Die Strasse von Osh nach Bishkek ist in guten Zustand. Zwar macht sie einen langen Umweg um eine Ecke Usbekistan zu umfahren. Die Sowjets haben damals die Grenze der Republiken nach ihren Vorstellungen gezogen. Weil alles eine Sowjetunion war, haben die Grenzen auch keine Rolle gespielt. Ganz anders heute – die Grenzziehung von damals verursacht eine Reihe von Problemen, den Umweg, den wir nun fahren müssen. ist das Kleinste. An vielen Stauseen vorbei und über zwei Pässe kommen wir nach Bishkek. Die Hauptstadt Kirgistans hat eigentlich kein ausgeprägtes Gesicht, ein kleines Zentrum nur mit Gebäuden im sowjetischen Stil und einer übergrossen kirgisischen Fahne, vor der eine Ehrenwache steht. Aber es hat eine gute Infrastruktur und einige Supermärkte, wo man fast alles bekommt. So auch Mückenspray, den wir in Usbekistan und Tadschikistan ohne Erfolg gesucht haben. Wir stehen in einem Guest House unweit der deutschen Botschaft. Der Bruder des Besitzers, ein ehemaliger russischer Ingenieur, der angeblich bei der Entwicklung eines Supertorpedos mitgewirkt hat, weiht mich in sein neuestes Projekt ein. Mittels eines übergrossen Dampfkochtopfs will er ein Getränk (hier Kwas genannt) herstellen und damit den Markt überschwemmen. Er hat schon Vorbereitungen getroffen, eine grosse Gasflasche steht rostig aufgeschnitten im Garten bereit. Langsam merke ich, dass man seine Worte nicht ernst nehmen kann. Und so endet der Traum, mich an einem erfolgreichen Unternehmen in Kirgistan zu beteiligen.
Auch ein Autobasar gibt es in Bishkek, aber was für einen! Mehrere Tausend Autos stehen in einem riesigen Areal, schön nach Marken sortiert, und warten auf die Kunden. Es wird auch rege gehandelt und gefeilscht. Ein zwanzigjährigen Mercedes geht für 6000 $ an den nächsten Kunden. Mercedes und Audi fahren hier viele, manche noch mit „D“ Zeichen am Heck. Daneben ist der noch grössere Autoteilbasar. Riesige Hallen und unendliche Reihe von Container, die prall gefüllt sind mit neuen und mit noch mehr gebrauchten Ersatzteilen. Wegen der Grösse muss man oft lange suchen bis man das findet, was man braucht.
Weiter fahren wir Richtung Osten. An diesem Tag haben wir ausgesprochen Pech. Gleich dreimal werden wir von der Polizei angehalten. Einmal wegen Parken in der zweiten Reihe und das, obwohl ich im Auto sitze, während Romy im Basar Lebensmittel einkauft, dann wegen Überschreiten der erlaubten Geschwindigkeit – 56 statt 40 km/h - und zum Dritten Mal wegen Fahren am Tag ohne Licht. Nun muss man wissen, dass die Polizisten hier wenig verdienen und um die Stelle als Polizist zu bekommen hohe Schmiergelder zahlen müssen. So muss das Geld irgendwie zurückkommen. Da ist ein Auto mit reichen Touristen natürlich ein willkommenes Opfer. Also, um alle Bekannte zu beruhigen – ich bin nicht zu einem Verkehrsrowdy geworden, sondern zum Polizeisponsor. Denn wie es geht, haben uns die Einheimischen erzählt. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, mit oder ohne Quittung. Bei der ersten wird ein Protokoll erstellt und der Führerschein eingezogen. Man kann ihn dann bei der nächsten Polizeistelle abholen, falls man ihn dort findet und Strafe muss man sowieso zahlen. Interessanterweise gibt es im Russischen wirklich diese Wort „Straf“ für eine Busse. Dabei ist unwesentlich, ob man die beanstandete Übertretung überhaupt gemacht hat oder nicht. Darüber zu diskutieren bringt nichts, denn ein Polizist hat immer Recht. Die zweite Möglichkeit ist viel einfacher – man schiebt dem Polizisten ein oder zwei Banknoten (Wert ungefähr 4 bis 5 Franken) in die Tasche, natürlich ohne eine Quittung zu verlangen. Sofort hat man den Führerschein wieder und kann weiterfahren während ein zufriedener Hüter des Gesetzes freundlich winkt. In den zwei ersten erwähnten Fällen hat diese Methode (alle Einheimischen machen es auch so) gewirkt. Dann habe ich mich einen langen Vortrag von Romy anhören müssen, wie unklug, wenn nicht ausgesprochen dumm es ist, die Korruption zu unterstützen. So finden diese Staaten nie zu einer echten Rechtstaatlichkeit. Nachdem ich mich einige Zeit geschämt habe, wählen wir im dritten Fall eine andere Taktik. Wir reden und verstehen nur Schweizerdeutsch. Es hat zwar lange Zeit gebraucht bis die entnervten Beamten aufgaben und uns weiter fahren liessen aber es ging ohne zu bezahlen. Ein kleiner Erfolg im ungleichen Kampf. In der Zwischenzeit hat mir ein Einheimischer noch eine andere Taktik verraten – so zu tun, als ob man an den höchsten Stellen wie Polizei- und Innenministerium, Schweizerbotschaft oder sogar beim Präsidentenamt gute Freunde hätte, die man nun jetzt sofort anrufen werde. Ich werde demnächst berichten, ob diese Taktik funktioniert, denn die Chance, dass wir in den nächsten Tagen angehalten werden, ist gross.
Im Moment sind wir am Song Kul, einem herrlichen Bergsee, der wie ein blauer Juwel auf knapp 3000 Meter liegt, umrahmt von hohen Bergen. Bäume wachsen hier nicht mehr, aber die Grasshänge werden als Sommerweiden genutzt. Darum gibt es viele Jurten um den See, viele Pferde und noch mehr Schafe. Die Landschaft hier ist sehr schön und ruhig und hat eine mystische Atmosphäre. Angesicht der vielen Pferde hat mich Romy zu einem Pferderitt überredet. Einen halben Tag sind wir unterwegs gewesen. Es war für mich ein riesiger Stress, denn ich weiss nie, wo es bei den Pferden Bremse und Steuer ist. Und die Tiere sind schlau und merken sehr schnell, dass ein Banause auf dem Rücken sitzt und machen was sie wollen. Stolz kann ich aber melden, dass keines von meinen Körperteilen, ich wiederhole keines, irgendwelche Schaden erlitten hat. Auch ein kleiner Erfolg nach den bösen Erfahrungen in der Mongolei.
Unsere Einreise nach China kommt langsam näher. Es wird eine Zitterpartie für uns. Unsere Agentur verbreitet Optimismus (verständlich, sie hat 40% Anzahlung bereits erhalten), doch von allen Seiten kommen Hiobsbotschaften – Unruhen in Kashgar (unserer erste Anlaufstelle), Grenze geschlossen, Militäraufmärsche. Sind es Gerüchte, stimmt es? Was wird dann sein wenn wir am 26. August vor der Grenze stehen? Erreichen wir unser Ziel oder müssen wir den ganzen Weg zurückfahren? Wie es immer so schön heisst: Fortsetzung folgt…
Ps. Auch hier klappt es mit dem Internet nicht so recht, unsere Seite lässt sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht öffnen. Ich kann neue Beiträge zwar per E-Mail laden, leider aber ohne Bilder. Wahrscheinlich wird es in China nicht besser. Wenn es nur irgendwie geht, werden wir die Bilder nachliefern. Wenn nicht, dann gibt es ja die Tonbildschauen von Romy Müller.
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