Samstag, 24. August 2013

Bootsrennen in der Wüste

Wir verlassen nun den Ayers Rock und bewegen wir uns jetzt auf dem ausgetretenen Touristenpfad. Unser erstes Ziel ist der Kings Canyon. Wir machen hier eine längere Wanderung und sind beileibe nicht die einzigen. Romy erinnert sich an die guten alten Zeiten der Radiowanderungen. Um der Menge etwas zu entrinnen, wählen wir zur Weiterfahrt den Mereemie Loop, eine Verbindungstrasse die durch das Gebiet der Aborigines nach Hermannsburg führt. Dazu braucht es wieder ein Permit, das man aber ohne Probleme an der Tankstelle im Kings Canyon Resort bekommt. Eine mündliche Erklärung, dass man einen Geländewagen fährt und 5 Dollar genügen. Wahrscheinlich sind vor allem die 5 Dollar wichtig, denn kontrolliert wird nichts. Die Strasse, eigentlich eine Piste, ist etwa 160 km lang und unbefestigt. Einen Geländewagen braucht man nicht wirklich, aber in Australien ist man übervorsichtig. Wir fahren los und nachdem wir stundenlang so richtig von den endlosen, tiefen Bodenwellen durchgeschüttelt sind, erreichen wir Hermannsburg. Wie kommt eine australische Siedlung mitten im Busch zu einem solchem Namen? Die Erklärung ist einfach - ihre Entstehung geht auf eine deutsche Mission zurück. Die Mission ist heute nicht mehr tätig, aber die Kirche und die übrigen alten Gebäude stehen noch und sind unter Denkmalschutz. Auch einige deutsche Küchenrezepte scheinen aus dieser Zeit überliefert zu sein. Im Café gibt es einen köstlichen Apfelstrudel mit Schlagrahm. Das „Köstlich“ ist aber mit Vorsicht zu verstehen, meint Romy; denn nachdem wir lange Zeit so was nicht gegessen haben, mundet es uns wirklich ausgezeichnet. Ein Rezept, wie man einen guten Kaffee macht, ist leider nicht überliefert worden, es gibt nur eine lösliche Brühe. In der Nähe von Hermannsburg liegt ein Nationalpark, den wir uns unter keinen Umständen entgehen lassen wollen. Es ist auch nicht allzuweit, nur etwa 22 km von der Hauptstrasse. Aber am Anfang der Piste, die zum Park führt, steht ein grosses rotes Schild. „For 4 wheel drive with high clearence only“, übersetzt heisst es: „nur für Geländewagen mit grosser Bodenfreiheit erlaubt“. 

Wir überlegen, ob wir es riskieren sollen, denn der Brummi hat zwar Vierradantrieb aber mit der Bodenfreiheit sieht es nicht gut aus. Doch auf „Palm Valley“, wie der Nationalpark heisst, wollen wir nicht verzichten. Und es geht, Brummi schafft es – bis auf die letzten zwei Kilometer. Da geht es über Felsenstufen von fast einem halben Meter Höhe, ebenso hat es tiefe Löcher und Sand. Wir laufen lieber den Rest der Piste zu Fuss und dann sehen wir sie – die Palmen. 

Sie sind Überbleibsel aus der Zeit, in welcher in Australien noch ein anderes Klima herrschte. Hier, in diesem geschützten Tal mit genug Wasser, konnten sie sich halten, während sich im grossen Umkreis eine Halbwüste ausbreitete. Wir sind hier ganz alleine, haben die Palmen, die sich im sanft im Wind wiegen, nur für uns.


Wieder so ein Moment, wo wir uns sagen können: „Die ganze Anstrengung war nicht umsonst, es hat sich gelohnt“. Die Sonne steht schon niedrig im Westen, die Felsen des Tales glühen in tiefroten Tönen. 

Kurz bevor es ganz dunkel wird erreichen wir den kleinen Campingplatz am Flussufer ganz in der Nähe. Nur noch zwei andere Fahrzeuge sind hier. Es herrscht Stille, kein künstliches Licht stört den fantastischen Sternenhimmel, es ist als wären wir auf einem anderen Planeten. Wir zünden ein Feuer an, sitzen lange draussen, schauen in die knisternden Flammen und geniessen diese einmalige Stimmung.

Unterwegs nach Alice Spring besichtigen wir die Sehenswürdigkeiten im West MacDonnell National Park, so wie es die anderen Touristen auch tun. Meistens sind es tiefe Schluchten, durch die sich die Flüsse im Laufe der Jahrtausende einen Weg gegraben haben. Die Flüsse führen zwar um diese Zeit kein Wasser mehr aber in den meisten Schluchten sind Wasserlöcher geblieben. Darin spiegeln sich die hohen, roten Felswände, der blaue Himmel und die grünen Eukalyptusbäume mit ihren weissen Stämmen.




Dann sind wir endlich in Alice Spring, fast genau in der Mitte des Kontinents. Der Ursprung der Stadt geht auf die Telegrafenleitung zurück, die quer, teils durch noch unbekanntes Gebiet, von Südaustralien nach Darwin gebaut wurde. Damals galt sie als technische Meisterleistung. Von Darwin wurde ein Unterseekabel nach dem heutigen Indonesien gelegt. Brauchte vorher eine Nachricht von London nach Australien zwei Monate (mit einem Schiff), reichten nun zwei Tage. Da die Reichweite der Übermittlung begrenzt war, musste eine Nachricht unterwegs mehrmals wiederholt werden. Die damalige Telegrafenstation wurde als Keimzelle der Stadt sorgfältig restauriert und steht zur Besichtigung offen. Eine etwas andere Sehenswürdigkeit ist die „School of the Air“. Diese Schule rühmt sich, sie hätte das grösste Schulzimmer der Welt. Und das stimmt auf seine Weise. Von hier aus werden Kinder in Farmen, Polizeistationen, Militärbasen, Rangerstationen in den abgelegenen National Parks, Road Houses und Minen, Hunderte von Kilometer weit entfernt und im ganzen Land verstreut, unterrichtet. Im Moment gibt es 140 Schüler. Früher wurde der Unterricht mittels Funk durchgeführt, heute geschieht es über einen Satellit und Internet. Die Schüller sehen ihren Lehrer am Bildschirm, der Lehrer kann jeden seiner Schüler mit einem Tastendruck auf seinen Bildschirm „holen“. Bis zum elften Lebensjahr werden die Schüler auf diese Weise geschult, dann müssen sie für die weitere Bildung in ein Internat.

Alice ist eine verrückte Stadt, sagen viele. Wir sagen es auch, nachdem wir die „Henley-on-Todd-Regatta“ gesehen haben. Natürlich hat die Stadt auch einen Fluss, der“ Todd River“ heisst. Ausser an ein paar Tage im Jahr fliesst im Fluss aber kein Wasser. 1962 kam man auf die ausgefallene Idee, hier ein Bootsrennen zu veranstalten. Gut, aber wie soll das gehen, wenn der Fluss kein Wasser führt? „Ganz einfach“, war die Antwort des Erfinders: Den Boden der Boote entfernen, einsteigen und das Boot tragen. Mit den Jahren hat sich daraus ein lustiger Event entwickelt. Der Tag fängt mit einer „Bootsparade“ in der Hauptstrasse an, wo alle Teilnehmer mit ihren Booten mitmarschieren. Das Rennen wird in einer Arena in dem trockenen, sandigen Flussbett abgehalten. Ab der Startlinie müssen die Teilnehmer etwa 150 Meter zu einer Tonne laufen und das Boot tragen, dort umkehren und zurücklaufen. Es gibt verschiedene Kategorien wie bei einem richtigen Bootrennen – Einer, Zweier, Vierer und Achter, Ruderboote, Kajaks, Jachten usw. Mit der Zeit wurden die Boote immer leichter und heute werden sie eigentlich nur symbolisiert. Weitere Wettbewerbe sind Seilziehen (hier heisst es Schiff ankern), Wasserski, Fässer mit Sand füllen und andere unmögliche Dinge. Es ist ein richtiges Volksfest, einige Teilnehmer sind kostümiert und alle machen mit Begeisterung mit. Essen und Trinken kommen natürlich auch nicht zu kurz, überall sind Stände aufgebaut. Der Höhepunkt des Festes ist eine grosse Seeschlacht. Drei zu Schiffen umgebaute Geländewagen liefern sich in der Arena einen Kampf mit Wasserkanonen und Staubbomben. Nachdem alle Munition verbraucht ist, entscheidet das Publikum mit Applausstärke welches Schiff gewonnen hat. Ob dieser Art des Vergnügens kann man denken, die Leute hier seien etwas wüstengeschädigt – doch wenn ich an die Street Parade in Zürich denke, finde ich, die Menschen seien eigentlich überall gleich.



Keine Kommentare: