Montag, 29. August 2011

Im Inneren des Imperium

Wir sind in China eingereist, hurra, wir haben es geschafft und wir sind überglücklich! Allerdings müssen wir klar sagen, dass es nicht unser Verdienst ist, sondern einfach nur Glück. Vielleicht haben auch Silvias aufmunternde Worte mitgeholfen, dass es trotz allen Befürchtungen doch noch geklappt hat.

Ja, wir sind im „Reich der Mitte" wie es heisst, oder im Imperium, wie wir es nennen, angekommen. Es war eine Zitterpartie bis zum Schluss, denn nie weiss man, was den chinesischen Behörden über Nacht einfällt. Wie es genau weiter geht, wissen auch noch nicht, aber wir sind drin und das zählt!

Wir, das sind drei Fahrzeuge, ein Landrover gefahren von Christine und Nuria aus Deutschland und zwei VW Busse T3, gefahren von uns und von Johanna und Fabian aus Davos. Pathetisch gesagt, das Schicksal hat uns zusammengeführt und wir sind nun für die nächsten 35 Tage miteinander verbunden. Das Schicksal spielen auch hier wiederum die chinesischen Behörden, die für Autoreisende einen Führer vorschreiben. Und da niemand ohne einen Führer reisen darf, sind wir aufeinander angewiesen, um nicht zu sagen angekettet, denn er wird abwechslungsweise in einem von unseren drei Autos mitfahren.

Ein Tag vor der geplanten Einreise treffen wir uns bei der Karawanserei Tash Rabat in Kirgistan, etwa 100 km von der chinesischen Grenze entfernt. Das letzte Mal kampieren wir unweit einiger Jurten, inmitten der kirgisischen Berge. Am Abend fahren wir noch näher zum Grenzübergang, damit wir dort am Morgen frühzeitig sind. Die Rüttelpiste erlaubt kaum eine Geschwindigkeit die über 30 km/h geht. Eine kalte Nacht steht bevor, immerhin sind wir 3400 Meter hoch.

Früh am Morgen stehen wir an der Schranke, zusammen mit etwa 15 chinesischen Lastwagen. Und wir stehen lange, denn erst wenn unserer Führer an der chinesischen Seite der Grenze ankommt, geben die Chinesen das Einverständnis und die Kirgisen beginnen mit unserer Abfertigung. Sie geht relativ zügig voran, braucht aber doch mehr Zeit als sonst, da wir nun sechs Personen sind. Zwischen den Grenzposten liegt etwa 7 km Niemandsland. Als letzter Gruss von Kirgistan erreicht uns noch ein heftiger Hagelschauer gefolgt von einem Regenbogen. Ob das ein guter Ohmen ist?

Dann die Grenze. Ein silbrig glänzender Tor bewacht von einem stramm stehenden Soldaten. Unserer Führer kommt uns entgegen und begrüsst uns herzlich. Er ist ein Uigure namens Musa. Seine ersten Amtshandlungen: unsere Pässe und GPS Geräte einsammeln, dann fahren wir 5 km zum ersten Checkpoint. Was dort gecheckt wird entzieht sich unserer Kenntnis, das erledigt der Guide. Die wirkliche Abfertigung erfolgt erst nach 100 km Fahrt. Dort werden zuerst die Fahrzeuge in einer Schleuse desinfiziert. Das erscheint uns lächerlich, die Autos sind von unten bis aufs Dach mit Schlamm bespritzt und total verstaubt, dem wirklich letzten Gruss von Kirgistan. Darum kann es gar nicht nützen, kostet aber 5 $.

Der Terminal ist modern, es gibt sogar Automaten, die unsere maschinenlesbaren Pässe entziffern können. Nach den neuesten Vorschriften darf man keine Lebensmittel nach China einführen. Wir haben es nicht gewusst und mit dem letzten kirgisischen Geld noch gross eingekauft. Was jetzt? Wir unterschreiben eine Deklaration, dass wir keine biologischen Produkte mitführen und bereiten schon diverse Ausreden vor. Doch die Beamten interessieren sich nur für Motoren- und Chassisnummer.

Wir dürfen nun offiziell das grosse Reich betreten und sind plötzlich in einer anderen Welt. Überall neue Gebäude, das alte wird ohne jede Rücksicht abgebrochen. Autobahnen, Strassen, Schulen – alles ist neu, auch Autos und Motorräder. Sie fahren grossteils elektrisch, da sind uns die Chinesen weit voraus. Zusammen mit unserem Guide erreichen wir Kashgar. Dort haben unlängst Unruhen stattgefunden, man merkt es an der starken Polizei- und Militärpräsenz in der ganzen Stadt. Jetzt ist es aber ruhig. Allerdings dürfen wir mit unseren Autos nur bis zum Hotelparkplatz fahren und sonst keinen Meter weiter ohne den Guide.

Früher war Kashgar ein wichtiges Ort an der Seidenstrasse. Auch heute treffen sich hier Reisenden aus allen Himmelrichtungen. An der Hotelbar gibt es viel zu erzählen und die Erfahrungen und Erlebnisse werden bei einem Drink ausgetauscht. Wir müssen bis Montag (drei Tage) warten, dann können wir erst die chinesische Fahrprüfung machen und die chinesischen Autonummern in Empfang nehmen. Dann kann es losgehen, falls die Behörden uns nicht unerwartet einen neuen Stein in den Weg legen. Der spannendste Teil unserer Reise liegt vor uns…

Ps. Wie es zu erwarten war, ist unsere Blog - Seite hier gesperrt. Doch inzwischen konnte ich es so einrichten, dass ich einen neuen Beitrag per E-Mail laden kann. Das geht leider nur ohne Bilder. Auch kann ich ihn nicht kontrollieren, darum bitte ich euch, mich per E-Mail zu benachrichtigen, falls etwas nicht in Ordnung ist. Die Bilder werden von Nepal aus nachgeliefert.

Montag, 22. August 2011

Brot und Spiele

Manche mögen lieber Fleisch, doch das Brot hier ist viel besser. Natürlich ein frisches Brot. Das Fleisch ist meistens Hammelfleisch und diese Tiere sind hier besonders fett. Und was nicht fett ist, ist bestimmt zäh. Darum Brot, und zwar frisch gebackenes Brot, direkt vom Backofen so zu sagen.
Es wird zu Hause in einem Lehmofen gebacken, welcher draussen neben dem Haus steht. An seinen, mit Holz vor geheizten Innenwänden, klebt die Hausfrau die gekneteten Brotfladen. Die Kunst ist dabei, sie im richtigen Augenblick aus dem Ofen herauszunehmen. Denn etwas zu spät und die ganze Herrlichkeit verwandelt sich in ein Häufchen schwarze Kohle. Das passiert aber äusserst selten. Die kirgisischen Frauen beherrschen ihr Handwerk meisterhaft. Der Duft des frisch gebackenen, warmen Brotes weckt alle unsere Geschmackssinne. Und wie es schmeckt! Wir können davon nicht genug bekommen. Es ist ein Genuss des Augenblickes. Am nächsten Morgen ist das Brot schon hart oder gammelig. Dann doch lieber Fleisch, auch wenn es vom Hammel ist. Die Kirgisen sind ein Reitervolk und wie die Mongolen scheinen sie mit dem Pferd verwachsen zu sein. Darum sind bei ihnen Rennen und Pferdespiele sehr beliebt und sie lassen keine Gelegenheit ungenutzt, ihre Kräfte dabei zu messen. Es gibt viele verschiedene Spiele. Bei einem geht es darum die am Boden mit einem Stein beschwerten, in einer Reihe platzierten Banknoten aufzulesen. Natürlich vom Ross aus und im möglichst schnellem Tempo. Bei einem anderen kämpfen vier Reiter um einen Schafskadaver, der in einer bestimmten Entfernung am Boden liegt. Der schnellste Reiter ergreift das Schaf. Damit hat er aber noch nicht gewonnen, denn er muss es zu einem bezeichneten Punkt bringen, was ihm natürlich die anderen Reiter nicht einfach machen. Oft wechselt das tote Tier den Besitzer mehrmals, bis es einem Reiter endlich gelingt, es am richtigen Ort zu platzieren. Bei einem weiteren Spiel versuchen zwei Reiter mit nackten Oberkörpern sich gegenseitig aus dem Sattel abzuwerfen. Auch ein Rennen „Frau gegen Mann“ ist sehr beliebt. Wenn der Mann gewinnt, gehört ihm die Braut, wenn nicht darf ihn die Gewinnerin mit der Reitpeitsche schlagen.
Alle diese und auch andere Spiele werden mit Begeisterung durchgeführt, die Zuschauer fiebern mit und jubeln dem Sieger oder der Siegerin zu. Es reiten zwar vorwiegend Männer, denn die Frauen haben ja leider Hausarbeit zu erledigen und Kinder zu besorgen, doch deswegen sind sie keine schlechteren Reiterinnen. Und schon mancher Mann hat beim Rennen die Peitsche im Rücken gespürt während ihn eine Frau überholte. Wir haben zwei solche – hier sagt man Festivals, anderswo würde man vielleicht Rodeos sagen – besucht und auch wir waren begeistert. So ein Festival dauert den ganzen Tag und es wurde uns nie langweilig. Beim zweiten waren auch die Adlerjäger dabei. Sie jagen nicht die Adler, sondern mit den Adlern. Die jungen Vögel werden geduldig so lange trainiert, dass sie die erbeutete Tiere, meistens Kaninchen, Hasen, Murmeltiere aber auch Füchse und sogar Wölfe, dem Jäger bringen. Als Belohnung bekommen sie meistens die Eingeweide der erbeuteten Tiere. Adlerjäger sind sehr geachtet und sie halten die Adler wie Mitglieder der Familie. Bei der Vorführung an den Festivals werden Hauskaninchen im Gelände freigelassen. Der Adler schwingt sich in die Luft und bald haucht hat das arme Kaninchen sein Leben aus. Es ist kein schöner Anblick, wenn sich der Adler mit seinen mächtigen Klauen und seinem Schnabel seinen Anteil an der Beute holt.
Am 26. August sollen wir nach China einreisen. Kaschgar ist die erste grössere Stadt. Dort müssen wir viele Formalitäten erledigen wie zu Beispiel die chinesische Fahrprüfung absolvieren. Wir hoffen, dass wir Zugang zum Internet haben werden, um euch die ersten Eindrücke mitzuteilen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es, wenn überhaupt, nur noch ohne Bilder möglich sein. Aber es könnte auch sein, dass wir vor der geschlossenen Grenze umkehren müssen. Dann heisst es neu planen. Es bleibt bis zum letzten Augenblick eine nervenaufreibende Angelegenheit.

Dienstag, 16. August 2011

Die Polizei – dein Freund und Helfer

Die Strasse von Osh nach Bishkek ist in guten Zustand. Zwar macht sie einen langen Umweg um eine Ecke Usbekistan zu umfahren. Die Sowjets haben damals die Grenze der Republiken nach ihren Vorstellungen gezogen. Weil alles eine Sowjetunion war, haben die Grenzen auch keine Rolle gespielt. Ganz anders heute – die Grenzziehung von damals verursacht eine Reihe von Problemen, den Umweg, den wir nun fahren müssen. ist das Kleinste. An vielen Stauseen vorbei und über zwei Pässe kommen wir nach Bishkek. Die Hauptstadt Kirgistans hat eigentlich kein ausgeprägtes Gesicht, ein kleines Zentrum nur mit Gebäuden im sowjetischen Stil und einer übergrossen kirgisischen Fahne, vor der eine Ehrenwache steht. Aber es hat eine gute Infrastruktur und einige Supermärkte, wo man fast alles bekommt. So auch Mückenspray, den wir in Usbekistan und Tadschikistan ohne Erfolg gesucht haben. Wir stehen in einem Guest House unweit der deutschen Botschaft. Der Bruder des Besitzers, ein ehemaliger russischer Ingenieur, der angeblich bei der Entwicklung eines Supertorpedos mitgewirkt hat, weiht mich in sein neuestes Projekt ein. Mittels eines übergrossen Dampfkochtopfs will er ein Getränk (hier Kwas genannt) herstellen und damit den Markt überschwemmen. Er hat schon Vorbereitungen getroffen, eine grosse Gasflasche steht rostig aufgeschnitten im Garten bereit. Langsam merke ich, dass man seine Worte nicht ernst nehmen kann. Und so endet der Traum, mich an einem erfolgreichen Unternehmen in Kirgistan zu beteiligen. Auch ein Autobasar gibt es in Bishkek, aber was für einen! Mehrere Tausend Autos stehen in einem riesigen Areal, schön nach Marken sortiert, und warten auf die Kunden. Es wird auch rege gehandelt und gefeilscht. Ein zwanzigjährigen Mercedes geht für 6000 $ an den nächsten Kunden. Mercedes und Audi fahren hier viele, manche noch mit „D“ Zeichen am Heck. Daneben ist der noch grössere Autoteilbasar. Riesige Hallen und unendliche Reihe von Container, die prall gefüllt sind mit neuen und mit noch mehr gebrauchten Ersatzteilen. Wegen der Grösse muss man oft lange suchen bis man das findet, was man braucht. Weiter fahren wir Richtung Osten. An diesem Tag haben wir ausgesprochen Pech. Gleich dreimal werden wir von der Polizei angehalten. Einmal wegen Parken in der zweiten Reihe und das, obwohl ich im Auto sitze, während Romy im Basar Lebensmittel einkauft, dann wegen Überschreiten der erlaubten Geschwindigkeit – 56 statt 40 km/h - und zum Dritten Mal wegen Fahren am Tag ohne Licht. Nun muss man wissen, dass die Polizisten hier wenig verdienen und um die Stelle als Polizist zu bekommen hohe Schmiergelder zahlen müssen. So muss das Geld irgendwie zurückkommen. Da ist ein Auto mit reichen Touristen natürlich ein willkommenes Opfer. Also, um alle Bekannte zu beruhigen – ich bin nicht zu einem Verkehrsrowdy geworden, sondern zum Polizeisponsor. Denn wie es geht, haben uns die Einheimischen erzählt. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, mit oder ohne Quittung. Bei der ersten wird ein Protokoll erstellt und der Führerschein eingezogen. Man kann ihn dann bei der nächsten Polizeistelle abholen, falls man ihn dort findet und Strafe muss man sowieso zahlen. Interessanterweise gibt es im Russischen wirklich diese Wort „Straf“ für eine Busse. Dabei ist unwesentlich, ob man die beanstandete Übertretung überhaupt gemacht hat oder nicht. Darüber zu diskutieren bringt nichts, denn ein Polizist hat immer Recht. Die zweite Möglichkeit ist viel einfacher – man schiebt dem Polizisten ein oder zwei Banknoten (Wert ungefähr 4 bis 5 Franken) in die Tasche, natürlich ohne eine Quittung zu verlangen. Sofort hat man den Führerschein wieder und kann weiterfahren während ein zufriedener Hüter des Gesetzes freundlich winkt. In den zwei ersten erwähnten Fällen hat diese Methode (alle Einheimischen machen es auch so) gewirkt. Dann habe ich mich einen langen Vortrag von Romy anhören müssen, wie unklug, wenn nicht ausgesprochen dumm es ist, die Korruption zu unterstützen. So finden diese Staaten nie zu einer echten Rechtstaatlichkeit. Nachdem ich mich einige Zeit geschämt habe, wählen wir im dritten Fall eine andere Taktik. Wir reden und verstehen nur Schweizerdeutsch. Es hat zwar lange Zeit gebraucht bis die entnervten Beamten aufgaben und uns weiter fahren liessen aber es ging ohne zu bezahlen. Ein kleiner Erfolg im ungleichen Kampf. In der Zwischenzeit hat mir ein Einheimischer noch eine andere Taktik verraten – so zu tun, als ob man an den höchsten Stellen wie Polizei- und Innenministerium, Schweizerbotschaft oder sogar beim Präsidentenamt gute Freunde hätte, die man nun jetzt sofort anrufen werde. Ich werde demnächst berichten, ob diese Taktik funktioniert, denn die Chance, dass wir in den nächsten Tagen angehalten werden, ist gross.
Im Moment sind wir am Song Kul, einem herrlichen Bergsee, der wie ein blauer Juwel auf knapp 3000 Meter liegt, umrahmt von hohen Bergen. Bäume wachsen hier nicht mehr, aber die Grasshänge werden als Sommerweiden genutzt. Darum gibt es viele Jurten um den See, viele Pferde und noch mehr Schafe. Die Landschaft hier ist sehr schön und ruhig und hat eine mystische Atmosphäre. Angesicht der vielen Pferde hat mich Romy zu einem Pferderitt überredet. Einen halben Tag sind wir unterwegs gewesen. Es war für mich ein riesiger Stress, denn ich weiss nie, wo es bei den Pferden Bremse und Steuer ist. Und die Tiere sind schlau und merken sehr schnell, dass ein Banause auf dem Rücken sitzt und machen was sie wollen. Stolz kann ich aber melden, dass keines von meinen Körperteilen, ich wiederhole keines, irgendwelche Schaden erlitten hat. Auch ein kleiner Erfolg nach den bösen Erfahrungen in der Mongolei. Unsere Einreise nach China kommt langsam näher. Es wird eine Zitterpartie für uns. Unsere Agentur verbreitet Optimismus (verständlich, sie hat 40% Anzahlung bereits erhalten), doch von allen Seiten kommen Hiobsbotschaften – Unruhen in Kashgar (unserer erste Anlaufstelle), Grenze geschlossen, Militäraufmärsche. Sind es Gerüchte, stimmt es? Was wird dann sein wenn wir am 26. August vor der Grenze stehen? Erreichen wir unser Ziel oder müssen wir den ganzen Weg zurückfahren? Wie es immer so schön heisst: Fortsetzung folgt…

Ps. Auch hier klappt es mit dem Internet nicht so recht, unsere Seite lässt sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht öffnen. Ich kann neue Beiträge zwar per E-Mail laden, leider aber ohne Bilder. Wahrscheinlich wird es in China nicht besser. Wenn es nur irgendwie geht, werden wir die Bilder nachliefern. Wenn nicht, dann gibt es ja die Tonbildschauen von Romy Müller.

Mittwoch, 10. August 2011

Vom Dach der Welt.

Sorry, aber es ist mir diesmal nicht gelungen Bilder zu laden. Nach dem ersten Pass folgen gleich mehrere, alle über 4000 Meter. Wir sind auf dem Dach der Welt, wir sind in Pamir. Wilde Bergwelt umgibt uns. Die ganz hohen Berge, einige über 7000 Meter mit weissen Gipfeln, die kleineren in allen Schattierungen von Rot, Braun, Ocker und Schwarz. Formen, Zacken und Schluchten in unendlichen Variationen und lange Hochgebirgstäler, die sich bis zum nächsten Pass erstrecken, sind unsere Begleiter. Einsamkeit, keine Dörfer, nur vereinzelt Nomaden, die mit ihren Schaf- und Yakherden die Berge durchstreifen, sind die einzigen Begegnungen. Die Schönheit kann leider uneingeschränkt nur der Beifahrer geniessen. Dazu wurde demokratisch Romy bestimmt, da sie, so viel wie nur möglich, fotografisch festhalten will. Ich weiche inzwischen den Löchern aus und bete das Auto an, durchzuhalten. Murgab ist der einzige Ort von Bedeutung hier oben. Für uns ist natürlich die Tankstelle wichtig. Wie oft wird aus einem Fass getankt. Man muss angeben, wie viel Eimer (1 Eimer = 10 Liter) Benzin man haben möchte. Die Frage, ob es Normal oder Super ist, erübrigt sich, den es gibt, wenn überhaupt, nur eine Sorte. Und ob der Eimer auch wirklich 10 Liter fasst das bleibt ein offenes Geheimnis. Wasser gibt es nur von einer Handpumpe, zum Glück sind wir zwei, Romy pumpt und ich halte die Kanister – oder war es umgekehrt? Einen Basar gibt es auch, ein paar ausrangierte Container dienen als Geschäfte. Wegen der dünnen Luft in dieser Höhe sind alle Kinder in der Schule vom Turnen suspendiert. So rückständig, wie es nun klingt, ist es aber nicht, denn es gibt sogar hier ein Internet Cafe. Allerdings ist der Preis pro Stunde so hoch wie die Berge rundherum. Der Grund ist der eigene Stromgenerator, denn der Ort hat keine funktionierende Stromversorgung. Nun steht die nächste Probe an, der höchste Pass auf unserer bisherigen Reise. Mit 4655 Meter verdient er unseren Respekt. Doch auch diesen Pass schaffen wir, einige Flussdurchquerungen unterwegs inbegriffen. Dahinter liegt die Perle des Pamirs, der Kara Kul See. Blau, geheimnisvoll, umrahmt von weissen Berggipfeln. Obwohl uns das Atmen in dieser Höhe etwas Mühe bereitet, unternehmen wir eine Wanderung zu einer Lagune mit vielen Wasservögeln. Wir müssen uns schliesslich für Tibet vorbereiten. Wir verlassen einige Tage später Tadschikistan und reisen nach Kirgistan ein. Über den Grenzübertritt zu berichten hat Romy untersagt, angeblich habe ich schon zu viel über Grenzübertritte geschrieben und es interessiert sowieso niemanden, meint sie. In Kirgistan gefällt es uns. Hier wächst nämlich Gras in den Bergen. Waren in Tadschikistan die Berge kahl und ohne Vegetation, kommen wir uns hier wie - ja, der Kandidat hat Hundert Punkte - in der Schweiz vor. Grüne Hänge, fette Murmeltiere, gluckernde Bäche. Nur keine Alpen, dafür viel Jurten. Prompt werden wir mit Jogurt beschenkt. Die Menschen hier sind sehr nett und Gastfreundschaft ist selbstverständlich. Am Nachmittag werden wir in eine Jurte eingeladen. Wir erfahren, dass nun Ramadan ist und alles wartet auf den Sonnenuntergang, um sich über den Plow (das Nationalgericht aus Reis, Fleisch und Möhren) zu stürzen. Einige Kirgisen halten sich an diese Regel, andere machen sich nichts daraus. Wir lassen es beim Tee bleiben, denn wir haben schon gegessen. So einfach kommen wir aber nicht davon - spät am Abend klopft es an unserer Tür – die Gastgeberin bringt uns einen riesigen Teller Plow in den Bus. Für uns wird er zum köstlichen Frühstück. Bei der Weiterfahrt kommt uns ein bekannter Landrover entgegen. Es ist Christine und Nuria. Mit ihnen werden wir später im Tibet unterwegs sein. Einmal schon haben wir uns unerwartet getroffen, das war in Aserbaidschan. So ein Treffen mit Bekannten unterwegs ist immer ein kleines Fest. Wir suchen uns einen schönen Platz am Fluss, stellen die Autos zusammen und erzählen, erzählen, was wir alles erlebt haben, reden über bekannte Overlander und tauschen Tipps aus. Irgendwann dann trennen sich unsere Wege wieder, wir fahren weiter Richtung Osch. Diese Stadt hat 2010 weltweit Schlagzeilen wegen ethnischen Unruhen gemacht. Heute ist die Stadt friedlich und lebendig. Doch findet ein aufmerksamer Beobachter ausgebrannte Häuser und Geschäfte, stumme Zeugen der Ereignisse von damals. Ps. I. In eigener Sache: Ich möchte allen treuen Lesern, Freunden und Bekannten herzlich danken für die Glückwünsche zu meinem Geburtstag. Ihr habt mir grosse Freude gemacht. Leider ist der Internet hier noch nicht so schnell, dass ich jedes E-Mail einzeln beantworten kann. Und mit dem Feiern müsst ihr auch noch etwas Geduld haben… Ps. II. Nun fahren wir von Osch nach Bishkek, der Haupstadt Kirgistans. Bis später.

Dienstag, 2. August 2011

Mit einem Fuss in Afghanistan.

Mehrere Tage und mehrere Hunderte von Kilometern sind wir entlang der Grenze zu Afghanistan gefahren. Nur über den Fluss, der die Grenze bildet, haben wir das Land beobachten können. Diese Grenze wurde willkürlich von England und dem zaristischem Russland festgelegt, um ihre Interessensgebiete abzugrenzen und mögliche Konflikte zu vermeiden. Bis heute führen nur wenige Brücken über den Fluss und die blieben für uns verschlossen. Doch nun bietet sich uns eine unerwartete Gelegenheit, einer dieser Übergänge überschreiten zu können. In der Nähe von Ishkashim wird jeden Samstag ein internationaler Markt abgehalten. Wir planen unsere Reise so, dass wir dort an diesem Wochentag ankommen. Zuerst marschiert das Militär an, um die Gegend abzusichern. Dann öffnet sich das Einsentor und Hunderte von Menschen strömen über die Brücke. Die Händler rennen, um sich die besten Plätze zu sichern. Auch die Afghanen öffnen die Barriere. Dort, wo es bis jetzt nur eine Kiesebene gab, wimmelt es  nun plötzlich von Menschen und Ständen - Tadschiken und Afghanen, bunt gemischt ohne die trennende Grenze.
Wir Ausländer dürfen uns auch in die Menge stürzen, aber erst nachdem wir unsere Pässe am Tor deponiert haben. So können wir für kurze Zeit und auch ohne Visum Afghanistan betreten. Unter den wachsamen Augen der Soldaten wird nun gehandelt und gefeilscht. Tadschiken schleppen mobile Restaurants an mit Tischen und Stühlen und bald brutzelt der Plow (ein Reisgericht) in grossen Pfannen. Afghanen fahren mit grossen Handkarren an, schwer beladen mit Teppichen und anderen Gegenständen. Die meiste Ware ist „Made in China“ und eigentlich Ramsch. Doch um das geht es nicht, für uns sind die Menschen massgebend. Afghanen in wallenden Gewändern mit der typischen Kopfbedeckung, Tadschiken eher westlich gekleidet. Leider ist keine einzige Frau aus Afghanistan anwesend. Wahrscheinlich müssen sie zu Hause bleiben, während die Männer die Geschäfte abwickeln. Umso mehr fallen die bunten Kleider der Frauen aus Tadschikistan auf, manche mit Kopftuch, viele aber ohne. Ganz selbstbewusst feilschen sie mit den bärtigen Afghanen um den Preis der Ware. Das wäre für mich die angemessene Stellung der Frau in Islam.
Eine weitere interessante Erfahrung bietet ein Besuch der Thermalquellen. Davon gibt es hier in Pamir einige. Die Badeanzüge sind  scheinbar unbekannt und so badet man grundsätzlich nackt. Das Problem der Geschlechtertrennung hat man mit variierenden Badezeiten gelöst. Die Einheimischen merken sofort, dass hier ein Fremder ratlos herumschaut. Sofort findet sich jemand, der mich unter seine Fittiche nimmt und mir erklärt, wie man hier richtig badet und was es sonst zu beachten gibt.

Nun aber verlassen wir den Fluss, der viele Tage unser treuer Begleiter war. Afghanistan verschwindet in der Ferne, nur die über 6000 Meter hohen verschneiten Gipfel begleiten uns noch lange. Wir wenden uns ins Landesinnere, das hinter einem - laut Karte - 4344 Meter hohem Pass liegt. Die Piste steigt und steigt, die Höhenangabe auf dem GPS auch. Wir sind gespannt - wie wird der Brummi die Höhe und die Steigung meistern. Noch nie sind wir so hoch gewesen. Aber er schafft es, trotz dem schlechten russischen Benzin. Hinter dem Pass an einem See auf gut 4000 Metern, verbringen wir eine kalte Nacht in völliger Einsamkeit. Den Sternenhimmel hier kann ich nicht beschreiben, man muss ihn gesehen haben.


Ps. Morgen geht es weiter nach Murgab und dann weiter Richtung kirgisische Grenze.