überall in Australien und später in der ganzen Welt liessen die Menschen alles liegen und strömten hierher. Einige wurden reich, andere bezahlten den Ruf des Goldes mit dem Leben. Denn die Bedingungen in dieser unwirtlichen Gegend waren unvorstellbar hart. Es fehlte an allem, vor allem Trinkwasser war Mangelware. Für eine Gallone musste man riesige Summe bezahlen. Es gibt zwar auch Seen hier, doch das Wasser darin ist salzig. Man versuchte das Wasser zu entsalzen. Die Gegend wurde praktisch leer geholzt, denn unter den riesigen Entsalzungskesseln musste Tag und Nacht geheizt werden. Erst der Bau einer Wasserleitung von über 600 Km Länge, durch die das Wasser aus der Gegend von Perth in die Goldfields gepumpt wurde, brachte Besserung. Es dauerte 10 Tage bis das Wasser aus Perth am Bestimmungsort ankam. In dieser Zeit sind hier viele blühende Städte entstanden, mit protzigen Gebäuden, Hotels, Banken und Geschäften. Die Leute zeigten gerne, dass sie Erfolg bei der Goldsuche hatten. Man leistete sich sogar eigene Zeitungen und natürlich war auch das älteste Gewerbe erfolgreich. Doch nach einigen Jahren waren die Goldvorkommen erschöpft, der Abbau lohnte sich nicht mehr. 


Nach und nach verliessen die Menschen die Gegend und aus den blühenden Städten sind Geisterstädte geworden, die man heute als Touristenattraktion vermarktet. Gold wird aber immer noch abgebaut, nun geschieht das heute auf industrieller Basis. In Kalgoorlie klafft ein riesiges Loch in die Erde, das man angeblich sogar aus dem Weltall sehen kann. „The Super Pit“ wird es genannt und es ist wirklich gigantisch: 3.8 Km lang, 1.8 Km breit und 500 Meter tief. Jeden Tag wird es ein wenig grösser. Eine ununterbrochene Kolone von riesigen Lastwagen, jeder mit einem Fassungsvermögen von 225 Tonnen, fährt das Erz aus der Tiefe der Grube zu der Aufbereitungsanlage. Die darin enthaltene Goldmenge ist dagegen winzig – aus einer Tonne Erz gewinnt man durchschnittlich nur 2 Gramm Gold. Da man von Draussen von diesem Bergwerk nur die riesigen Abraumhalden sieht, buchen eine Tour. Wie immer geht die Sicherheit vor, darum gibt es zuerst Anweisungen, was zu tun und was zu unterlassen ist. Besonders eingeschärft wird uns, dass man nicht einmal einen kleinen Stein mitzunehmen darf, es könnte ja ein Gold Nugget sein. Anschliessend fassen wir Sicherheitsweste, Brille und Helm und dürfen mit einem Bus in das Bergwerk fahren. Da werden uns die Massstäbe, mit welchen hier gearbeitet wird, erst richtig bewusst. Allein der Raddurchmesser der Lastwagen beträgt 4 Meter. Ein Reifen kostet etwa gleichviel wie ein Mittelklassewagen. Davon hat der Lastwagen sechs Stück. Es verbraucht mehr als tausend Liter Diesel pro Tag. Eine Bohrmaschine neben der anderen bohrt ununterbrochen tiefe Löcher im harten Fels, die anschliessend mit Sprengstoff gefüllt werden. Etwa viermal in der Woche wird gesprengt. Das ist der einzige Augenblick, dass die Arbeit im Bergwerk kurz still steht. Aber schon kurz darauf beladen die Lader (auch gigantisch) ununterbrochen, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, die Lastwagen mit neuem Erz. Die Arbeiter arbeiten in 12 Stunden Schichten sieben Tage lang und haben dann eine Woche frei.



Die eigentliche Gewinnung des Goldes aus dem Erz beginnt mit dem Zerkleinern und Mahlen des Gesteins, dann folgt eine Reihe chemischer Bearbeitungsschritte, um am Schluss das Gold mit einem elektrolytischen Verfahren zu gewinnen. Wir fahren durch die Anlage, sehen aber nur ein Gewirr von Röhren, Kabel, Tanks, rotierenden Trommeln und Transportbänder, dazu Gesteinsmehl und grauen Schlamm. In das Heiligste der Anlage, in der man das Gold wirklich auch sehen und anfassen kann, werden wir leider nicht reingelassen.

Nun bereiten wir die Weiterreise vor. Wir wollen von hier aus auf der wenig befahrenen, unbefestigten „Great Central Road“ in das Rote Zentrum, also zum Ayers Rock und weiter nach Alice Springs fahren.


Samstag, 3. August 2013

Stürmische Süd-West-Ecke

Jeder Bewohner Australiens hat sein eigenes Einfamilienhaus oder auch zwei, so scheint es uns wenigsten, als wir uns Perth nähern, der Hauptstadt Westaustraliens. Noch 50 Kilometer fehlen uns aber es ist schon alles bebaut, eben, hauptsächlich mit Einfamilienhäusern. Und es werden an jeder Ecke, wo es noch Platz hat, neue erstellt. Wir kommen ohne Probleme durch das Gewirr von Autobahnen und Schnellstrassen ins Stadtzentrum. Doch schon vom Weiten leuchtet uns an dem vorgesehenen Parkplatz ein rotes Schild entgegen: „Parking full“. Er hätte uns auch nichts gebracht, wenn er nicht voll wäre. Ein etwas kleineres Schild besagt: Maximale Höhe 2.1 Meter. Da ist der Brummi um einiges höher. Zum Glück ist ein anderer Parkplatz in der Nähe, wo er hineinpasst und so können wir mit der Stadtbesichtigung beginnen. Auf die Verkehrsprobleme in der Innenstadt haben die Stadtväter eine einfache Antwort gefunden: in einer bestimmten Zone zirkulieren vier Buslinien die gratis sind. Etwas umsonst, das klingt unglaublich für Australien, ist aber wahr. So ist es einfach für uns die Besichtigung angenehm zu gestallten. Einfach ein- und aussteigen, wo es uns gerade beliebt. So hacken wir gemütlich die gebotenen Sehenswürdigkeiten ab: Parlament, Town Hall, Kirchen, Denkmäler und Kultureinrichtungen. Perth, mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern, scheint eine Stadt ohne Stress und grosse Hektik zu sein und die vielen Parks machen den Rundgang angenehm. 


Am Abend fahren nach Fremantle. Dieser Ort, etwa 17 Km entfernt, ist die Hafenstadt von Perth. Alte, gut erhaltene oder restaurierte koloniale Architektur verleiht dem Ort ein besonderes Flair. Nur haben wir uns keinen guten Tag ausgesucht. Es regnet und der starke Wind verunmöglicht schon den ersten Versuch unseren Regenschirm aufzuspannen. So sind wir hier zu einem neuen Regenschirm gekommen, der alte ist einfach davon geflogen. Es gibt hier interessante Märkte, die zum Glück in geschlossenen Markthallen stattfinden.

Weiter geht es Richtung Süden. Und weil es draussen nicht gerade gemütlich ist, steigen wir in den Untergrund. In dieser Ecke Australiens hat es viele schöne Tropfsteinhöhlen. Einige können wir auf eigene Faust erkunden. Am Eingang bekommen wir Helme und Taschenlampen und ab geht es in den Bauch der Erde. Am Ende der Höhle wird vorgeschlagen, das Licht auszumachen und zu versuchen, den Weg zurück ans Tageslicht zu finden. Wenn wir es wirklich gemacht hätten, würde die Nachwelt diese Zeilen vermutlich nicht lesen können, denn wir wären bis heute verschollen. Andere Höhlen mit wunderschönen Tropfsteinen sind zum Glück beleuchtet.





Am Cap Leeuwin stösst der Indische Ozean mit dem südlichen Polarmeer zusammen. Die See ist sehr unruhig, mächtige Wellen brechen an der Küste und ein starker Wind lässt uns kaum aufrecht gehen. Ein hoher Leuchtturm warnt die Schiffe vor den Gefahren. Vor seinem Bau hat man 22 Schiffswracks zu beklagen, nachher nur noch eines. Das Highlight der Südwestküste sind aber die Wälder. Sie bestehen aus Karri- und Tinglebäumen, die nicht selten eine Höhe von 90 Metern erreichen. Sie sind die wirklichen Riesen unter den Bäumen. Früher war die Forstwirtschaft die Einkommensquelle für die ganze Region und viele Landstriche wurden entwaldet. Heute ist der verbliebene Waldbestand geschützt und es sind mehrere Nationalparks entstanden, die wir natürlich besuchen. Wenn wir unter diesen Riesen wandern oder die engen Waldpisten befahren, kommen wir uns wie Ameisen vor. Wälder sind immer auch durch Feuer bedroht. Um diese rechtzeitig zu erkennen, hat man Beobachtungsposten errichtet. Das wurde ganz einfach gemacht – nämlich ein besonders hoher Baum ausgesucht, in seinen Stamm Sprossen eingeschlagen und oben in der Krone eine Plattform errichtet. Allerdings braucht es zum Aufsteigen in 90 Meter Höhe schon eine gehörige Portion Mut und vor allem Schwindelfreiheit.


Von den mächtigen Wellen habe ich schon geschrieben. Bei Albany gibt es sogenannte Blow Holes, also Löcher oder Spalten in den Felsen, durch welche die Wellen das Meereswasser hoch aufspritzen lassen. Romy möchte gerne die Wasserfontänen fotografieren. Wir laufen auf dem Fussweg in die angezeigte Richtung, wo sich die Fontänen befinden sollen, sehen aber nichts. Ich gehe weiter bis an den Felsenrand, kann aber immer noch nichts entdecken. Dann aber mache ich unbewusst einen gewaltigen Satz auf die Seite– aus einer unauffälligen Spalte kommt mit riesigem Getöse völlig unerwartet ein gewaltiger Luftstoss, so als würde ein Riese mit voller Kraft eine Kerze ausblasen wollen. Ursache dafür sind die brechenden Wellen unterhalb des Felsens. Die mächtige Kraft dieser Wellen presst die Luft durch die enge Spalte nach aussen. Romy amüsiert sich über meinen „Seitensprung“. Weniger lustig findet sie aber die Tatsache, dass man Luftstösse nur schwerlich fotografisch festhalten kann.