In Alice sehen
wir viele Ureinwohner, einige gut gekleidet beim Einkaufen, andere eher
verwahrlost am Boden hockend im Park. Gerne würden wir über diese Menschen mehr
erfahren. Doch es ist enorm schwierig mit ihnen überhaupt ins Gespräch zu
kommen. Zu unserer Überraschung können die meisten nur ein paar Brocken
Englisch. Sicher hat man ihnen zu Kolonialzeiten und auch danach viel Unrecht
angetan, sie als Menschen dritter Klasse behandelt. Und es ist noch nicht
allzulange her seit man ihnen die vollen Rechte als australische Bürger gegeben
hat, zusammen mit ihrem Stammesland, das ihnen damals weggenommen wurde. Die heutigen
Regierungen, anscheinend vom schlechten Gewissen geplagt, versuchen eine
Wiedergutmachung. Es werden englische Namen von Orten, von National Parks, Bergen
und Flüssen usw. in die Sprache der Ureinwohner umbenannt. Man macht alles Mögliche,
um sie in die moderne Gesellschaft zu integrieren und gleichzeitig will ihre
Kultur um jeden Preis erhalten.
Dazu muss man wissen, dass ihre und unsere
Kultur so verschieden wie Tag und Nacht sind. Ich habe das leise Gefühl, dass
es ein unmögliches Unterfangen ist, denn indem man sie in unsere Kultur
integriert, zerstört man gleichzeitig ihre eigene. Sicher gibt es Ureinwohner
die studiert haben und erfolgreiche Geschäftsleute sind, aber es gibt auch die
anderen, die von der modernen Gesellschaft nichts wissen wollen. Sie leben in
Reservaten im Busch, wo sie ihrem Lebensstil, ungestört von äusseren Einflüssen,
nachgehen können. Und dazwischen gibt es jene, die ihre Probleme mit Hilfe von
Alkohol zu ertränken versuchen.
In keinem Land,
das wir auf unseren Reisen besucht haben, hatten wir Probleme mit den Menschen
in Kontakt zu treten. Ein Lächeln, ein Blick in die Augen, ein paar Worte,
gesunde Neugier und Respekt haben eine Brücke gebaut. Hier funktioniert dies
nicht. Wir haben das Gefühl, dass diese Menschen in einer anderen Welt leben, zu
der wir keinen Zugang haben, ein Verständnis scheint unmöglich. Trotzdem
möchten wir mehr über sie erfahren. Da bietet sich eine Tour an.
Aber auch da
sind Wiedersprüche: wir erfahren sehr viel über ihre Geschichte, die
Stammesgesetze, Heiraten, über die Bräuche wenn ein Kind geboren wird oder
jemand stirbt, über die Nahrung aus dem Busch, über ihre Waffen. Wir können in
der heissen Asche gegarten Känguruhschwanz und lebendige Maden kosten und
Bumerang werfen. Doch das alles wird uns nicht von einem Ureinwohner
vermittelt, nein es ist ein Weisser.
Wir verabschieden
uns von Alice Springs. Um noch mehr Schluchten zu sehen, fahren wir nach Osten in
die East MacDonnell. Als Zugabe gibt es hier eine Ruinenstadt, die ein ähnliches
Schicksal wie viele Goldgräberstädte erlebt hat – nachdem die Goldvorkommen
erschöpft waren, hat man sie dem Verfall preisgegeben. Ein paar Häuserruinen stehen
da im Busch, es ist sehr schwer sich vorzustellen, dass es hier einmal eine pulsierende
Stadt gegeben hat. Nach diesem Abstecher kommen wir wieder zum Stuart Highway
und fahren in nördlicher Richtung. Es wird immer wärmer.
Ein Höhepunkt
unterwegs sind die „Devils Marbel“ auf deutsch „Teufels Murmeln“. Riesige runde
Steine liegen verstreut in der Landschaft, als ob wirklich der Teufel oder ein
Riese hier Murmeln gespielt hätte. Wir bleiben hier eine Nacht. Es ist nicht
irgendeine Nacht, es ist eine Vollmondnacht. Nun liegen die Steine, die noch
kurz vorher in der untergehenden Sonne rot geglüht haben, verzaubert im
silbernen Mondlicht da.
Wir haben das Northern
Territory verlassen und ein neues Bundesland betreten, Queensland. Die
Landschaft ist die gleiche geblieben, trockener Busch mit roter Erde. Zwischen
den wenigen, vertrockneten Grasbüscheln weiden einige Kühe. Dass sie überhaupt
etwas zu Fressen finden wundert uns. Känguruh gibt es auch, meistens aber
liegen sie tot am Strassenrand, überfahren von Autos. Traurige Tatsache ist,
dass wir als Reisende im Outback Australiens mehr tote als lebendige Känguruhs
sehen. Die Adler und Raubvögel freut es, ihr Tisch ist hier immer reich
gedeckt. Die erste Stadt in Queensland heisst Camooweal und hier bietet sich
uns eine Abwechslung von der eintönigen Fahrt durch das Nirgendwo. Es ist eine
Zusammenkunft der „Drovers“, was übersetzt so viel wie Viehtreiber heisst.
Diese Männer haben eine glorreiche Vergangenheit hinter sich und Ruhm aus den
Zeiten, wo es noch keine Viehtransporter-Road-Trains gegeben hat. Damals
mussten sie das Vieh Hunderte von Meilen zu den Schlachthöfen an der Küste treiben.
Die noch übriggebliebenen Drovers betreiben heute noch zu besonderen Anlässen einen
Wettbewerb, der „Bronco Branding“ heisst. Dabei muss ein Reiter mit seinem Lasso
aus einer Herde ein Kalb einfangen und es zu seinen Helfern schleppen. Dort
stürzen sich ziemlich brutal zwei Männer auf das arme Tier, das nicht weiss,
wie ihm geschieht und um sein Leben fürchtet. Sie werfen es zu Boden und binden
ihm schnell die Füsse zusammen. Ein dritter Mann eilt mit dem Brenneisen herbei.
Dieses wird aber nicht im Feuer erhitzt, sondern in Farbe getunkt. Ob es
Tierschutzbestimmungen verlangen, dass die ursprüngliche Methode nicht
angewendet wird oder weil es ein Showwettbewerb ist, wissen wir nicht. Die
Tiere werden mit einer wasserfesten Farbe markiert. (Warum eigentlich wasserfest,
wenn es hier praktisch nie regnet, fragen wir uns). Dann wird das Kalb wieder
freigelassen. Drei Tiere muss der Drover mit seiner Mannschaft fangen und
markieren, die Zeit wird gemessen. Das Publikum verfolgt das Spektakel mit Begeisterung,
eine Mannschaft folgt der anderen. Unter den harten Männern finden sich sogar
einzelne Frauen. Der Wettbewerb dauert den ganzen Tag und so fahren wir weiter,
ohne die Siegerehrung abzuwarten.
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