Seit wir Albany an der Südküste verlassen haben, kennen wir nur
eine Richtung: Norden. Norden bedeutet hier Wärme. Doch zuerst merken wir noch
nicht viel davon. Wir fahren durch ein landwirtschaftlich genutztes Gebiet.
Ausgedehnte, frisch-grüne Getreidefelder begleiten uns auf dem Weg. In den Dörfern
stehen riesige Silos. Einige der Felder liegen nach der Ernte im letzten Jahr
brach, dort weiden nun Schafe. Wir beobachten wie ein Farmer mit seinem Geländewagen
die Schafe zusammentreibt. Zwar hat er auch einen Hund, wie es sich zum Schafe
treiben gehört, aber der fährt lieber auf der Ladefläche mit als hinter den
Schafen herzurennen.
In Lake Grace bekomme ich unsere leere Gasflasche
aufgefüllt, nun haben wir wieder Reserve. Es war nicht einfach den Mann im
Hardware Geschäft zu überzeugen, das zu tun. In Australien wird bekanntlich grosser
Wert auf Sicherheit gelegt. Gas aus einer in die andere Flasche umzufüllen geht
zwar, ist aber nicht ungefährlich, vor allem, wenn man die nötigen Kenntnisse
nicht hat. Die Tricks, denen sich die Gashändler in Nepal oder Kambodscha
bedienen, würden dem braven Mann wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen
lassen. Darum sage ich lieber nichts und gebe mich mit einer halben Füllung
zufrieden.
In Hyden machen wir eine Wanderung um den „Wave Rock“, einem
Felsen der die Form einer perfekten Ozeanwelle hat. Unterwegs lernen wir einen
für uns neuen Bewohner dieses Landes kennen. Wie immer will ihn Romy
fotografieren aber er versteckt hartnäckig seinen Kopf. Es braucht seitens
Romys viel Geduld und gutes Zureden bis ihr das Foto gelingt. Übrigens, sein
Name ist Echidna, auf Deutsch heisst es Schnabeligel. Als wir zurückkommen,
steckt ein Zettel hinter dem Scheibenwischer. Ein Gruss von unbekannten
Schweizern, die den Brummi mit Schweizer Nummernschildern entdeckt haben. Das
freut uns am Vorabend des 1. August ganz besonders.
Nun kommen wir in eine ganz andere Landschaft, wir sind
wieder im Busch mit roter Erde und Eukalyptusbäumen. Auch das Wetter wird immer
besser. Wir haben die Goldfields erreicht. Am Ende des neuzehnten Jahrhundert
hat man hier Gold gefunden. In der Folge ist ein Goldrausch ausgebrochen,
überall in Australien und später in der ganzen Welt liessen die Menschen alles
liegen und strömten hierher. Einige wurden reich, andere bezahlten den Ruf des
Goldes mit dem Leben. Denn die Bedingungen in dieser unwirtlichen Gegend waren
unvorstellbar hart. Es fehlte an allem, vor allem Trinkwasser war Mangelware. Für
eine Gallone musste man riesige Summe bezahlen. Es gibt zwar auch Seen hier, doch
das Wasser darin ist salzig. Man versuchte das Wasser zu entsalzen. Die Gegend
wurde praktisch leer geholzt, denn unter den riesigen Entsalzungskesseln musste
Tag und Nacht geheizt werden. Erst der Bau einer Wasserleitung von über 600 Km
Länge, durch die das Wasser aus der Gegend von Perth in die Goldfields gepumpt
wurde, brachte Besserung. Es dauerte 10 Tage bis das Wasser aus Perth am
Bestimmungsort ankam. In dieser Zeit sind hier viele blühende Städte entstanden,
mit protzigen Gebäuden, Hotels, Banken und Geschäften. Die Leute zeigten gerne,
dass sie Erfolg bei der Goldsuche hatten. Man leistete sich sogar eigene
Zeitungen und natürlich war auch das älteste Gewerbe erfolgreich. Doch nach
einigen Jahren waren die Goldvorkommen erschöpft, der Abbau lohnte sich nicht
mehr.
Nach und nach verliessen die Menschen die Gegend und aus den blühenden
Städten sind Geisterstädte geworden, die man heute als Touristenattraktion
vermarktet. Gold wird aber immer noch abgebaut, nun geschieht das heute auf industrieller
Basis. In Kalgoorlie klafft ein riesiges Loch in die Erde, das man angeblich
sogar aus dem Weltall sehen kann. „The Super Pit“ wird es genannt und es ist
wirklich gigantisch: 3.8 Km lang, 1.8 Km breit und 500 Meter tief. Jeden Tag
wird es ein wenig grösser. Eine ununterbrochene Kolone von riesigen Lastwagen,
jeder mit einem Fassungsvermögen von 225 Tonnen, fährt das Erz aus der Tiefe
der Grube zu der Aufbereitungsanlage. Die darin enthaltene Goldmenge ist
dagegen winzig – aus einer Tonne Erz gewinnt man durchschnittlich nur 2 Gramm
Gold. Da man von Draussen von diesem Bergwerk nur die riesigen Abraumhalden sieht,
buchen eine Tour. Wie immer geht die Sicherheit vor, darum gibt es zuerst Anweisungen,
was zu tun und was zu unterlassen ist. Besonders eingeschärft wird uns, dass
man nicht einmal einen kleinen Stein mitzunehmen darf, es könnte ja ein Gold
Nugget sein. Anschliessend fassen wir Sicherheitsweste, Brille und Helm und
dürfen mit einem Bus in das Bergwerk fahren. Da werden uns die Massstäbe, mit
welchen hier gearbeitet wird, erst richtig bewusst. Allein der Raddurchmesser der
Lastwagen beträgt 4 Meter. Ein Reifen kostet etwa gleichviel wie ein
Mittelklassewagen. Davon hat der Lastwagen sechs Stück. Es verbraucht mehr als
tausend Liter Diesel pro Tag. Eine Bohrmaschine neben der anderen bohrt
ununterbrochen tiefe Löcher im harten Fels, die anschliessend mit Sprengstoff
gefüllt werden. Etwa viermal in der Woche wird gesprengt. Das ist der einzige Augenblick,
dass die Arbeit im Bergwerk kurz still steht. Aber schon kurz darauf beladen
die Lader (auch gigantisch) ununterbrochen, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die
Woche, die Lastwagen mit neuem Erz. Die Arbeiter arbeiten in 12 Stunden
Schichten sieben Tage lang und haben dann eine Woche frei.
Die eigentliche Gewinnung des Goldes aus dem Erz beginnt mit
dem Zerkleinern und Mahlen des Gesteins, dann folgt eine Reihe chemischer
Bearbeitungsschritte, um am Schluss das Gold mit einem elektrolytischen
Verfahren zu gewinnen. Wir fahren durch die Anlage, sehen aber nur ein Gewirr
von Röhren, Kabel, Tanks, rotierenden Trommeln und Transportbänder, dazu
Gesteinsmehl und grauen Schlamm. In das Heiligste der Anlage, in der man das
Gold wirklich auch sehen und anfassen kann, werden wir leider nicht
reingelassen.
Nun bereiten wir die Weiterreise vor. Wir wollen von hier
aus auf der wenig befahrenen, unbefestigten „Great Central Road“ in das Rote
Zentrum, also zum Ayers Rock und weiter nach Alice Springs fahren.
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