Donnerstag, 20. November 2014

Zu Hause

Kaum haben wir uns gemütlich in unserer Wohnung eingerichtet und die ersten Bekannten und Freunde gesehen, sind wir wieder unterwegs. Ein kurzer Flug bringt uns nach Hamburg, vom Flughafen geht es gleich weiter zum Hafen. Er ist riesig und die Orientierung nicht ganz einfach. Zum Glück hat die Firma „Seabridge“, die die Verschiffung von Brummi organisiert hat, eine gute Wegebeschreibung geschickt. Natürlich gilt es auch hier einige bürokratische Hürden zu überwinden, aber im Vergleich zu unseren früheren Verschiffungen ist es ein Klacks. Dann werde ich zum Parkplatz gefahren, wo der Brummi zwischen einigen anderen Wohnmobilen wartet. Romy muss am Hafeneingang bleiben, Sicherheitsgründe heisst es. Eine kurze Kontrolle, alles am Auto scheint in Ordnung zu sein, was ich mit meiner Unterschrift bestätigen muss. Der Angestellte wartet kurz ab, ob der Motor anspringt, dann zeigt er mir mit einer Handbewegung den Weg aus dem Hafen. Jetzt muss noch der Zoll die Nummer im System löschen, anschliessend bekomme ich meinen Pass zurück, den ich im Hafenterminal abgeben musste. Durch die nächtlichen Strassen von Hamburg fahren wir zu unseren Freunden nach Lübeck.

Nach einigen angenehmen Tagen nehmen wir die deutsche Autobahn unter die Räder. Wir fahren am Wochenende, weil da die Lastwagen nicht unterwegs sein dürfen und somit der Verkehr moderater ist. Gut ein Tausend Kilometer liegen noch vor uns. Einmal übernachten wir unterwegs. Am Zoll in Basel hole ich dann den letzten Stempel in das Zolldokument vom Auto. Wir sind wieder in der Schweiz. Am sonnigen Sonntagsnachmittag halten wir am Ortsschild „URDORF“. An diesem Schild sind wir in der Vergangenheit unzählige Mal achtlos vorbeigefahren. Jetzt ist es aber etwas Spezielles, denn der Kreis schliesst sich hier - wir sind nun endgültig zu Hause. Unser Projekt „Seidenstrasse“ ist zu Ende, das Projekt, welches zuerst nur als eine Fahrt auf der Seidenstrasse nach Tibet gedacht war und später zu einer Reise um die Welt wurde. Vier Jahre und beinahe 100‘000 Kilometer auf vier Kontinenten liegen hinter uns. Wir sind glücklich es geschafft zu haben.



Dankbarkeit kommt auf. Wir danken allen Freunden und Bekannten, die uns – virtuell – auf dieser Reise begleitet und auch anderen Reisenden, die wir unterwegs getroffen haben und näher kennen lernen durften. Ich danke Romy, dass wir alle Situationen während der Reise gemeinsam gemeistert haben. Und nicht zuletzt danke ich dem Brummi, der uns nie ernsthaft im Stich gelassen hat.

Dienstag, 21. Oktober 2014

Wieder eine Stunde weniger

Am Nordufer des St. Lorenz Stromes geht unsere Reise weiter. Wahrscheinlich nennt man dieses Gewässer vorsichtshalber Strom, denn man kann nicht eindeutig bestimmen, was es wirklich ist – ein Fluss oder doch schon das Meer? Das Wasser ist noch nicht salzhaltig, aber es gibt Ebbe und Flut wie beim Meer. Und der Strom ist sehr, sehr breit. Die Fähre, die wir später nehmen, braucht gut eineinhalb Stunden, um von einem an das andere Ufer zu gelangen. Aber zuerst fahren wir nach Tadoussac. Diese kleine Hafenstadt wird als bester Ort in ganz Kanada zur Walbeobachtung angepriesen. Aber wie könnte es anders sein - als wir kommen lassen sich keine Wale blicken. Stundenlang kreuzt das Boot umher und wir sehen nichts anderes als nur Wasser. Doch kurz bevor wir enttäuscht in den Hafen zurückkehren, ist uns das Glück hold. Neben dem Schiff taucht eine Walart auf, die wir bis jetzt noch nie gesehen haben: Belugas. Sie sind ganz weiss, allerdings erst, wenn sie ausgewachsen sind, als Babys sind sie dunkel.


Die nächste kanadische Provinz heisst New Brunswick. Zum letzten Mal stellen wir unsere Uhren um, jetzt beträgt der Unterschied zu Mitteleuropa nur noch 5 Stunden – gegenüber 10 Stunden in Alaska. Farbenprächtige Wälder begleiten uns auf unserem Weg zur Fundy Bay. Diese Bucht ist berühmt für den gewaltigen Unterschied zwischen Ebbe und Flut, der bis zu 16 Meter betragen kann.


 Wir schauen von den Klippen auf die grauen Fluten, unter uns schlagen mächtige Wellen an den Strand und auf einmal wird uns bewusst, dass wir hier am Ufer des Atlantiks stehen. Streng genommen wäre hier die Durchquerung des nordamerikanischen Kontinentes vollbracht, aber wir wollen entsprechende Feierlichkeiten erst in Halifax (dort geht es wirklich nicht mehr weiter nach Osten) zelebrieren, denn erst dort werden wir „am Ende“ angekommen sein

Doch bevor es so weit ist, machen wir einen kleinen Sprung zur Prince Edward Insel. Sie ist die kleinste der kanadischen Provinzen. Springen müssen wir aber nicht wirklich, es führt eine fast 13 Kilometer lange Brücke zur Insel. Sie soll die längste Brücke über ein Eisgewässer sein, das Meer darunter friert im Winter zu. Für die Brücke wird eine Maut verlang, eine Ausnahme in Kanada. 


Der Boden der Insel ist rötlich Erde bedeckt. Im Moment werden mit riesigen Maschinen Kartoffeln geerntet. Auch die schier unendlichen Strände und Sanddünen des Nationalparks sind rötlich gefärbt. In dieser Jahreszeit sind sie verlassen, kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Alles ist verrammelt, die Campingplätze geschlossen. Nach dem Feiertag am zweiten Montag im Oktober geht die kanadische Tourismusindustrie in den Winterschlaf. Für uns heisst es wieder wild campieren, so wie wir es in den ersten zwei Jahren unserer Reise praktiziert haben.

Nach der Rückkehr zum Festland ist es nur ein kleines Stück und wir stehen an der Grenze von Nova Scotia, der letzten kanadischen Provinz, die wir besuchen. Nach Halifax, unserm Endziel, sind es etwas mehr als 230 Kilometer. Doch wir haben noch ein paar Tage „aufgespart“ und wollen einen Umweg über Cape Breton machen, das ganz im Norden der Provinz liegt. Ursprünglich war es eine Insel, heute ist sie mit einem Damm mit dem Festland verbunden. Die Ortschaften sind keltisch geprägt und in den Pubs wird Fidel-Musik gespielt. Und es scheint uns, dass jetzt im Herbst die Laubbäume hier die schönsten Farben von ganz Kanada tragen. So haben wir uns den „Indian Summer“ vorgestellt. Die letzten Tage unserer Reise haben wir hier in der Natur, trotz einiger Regentage, nochmals richtig genossen.


In Halifax müssen wir für den Brummi einen Platz auf einem Schiff nach Europa finden. Diesmal kommt er nicht in einen Container, er fährt „roll-on, roll-off“ und das bedeutet, dass wir ihn unverschlossen im Hafen abgeben müssen. Das bereitet uns schon etwas Sorgen, aber da unsere Reise zu Ende geht, wäre es nicht so schlimm, wenn etwas verloren ginge. Nach vier Reisejahren ist sowieso nichts mehr allzu Kostbares drin. Die Formalitäten bei dem Spediteur gehen schnell vonstatten. Mit den Dokumenten fahren wir zum Hafen. Auch dort ist alles schnell erledigt. Wir geben den Autoschlüssel ab, bekommen eine Bestätigung und der Brummi einen roten Zettel mit der Anschrift „Hamburg“. Ein letzte Blick und ein stilles Dankeschön, verbunden mit der Hoffnung, dass wir ihn Mitte November wieder sehen werden. So gesehen ist die Reise noch nicht zu Ende, es bleibt noch ein „kleines“ Stück Hamburg – Urdorf, Fortsetzung folgt...

Sonntag, 12. Oktober 2014

Zur Abwechslung: Städtehüpfen

Viele Wochen sind wir durch fast menschenleere Landstriche gefahren, Natur und Einsamkeit pur. Das hat sich nun drastisch geändert. Wir sind im östlichen Teil Kanadas angelangt, dort wo die meisten Einwohner Kanadas leben. Hier liegen auch die grossen Städte des Landes: Toronto, Ottawa, Montreal und Quebec. Von Toronto geht unsere Reise in die Hauptstadt Ottawa. 


Ihre Gründung geht auf einen erbitterten Streit der Provinzen Ontario und Quebec zurück. Sie konnten sich nicht einigen wo die Hauptstadt der Föderation liegen soll – in Toronto oder in Montreal. Weder noch, hat die britische Königin damals beschieden und hat eine unbedeutende Kleinstadt an der Grenze der beiden Provinzen als der Sitz der Regierung bestimmt. 

Vielen Politikern hat diese Entscheidung gar nicht gefallen, doch gegen das Wort der Königin war nicht anzukommen. Amerikanische Journalisten spotteten damals, dass im Falle eines Angriffs auf Kanada die fremden Truppen keine Chancen hätten, weil sie die Hauptstadt in den Wäldern ja gar nicht finden würden. Doch über die Jahre erwies sich die Entscheidung der Monarchin als sehr weise. Heute ist Ottawa eine lebendige Stadt an der Sprachgrenze, auf der einen Seite des Grenzflusses wird Englisch, auf der anderen Französisch gesprochen. Symbolisch bildet sie so eine Brücke zwischen den Kulturen Kanadas. Die Regierungsgebäude, Parlament und das Oberste Gericht sind im anglo-gotischen Styl gebaut, sie sehen wie Schlösser irgendwo in England aus.

Die Provinz Quebec ist die einzige Provinz Kanadas mit Französisch als Amtssprache. Aber fast alle Einwohner sprechen auch Englisch. Die Aussprache der beiden Sprachen ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig. Der „Indian Summer“ hat das Land nun vollends erreicht, das gelbe, orange und rote Laub der Ahornbäume strahlt fantastisch in der Herbstsonne. Aus der Ferne betrachtet sieht es manchmal aus, als ob die Wälder brennen würden.


 Wir besichtigen Montreal. Die Gassen der Altstadt sind mit Kopfsteinen gepflastert, und die Häuser und Kirchen erinnern an eine europäische Stadt. Natürlich fehlt ein moderner Teil mit Hochhäusern nicht. Hier ist es sogar möglich, unterirdisch zu wandern. Die Metrostationen und die unterirdischen Etagen der Geschäftshäuser sind mit Passagen verbunden, die eine Gesamtlänge von angeblich 35 Kilometern haben. Es sind nicht etwa nüchterne Gänge, nein, es ist alles vorhanden – Geschäfte, Restaurants, Cafés und vieles mehr, eine unterirdische Stadt sozusagen. Und es ist sicher vor allem im Winter oder beim schlechten Wetter sehr praktisch, nicht nur für die zahlreichen Passanten, sondern auch für die Obdachlosen. Sie fühlen sich, wie wir sehen, schon jetzt hier wohl.


Doch das wahre Juwel unter Kanadas Städten ist für uns eindeutig Quebec. Es ist auch kein Wunder, denn sie ist die älteste Stadt in Nordamerika und die einzige mit einer intakten Stadtmauer nördlich von Mexiko. Allein ihre Lage am Ufer des St. Lorenz-Stromes ist fantastisch und nicht ohne Grund gehört die Stadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Der St. Lorenz-Strom ist auch für grosse Kreuzfahrerschiffe schiffbar, sie können direkt im Hafen der unteren Stadt anlegen. Darum treffen wir hier - für diese Jahreszeit - erstaunlich viele Touristen. Über steile Gassen oder lange Treppen gelangt man in die obere Stadt mit ihrer riesigen, mit vielen alten Kanonen bestückten Festung. Sie wurde erbaut um den Schiffsverkehr am St. Lorenz-Strom zu kontrollieren und einer möglichen Invasion der USA vorzubeugen. Als wir an der Mauer entlang laufen, erschreckt uns plötzlich ein Kanonenschuss. Zum Glück ist kein Feind in Sicht, es ist nur die Mittagskanone. Alles in der Stadt ist vorbildlich renoviert und sauber, kleine Cafés und Restaurants säumen die Gassen. Französische Küche ist angesagt, ein Fastfood-Lokal sucht man hier vergebens. Trotz der schon fortgeschrittenen Jahreszeit belustigen Strassenkünstler und Musiker das Publikum.


 Noch etwas mehr als ein Tausend Kilometer trennen uns von Halifax, unserem Endziel. Der Herbst lässt die Nächte merklich kälter werden. Das stört uns nur wenig, unsere Schlafsäcke wurden ja schon im Himalaja erprobt. Nur das Aufstehen am Morgen verlangt etwas Überwindung, denn im Bus ist es dann fast genau so kalt wie draussen. Wenn es ganz schlimm wird, bieten sich als Alternative notfalls auch noch Motels an.


Freitag, 3. Oktober 2014

Das grosse Wasser

Nochmals zwei Tage im Zug und wir sind wieder zurück in Winnipeg, wo der Brummi auf uns wartet. Bei der Weiterfahrt Richtung Osten wird uns bewusst, dass Kanada - nach Russland - das grösste Land der Erde ist. Die Entfernungen sind riesig. Links und rechts der Strasse hat es Wälder ohne Ende, Orte gibt es wenige, dafür unzählige Seen, kleine und grosse. Wikipedia gibt ihre Anzahl in Kanada mit zwei Millionen an. Natürlich sind nicht alle so gross wie die fünf Grossen Seen, die Kanada mit den USA teilt. Als ersten von ihnen erreichen wir den Lake Superior. Er ist der grösste Süsswassersee der Welt, halb so gross wie die Schweiz. Hier von einem See zu sprechen ist allerdings etwas untertrieben, ein Meer wäre eine bessere Bezeichnung. Fast vier Tage fahren wir an seinem nördlichen Ufer entlang. 

Langsam kommen wir in ein Gebiet, wo Ahornbäume wachsen. Das Laub der Bäume fängt gerade an, sich zu verfärben. Es sieht schon jetzt fantastisch aus, die Einheimischen sagen uns aber, dass die wahre Pracht erst in einigen Tagen kommt. 



Auch am Lake Huron zieht der Herbst langsam ein. Wir nehmen hier eine Fähre, um uns die weite Anreise zu den Niagara-Wasserfällen ein wenig zu verkürzen. Zuerst haben wir etwas Mühe mit der Angabe unseres Reisezieles bei den Einheimischen. Mit „Niagara“ kann niemand etwas anfangen. Bald lernen wir, dass die richtige Aussprache „Najagra“ heisst und für uns erst noch  mit einer ungewohnten  Betonung. 


Und dann stehen wir da, vor uns stürzen gewaltige Wassermassen in die Tiefe. In bloss einer Sekunde würde diese Menge Wasser eine Million Badewannen füllen, erfahren wir im Visitors Centre. Wie auch immer, der Anblick verschlägt uns fast den Atem. Gewaltiges Donnern und Wassergischt erfüllen die Luft. Und diesmal haben wir sogar  Wetterglück – ein halbrunder Regenbogen spannt sich am blauen Himmel über den Hauptwasserfall. Wegen seiner halbrunden Form heisst er „Horseshoe Waterfall“. Die Grenze zwischen Kanada und den USA verläuft in seiner Mitte. Ein etwas “kleinerer“ Wasserfall liegt ausschliesslich auf amerikanischem Boden. Dorthin gelangen wir nach einer problemlosen Passkontrolle über eine grosse Brücke, die den Niagara Fluss unterhalb der Wasserfälle überspannt. 

Als ob der Blick auf die Wasserfälle schon nicht genug Attraktion wäre wird für die zahlreichen Touristen noch viel mehr geboten: In ein Regenponcho gekleidet können sie mit einem Schiff fahren, das sich mühsam gegen den reissender Strom bis zu der herabstürzenden Wasserwand wagt oder sie können zu Fuss erkunden, wie es hinter dem Wasserfall aussieht, auch ist es möglich die Fälle von einem Aussichtsturm oder sogar von einem Hubschrauber aus zu bewundern . Und wer dann genug von dieser Show hat kann sein Glück in einem Casino versuchen. Am Abend werden die Fälle farbig beleuchtet und das wollen wir uns nicht entgehen lassen. „Schade“, denken wir, „dass  heute nicht ein Freitag oder ein Sonntag ist“, dann würde sogar ein Feuerwerk geboten. Nach der Besichtigung müssen wir  zum Camping fahren und da lässt uns der Brummi im Stich. Kein einziges Licht funktioniert mehr und es ist eine dunkle Nacht. Ich versuche den Fehler zu finden, aber bei der Dunkelheit und auf der Schnelle gelingt es mir nicht. Dazu ist auf dem Parkplatz, wo wir stehen, das Parken nur bis Mitternacht erlaubt. Romy rettet die Situation und fragt bei der zuständigen Aufsichtsperson nach, ob wie hier übernachten dürfen. Nach Rücksprache mit dem Supervisor und nachdem unsere Autonummer für alle Fälle notiert wird, bekommen wir das o.k. So verbringen wir eigentlich ungewollt die Nacht nur etwa zweihundert Meter vom Wasserfall entfernt. Das Donnern des herabstürzenden Wassers erinnert mich an eine stark befahrene Autobahn aber sonst verläuft die Nacht ruhig. Am Morgen finde ich den Fehler relativ schnell – einen korrodierter Stecker an der Masseleitung.


Toronto und die zusammengewachsenen Vorstädte haben eine Ausdehnung von mehr als Hundert Kilometern. Durch diese Stadtwüste kämpfen wir uns durch, denn es gibt zur Abwechslung sehr viel Verkehr und auch Staus. Wir sind froh, als die Stadt hinter uns liegt, trotz den schönen Parks am Ufer des Lake Ontario und den vielen modernen Hochhäusern. Über Landstrassen fahren wir nun durch farbenprächtige Ahornhaine in Richtung Ottawa, der Hauptstadt Kanadas und freuen uns über die herbstliche Sonne und den fortschreitenden „Indiansummer“.

Samstag, 20. September 2014

Wir lassen uns fahren

Wir sind unterwegs nach Winnipeg. Die Hauptstadt von Manitoba liegt etwa auf dem halben Wege zwischen der Ost- und der Westküste von Kanada. Dort besuchen wir im Stadion, wo normalerweise Hockey gespielt wird, ein Pow wow. Dies ist eine Zusammenkunft der Indianer Kanadas, die heute politisch korrekt „First Nation“ heissen. Wir sind total überrascht: Es ist die grösste Veranstaltung in Kanada - mit über Tausend Teilnehmern und noch viel mehr Zuschauern. Und wirklich – so viele Indianer in ihrer farbigen, traditionellen Kleidung und mit prächtigem Federschmuck ausgestattet, haben wir nicht einmal in sämtlichen Winnetou-Filmen gesehen.


Es wird den ganzen Tag getanzt, gesungen und getrommelt. Unzähligen Gruppen (oder sind es verschiedene Indianerstämme?) treffen im fröhlichen Wettbewerb gegeneinander an. Diese und ähnliche Treffen dienen auch dazu, die indianische Kultur zu ehren und um Kontakte zu knüpfen. Stundelang schauen wir dem bunten Treiben zu, ein wenig stört uns aber, dass diese Veranstaltung in einem Hallenstadion stattfindet und nicht irgendwo in der Prärie unter freiem Himmel. Dort könnte man sogar auch eine Friedenspfeife rauchen, was leider im Stadion nicht erlaubt ist. Fazit – ob die Indianer wirklich keinen Schmerz kennen bleibt uns verborgen, doch ihre Tänze, Schmuck und die traditionelle Kleider entsprechen durchaus den Klischees aus den Abenteuerbüchern meiner Jugendzeit.

Dann wollen wir nach Churchill, hoch im Norden an der Küste der Hudson Bay gelegen. Es führt aber keine Strasse dorthin, der Ort ist nur per Flugzeug oder mit der Eisenbahn erreichbar. Aber, oh, Schreck, der zweistündige Flug von Winnipeg kostet wesentlich mehr als ein Flug von Europa nach Churchill. So ist es, wenn eine Fluggesellschaft das Monopol besitzt. Da wir schon einige Male auf unserer Reise geflogen sind und auch Schiffe benutzt haben, lockt uns die Bahn, auch wenn die Fahrt 45 Stunden dauert. Kurz entschlossen buchen wir eine Kabine im Schlafwagen. Der Brummi bleibt in einem Camping in Winnipeg. Die Kabine ist mit Sitzen und einem ausziehbaren Bett ausgestattet, sogar ein WC und eine Waschgelegenheit sind vorhanden. Nur die Duschen sind nicht privat, dazu muss man sich zum Waggonende begeben. Einen Speisewagen gibt es auch, allerdings können wir das Essen dort nicht empfehlen. Schon bei der Buchung wurden wir gewarnt, die Mahlzeiten seien zwar im Preis inbegriffen, doch seien die Menüs „prepacked“. Was das heisst erfahren wir beim ersten Mittagessen – es sind Fertigmenüs in einer Plastikschale, schnell in der Mikrowelle aufgewärmt. Das Besteck ist natürlich auch aus Plastik. 


Wie auch immer, mit etwa einstündiger Verspätung verlassen wir den Bahnhof von Winnipeg, der einem riesigen Palast gleicht, eine Erinnerung an die Zeiten, in der die Eisenbahn das Hauptverkehrsmittel in Amerika war. Zuerst geht die Fahrt durch riesige Getreidefelder, dann kommen Laub- und Nadelbaumwälder, die dann schliesslich von Tundra mit unzähligen kleinen und grossen Seen abgelöst werden. Sie bilden sich, weil das Wasser wegen dem Permafrostboden nicht versickern kann. Die Bahnlinie wurde für den Getreidetransport zum Hafen von Churchill gebaut. Uns locken die Eisbären nach Churchill. Die Werbung nennt den Ort „Eisbärenwelthauptstadt“. An dieser Stelle friert im Winter die Hudson Bay zuerst ein und die Eisbären, die auf dem Land kaum etwas zu fressen finden, warten sehnsüchtig darauf auf das Eis gehen zu können um nach Robben zu jagen und sich vollzufressen.


Nach zwei Tagen im Zug steigen wir im schmucken Bahnhof von Churchill aus. Die Stadt hat etwa 800 Einwohner. Uns sind natürlich die Eisbären wichtiger, aber auch für die Bewohner sind sie nicht ganz ohne. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass die Bären durch die Strassen des Ortes spazieren. Da sie für die Menschen viel gefährlicher sind als ihre braunen Artgenossen, werden sie von der Bärenpolizei verjagt, die 24 Stunden in den Strassen patrouilliert. Diejenigen, die rückfällig geworden sind, werden eingefangen und in ein „Bärengefängnis“ nahe beim Flughafen eingesperrt. Dort bekommen sie nur Wasser und müssen in Betonkäfigen ausharren, bis sie nach ungefähr 30 Tagen mit einem Hubschrauber etwa 50 Kilometer weit in die Wildnis ausgeflogen werden. Diese brutale Behandlung soll sie von erneutem Eindringen in die Stadt abhalten. Schilder warnen vom Betreten der Strassen bei Dunkelheit, sowie vom Wandern in der Umgebung. Denn mit den Eisbären ist nicht zu spassen. Im letzten November wurden zwei Teenager mitten in der Stadt angegriffen und schwer verletzt, als sie von einer Halloween-Party nach Hause zurückkehrten. Darum gehen wir die Bären nicht selber suchen sondern buchen eine Tour. 


Und wir werden nicht enttäuscht. Es gibt zwar nicht an jeder Ecke einen Bär, aber wir bekommen etliche zu sehen, Einzeltiere und Mütter mit Jungen. Stundelang könnten wir ihnen zusehen, auch wenn sie die meiste Zeit schlafen. Super, nur das Wetter könnte besser sein. Hier bereitet sich schon alles auf den langen Winter vor. 


Schwärme der kanadischen Gänse verlassen das Land Richtung Süden, ihre Gekreische erfüllt die Gegend. 


Die Blätter der Pflanzen verfärben sich in allen Farbtönen von Gelb bis Rot. Und den kommenden Schnee kann man förmlich in der Luft riechen.

Freitag, 12. September 2014

Wetterkapriolen in Kanada

Bevor wir Whitehorse definitiv verlassen, besuchen wir noch den Miles Canyon. Dort zwängt sich der Yukon durch eine enge Stelle zwischen den Felsen. Früher waren die Stromschnellen ein grosses und gefürchtetes Hindernis für die Goldsucher auf ihrem Weg zu den Goldfeldern bei Dawson City. Heute sind sie durch den Bau eines Staudammes, der Whitehorse mit Strom versorgt, weitgehend entschärft. Das Interessante an diesem Damm ist die sogenannte Fischtreppe, die gebaut wurde, um den Lachsen die Wanderung zu ihren Laichplätzen zu ermöglichen. Im angeschlossenen Visitors Centre können wir durch Glasscheiben beobachten, wie sich die Fische von einer Stufe der Fischtreppe stromaufwärts zur anderen kämpfen.

Und dann rollen wir wieder auf dem Alaska Highway. Etwa 1400 Kilometer liegen noch vor uns. Die genaue Entfernung lässt sich nicht in Erfahrung bringen, denn durch die diversen Strassenbegradigungen und auch durch das Einführen vom metrischen System in Kanada variieren die Angaben stark. Die Strasse ist gut ausgebaut und wir planen diese Strecke in etwa fünf Tagen zu bewältigen. Unterwegs begleitet uns Natur pur - Wälder ohne Ende beidseits der Strasse. Eine schöne Abwechslung sind die Thermalquellen am Liard River. In einem Naturpool hocken wir gemütlich im heissen Wasser und machen dabei unerwartet Bekanntschaft mit Ingrid und Ruedi, die mit einem Mercedes mit Thurgauer-Nummer unterwegs sind. (wir sind also nicht die Einzigen, die die seltsame Idee hatten, mühsam ein Auto nach Amerika zu bringen). Leider ist der Wanderweg zu weiteren Quellen hinten im Tal geschlossen, ein Schild verkündet: „Problem Bear in the Area“. Bis Fort Nelson geniessen wir die Einsamkeit, denn der Verkehr ist spärlich. Wir sehen auch jeden Tag Tiere: Bisons, Bären, Karibus und einmal einen Fuchs. Dann ist es aber mit der Gemütlichkeit vorbei. Überall wird nach Erdöl und Gas gebohrt. Tiefe Schneisen führen links und rechts der Strasse in den Wald. Schwere Lastwagen transportieren Material und Ausrüstungen. Leitungen durchziehen das Land, an manchen Stellen wird Gas abgefackelt. Alle Tiere sind geflüchtet. Schlamm überall, auch der Belag der Hauptstrasse ist damit bedeckt, besonders jetzt, wo der Regen wieder eingesetzt hat. Der Brummi ist bald vollgespritzt bis aufs Dach. Nach fünf Tagen sind wir am „Ende“ – in Dawson Creek, wo der Alaska Highway seinen Anfang nimmt. An einer unscheinbaren Kreuzung steht der Milepost „0“, der Meilenstein Null. Von hier aus haben die amerikanischen Truppen 1942 angefangen unter unvorstellbaren Widrigkeiten diese Bresche in die unendlichen Wälder zu schlagen. Aber vom Bau des Alaska Highways habe ich schon in einem früheren Beitrag geschrieben. Wir sind ein wenig stolz, diese Strasse gemeistert zu haben. Und es stört uns überhaupt nicht, dass der Meilenstein Null für uns nicht der Anfang sondern das Ende dieser Strasse bedeutet. Der Brummi wird gründlich gewaschen und bekommt einen Ölwechsel. Dann rollen wir auf den Strassen Kanadas weiter Richtung Osten.


Wie in den USA so sind auch in Kanada die Nationalparks die grossen Anziehungspunkte. Zwei davon liegen nun auf unserem Weg – der Jasper und Banff Nationalpark. Beide liegen in den kanadischen Rocky Mountains. Die Attraktionen sind hier hohe Berge, Gletscher, unzählige Seen, wilde Flüsse und natürlich Tiere. An einem See in der Nähe von Jasper beobachten wir stundelang eine Herde von Wapiti Hirschen. Der Bulle (oder sagt man bei Hirschen anders?) mit seinem prächtigen Geweih ist voll damit beschäftigt, sein Harem von etwa 12 Kühen unter Kontrolle zu halten. Ständig muss er an einem oder dem anderen Ende für Ordnung sorgen, so dass ihm fast keine Zeit zum Fressen bleibt. Einmal muss er einige Kühe, die scheinbar ein Bad im See nehmen wollen, aus dem Wasser jagen. Und dabei muss es dauernd aufpassen, dass kein Nebenbuhler ihm die Herrschaft streitig macht. „Ein wahrlich harter Job – dann lieber doch kein Harem“, denke ich mir. 


Eine fast 300 Kilometer lange Strasse verbindet die Orte Jasper und Banff miteinander. Sie heisst „Icefields Parkway“ und der Name ist auch das Programm. So viele Gletscher wie hier haben wir noch nie an einem Tag gesehen. Obwohl das ganze Gebiet eigentlich ein Nationalpark ist, werden verschiedene Attraktionen für die zahlreichen Touristen angeboten. So ist es zum Beispiel möglich, mit einem Spezialbus auf den Gletscher zu fahren oder auf einen Weg mit Glasboden über eine Schlucht zu laufen. Alles ist nur eine Frage des Geldes. Doch die Naturschönheiten sind gratis – die schon erwähnten Berge, Gletscher und Wasserfälle.


Den Jasper Nationalpark haben wir bei schönen und warmen Wetter richtig genossen. Dann kam der grosse Wetterumsturz. Die Temperatur fiel über eine Nacht von 23 auf minus 1 Grad. Den Banff Nationalpark haben wir leider nur im Regen erlebt. Was macht man, wenn es so kalt ist und der Regen das Wandern verunmöglicht? Da bieten sich Thermalquellen als Alternative an. Wir hocken gemütlich im Aussenpool mit 40 Grad heissem Wasser und lassen uns nicht vom Regen stören. Doch, oh Schreck – der Regen geht in Schnee über. Bis wir wieder beim Auto sind, liegt der Schnee schon 5 Zentimeter hoch. Nichts wie weg, denken wir uns, doch bald wird das Fahren zu gefährlich. Wir steuern den nächstliegenden Campingplatz an. Es schneit immer stärker – am Abend liegen bereits gut 20 Zentimeter Neuschnee. Die frisch verschneiten Bäume sehen märchenhaft aus, doch wir würden uns mehr über etwas Sonne freuen.

Später haben wir in Erfahrung gebracht, dass sogar Zeitungen in Europa über diesen Schneesturm berichteten. Es war total ungewöhnlich anfangs September.


Freitag, 5. September 2014

Ruf des Goldes

Die erste Stadt auf unserem Weg in Kanada ist Dawson City. Sie wurde aus dem Boden gestampft, nachdem die Nachricht von reichen Goldfunden sich in den umliegenden Tälern verbreitete. Einige kehrten mit Säcken voller Gold nach Hause und lösten damit den grossen Goldrausch aus. Tausende verliessen die Städte im Süden und zogen nach Norden – sie alle wollten reich werden. Doch der Weg zu den Goldfeldern war alles andere als einfach. Mit dem Schiff ging es von San Franzisco oder Seattle nach Skagway, dann weiter über den mörderischen Chilkoot Pass zum Yukon. Dort hiess es ein Boot oder Floss zu bauen und durch gefährliche Stromschnellen bis nach Dawson City zu fahren. Diejenigen, die erst nach dem Wintereinbruch in Skagway ankamen, wurden durch die  grosse Kälte überrascht und sie mussten in erbärmlichen Unterkünften warten, denn der Yukon war zugefroren und eine Fahrt erst im Frühling wieder möglich.


Nur in einem Jahr hat sich Dawson City von einem Zeltlager zu einer richtigen Stadt entwickelt, mit allem was dazu gehört: Hotels, Kneipen, Banken, eine Zeitung, Wäschereien, Kirchen, Schulen, mehrstöckige Häuser und hölzerne Gehsteige. Sogar ein Theater gab es und natürlich mehrere Casinos. Auch das horizontale Gewerbe war mit mehreren Bordellen vertreten, denn das Geld sass bei den neureichen Goldsuchern locker. 


Viele sind reich geworden, andere kamen zu spät, denn in drei Jahren war der Rausch vorbei, alles Gold, das in den Bächen zu finden war, war abgeräumt. Für weitere Förderung waren grosse Investitionen für schwere Maschinen nötig, die sich nur grosse Gesellschaften leisten konnten. Die Anzahl der Einwohner reduzierte sich erheblich, doch die Stadt blieb bestehen. Heute noch sind die unbefestigten Strassen von Originalholzhäusern gesäumt, die Bewohner leben von der glorreichen Vergangenheit. Das Zentrum wurde zu einem historischen Park erklärt und die Touristen kommen in Scharen, um einen Eindruck zu bekommen, wie es hier vor nicht allzulanger Zeit zuging. In den historischen Gebäuden stehen Erzähler, die in den Kleidern von damals die Geschichten von Glückrittern wiedergeben. Es war eine grosse Zeit damals, nur die Stärksten und Mutigsten konnten ihr Glück erzwingen. Wir haben es natürlich einfacher – an der Uferpromenade gönnen wir uns ein Cappuccino, während ein Raddampfer am Yukon vorbei tuckert. Und die Dollars ziehen wir aus einem Bankomaten. Darum haben wir es auch nicht nötig, uns in den Goldfeldern die Hände schmutzig zu machen und uns mit Goldwaschen im kalten Wasser abzumühen, wo der Erfolg alles andere als sicher ist.


Eine weitere Stadt am Yukon ist Whitehorse. Auch sie ist ein Produkt des grossen Goldrausches. Um den Goldsuchern den mörderischen Fussweg über den Chilkoot Pass von Skagway zum Yukon zu ersparen, hat man in kürzester Zeit eine Schmalspurbahn gebaut. Whitehorse war die Endstation, wo alles auf die Schiffe umgeladen wurde. Denn inzwischen verkehrten auf dem Yukon bereits heckangetriebene Dampfschiffe. Wir fahren nun auf den Spuren dieses Weges nach Skagway, der Hafenstadt, die bereits in den USA liegt. Die Eisenbahn von Whitehorse bis zum Pass fährt heute nicht mehr. 


Die restliche Strecke bis nach Skagway wird touristisch genutzt, denn in Skagway legen die grossen Kreuzfahrerschiffe an, und die Tausende von Passagieren wollen gerne einen Landausflug unternehmen. Zugegeben, keine schlechte Wahl, denn die Strecke ist landschaftlich sehr schön, auch wenn man unterwegs eine Staatsgrenze passieren muss. Die Stadt selber ist ein grosser  Rummelplatz, auf den Strassen kaum ein Durchkommen und die Verkäufer in Souvenir- und Schmuckgeschäften freuen sich über die sprudelnden Einnahmen. Hubschrauber starten fast ununterbrochen und bringen Touristen zum nächstgelegenen Gletscher. 


Wir verlassen Skagway mit der Fähre und gehen nach einer Stunde in Haines an Land. Auf dem Weg zum Campingplatz am Chilkoot Lake läuft uns ein Bär auf der Strasse entgegen. Eine solche Begrüssung hätten wir uns öfters gewünscht. Doch der Bär hat nichts mit uns am Hut, er interessiert sich nur für die Lachse im Fluss. Beim Fischen geht er sehr geschickt vor und wir können nur staunen. 

Auch einige Weisskopfadler versuchen sich mit Fischen, sind aber bei Weitem nicht so erfolgreich wie der Bär. Erst als das Licht zum Fotografieren zu schwach wird, setzen wir die Fahrt zum Campingplatz fort.


Von Haines fahren wir nach Haines Junction, das am Alaska Highway in Kanada liegt und dann weiter wieder zurück nach Whitehorse. Zuerst besuchen wir das Visitors Centre um unsere E-Mails zu checken. In Kanada gibt es in den Informationsbüros meist freien Internetzugang. Kaum sind wir zehn Minuten damit beschäftigt, da kommen Sandra und Martin und, als hätten wir uns abgesprochen, nach weiteren zehn Minuten auch Rita und Peter. Wie haben beide Paare in Anchorage kennengelernt. Lange erzählen wir von unseren Erlebnissen und Plänen. Sie haben, wie wir, noch mehrere Tausend Kilometer zu fahren. Sandra und Martin sollen ihr Mietwohnmobil in New York abgeben, Rita und Peter in Los Angeles.

Sonntag, 31. August 2014

Ein Besuch beim Santa Klaus

„Nachdem wir schon am Polarkreis waren, können wir ja doch noch zum Nordpol fahren“, sagen wir uns. „Jetzt sind sie aber übergeschnappt, dorthin fahren ist doch gar nicht möglich“, werdet ihr einwenden, aber es ist wahr. Nord Pole heisst nämlich eine kleine Ortschaft, etwa 12 Meilen von Fairbanks entfernt.

Ausser dem Namen gäbe es hier nichts Besonderes wenn, wenn nicht der amerikanische Santa Claus persönlich hier wohnen würde. Santa Klaus bedeutet für amerikanische Kinder das gleiche wie für die Kinder in Europa das Christkind – er bringt an Weihnachten die Geschenke. Und wirklich, in einem rot-weissen Haus mit einem grossen Parkplatz ist er zu Hause. Wenn amerikanische Kinder dem Santa Klaus einen Brief mit ihren Weihnachtswünschen schreiben, dann ist die Adresse „Santa Claus, Nordpole“ und alle Postämter im Land wissen, wohin sie diese Briefe befördern müssen. Da wären ja alle Kinder enttäuscht, wenn es in diesem Ort gar keinen Santa Klaus geben würde. Warum sollte es auch nicht, mit dieser Idee lässt sich ja wunderbar Geld verdienen. Und nicht nur kurz vor Weihnachten sondern das ganze Jahr durch. So gleicht das Haus einem grossen Einkaufzentrum, wo man alles kaufen kann, was irgendwie mit Weihnachten zu tun hat. Von einem Rentier-Figürchen bis zum geschmückten, künstlichen Weihnachtsbaum, alles ist da. Die anwesenden Kinder können sich mit einem lebendigen, bärtigen Santa Klaus fotografieren lassen und für die Daheimgebliebenen können die Eltern oder Verwandten einen Brief aufsetzen, der dann zu gegebener Zeit an den Nachwuchs verschickt wird. „Stellen Sie sich die Augen der Kinder vor, wenn sie vom Santa Klaus aus Nordpol persönlich einen Brief bekommen“, lockt die Werbung, „und es kostet ja nur 14 Dollar“.


In Delta Junction erreichen wir den berühmten Alaska Highway. Diese Strasse nimmt ihren Anfang weit unten in Kanada in Dawson Creek. Weit über 1400 Meilen ist sie lang, erbaut im Zweiten Weltkrieg in nur etwas mehr als acht Monaten. Der Grund für diese immense Anstrengung war die Angst der Amerikaner, Japan könnte Alaska besetzen und von dort aus Kanada und USA angreifen. Denn zu dieser Zeit gab es überhaupt keine Landverbindung nach Alaska. Jetzt spulen wir gemütlich die Meilen ab, die damals unter unvorstellbaren Schwierigkeiten gebaut wurden. Schnurgerade führt die Strasse durch schier unendliche Wälder. Nur selten geben die Bäume freie Sicht auf Flüsse oder Seen. Der Verkehr ist spärlich und Ortschaften am Weg gibt es wenige. Eine solche heisst Tok. 

Kurz danach verlassen wir den Alaska Highway wieder und biegen nach Norden. Diese Strasse hat den Namen „Top of the World Highway“ und führt vorwiegend auf einem Hügelkamm. Vielleicht deswegen? Der letzte Ort auf dieser Strecke in Alaska hat einen etwas lustigen Namen, er heisst „Chicken“. Auch wenn das Benzin hier einiges mehr als in Fairbanks kostet, tanken wir voll, denn in Kanada soll das Benzin um etliches teurerer sein als in USA. 


Zu Besichtigung in der Umgebung gibt es einen verrosteten „Dregger“, eine Art schwimmenden Bagger, mit dem früher Gold gefördert wurde. Nun wurde es zu einem Museum umfunktioniert. Es fördert kein Gold mehr sondern Touristendollars. Nach weiteren 60 Kilometern Schotterstrasse stehen wir an der Grenze. An der amerikanischen Seite werden wir gar nicht kontrolliert, der kanadische Beamte schaut kurz in unsere Pässe und sagt „Wellcome in Canada“.


Montag, 25. August 2014

Bis es nicht weiter geht

Alle Reiseführer und Prospekte sind sich in einem Punkt einig – der Höhepunkt jedes Alaska Besuches ist der Denali Nationalpark mit dem höchsten Berg Nordamerikas, dem Mount McKinley mit 6194 Metern. Nun wie es so mit den Höhepunkten im Leben ist, sie gelingen oft nicht so, wie man es gerne hätte. So auch unser Parkbesuch. Als wir ankommen, regnet es (noch immer). Trotz schlechten Aussichten für morgen buchen wir eine Fahrt. Nur etwa 15 von insgesamt 92 Meilen der Parkstrasse sind für den privaten Verkehr freigegeben, weiter kommt man nur im Rahmen einer Tour. Der Morgen lässt aber hoffen, es regnet nicht mehr und es gibt sogar ein paar blaue Löcher im grauen Himmel. Unseren Rucksack mit der Verpflegung haben wir gestern gepackt, also nichts wie los. Die Tour wird 12 Stunden dauern und im Park gibt es keine Möglichkeit irgend etwas zu kaufen. Unser Transportmittel ist ein  ehemaliger Schulbus mit einer Fahrerin, die fast ununterbrochen redet und die ganze Busladung – 36 Menschen – wie eine Schulklasse belehrt.


Macht nichts, denn wir haben wirklich Glück. Es klärt auf und wir können den Mount McKinley sehen. Somit gehören wir angeblich zu dem Drittel der Parkbesucher, die den Berg überhaupt zu Gesicht bekommen. Die Landschaft variiert: Berge mit Gletschern, mädernde Flüsse, Seen und Wälder, die später in Tundra übergehen.

Aber das Wichtigste sind die Tiere. Wir werden von der Fahrerin angewiesen, jedes Tier sofort zu melden etwa in dieser Art: „One bear ten o’clock“, also gemäss dem Zifferblatt, damit jeder weiss, in welcher Richtung er schauen muss. Die Fahrerin stoppt dann sofort und wir dürfen die Fenster öffnen. Ausser bei einer Toilettenpause darf niemand den Bus verlassen. Am häufigsten sehen wir Bären, aber auch Karibus, eine Wolfsfamilie, Fuchs und Dall. Schafe. Letztere leider nur als kleine weisse Punkte hoch an den Berghängen. Nach sechs Stunden erreichen wir Kantishna, ein Dorf mitten im Park. Seine Gründung geht, wie könnte es in Alaska anders sein, auf reiche Goldfunde zurück. Auch heute kann man in den Bächen noch Gold waschen, aber nur auf dem Parkgelände, alles andere ist „Private Property“. Nach einer Pause geht es zurück, mit einem Abstecher zum „Wonder Lake“. In ihm soll sich der Mount McKinley wunderschön spiegeln, darum auch der Name. Leider tut er es nicht, denn mittelweile ist der Himmel wieder mit dichten schwarzen Wolken verhangen. Und bald fängt es an zu regnen. Zurück im Camping fragen uns die Nachbarn, ob wir Fisch mögen und als wir bejahen, schenken sie uns eine Lachshälfte. „Ungefähr eineinhalb Kilo frischer Lachs“ meint Romy, nachdem wir uns bedankt haben. Und wirklich, es reicht für drei köstliche Mittagessen. Am ersten Tag gibt es Lachs gebraten, am zweiten Tag Lachsnudeln und dann noch eine Fischsuppe – für mich waren alle drei Gerichte die wirklichen Höhenpunkte.

Weiter fahren wir nach Fairbanks. Es ist die zweitgrösste Stadt Alaskas -  auch wenn sie nur 32000 Einwohner hat. Sehenswert ist die moderne Universität mit dem Botanischen Garten.

Hier finden wir die berühmten Kohlköpfe, die dank den langen Tagen hier riesengross sind. Über 60 cm im Durchmesser, schätzen wir. Der Rekord liegt irgendwo bei 60 Kilogramm. Aber auch Zucchini wachsen auf die Grösse von Drittklässlern heran. Neun Kilogramm schwere Karotten aus dem Boden zu ziehen ist eine sportliche Leistung und ein Bund Mangold kann es auf 2.70 Meter bringen. Am Stadtrand liegt ein grosses Schutzgebiet, wo die Zugvögel auf ihrem Flug nach Norden oder Süden Rast einlegen. Im Moment bereiten sich schon die ersten Schwärme für den Flug nach Süden vor. Ja der Sommer in Alaska ist kurz.








Dann nehmen wir die Dalton Highway unter die Räder. Diese Strasse wurde als Zubringerstrasse zu den Ölfeldern im hohen Norden Alaskas gebaut. 



In der Strassennähe verläuft - wie ein silberner Wurm - die Pipeline, die das Erdöl aus dem Norden zum eisfreien Hafen in Valdez bringt. Sie gehört zu den grössten Projekten der USA. Auf 800 Meilen überwindet sie Gebirge, mächtige Flüsse und menschenleere Landstriche. Das Öl darin ist fast zwei Wochen unterwegs. Wegen dem Permafrostboden mussten viele Abschnitte auf Stelzen gebaut werden. Die Strasse, die wir nun fahren ist rauh, mit vielen Löchern übersät. Schwere Lastwagen, die Material und Versorgungsgüter zu den Ölfeldern bringen, donnern an uns vorbei. Sie haben hier absoluten Vortritt. Wir halten jedesmal freiwillig an, denn die Gefahr von aufgewirbelten Steinen ist gross und eine neue Windschutzscheibe wäre hier nicht zu bekommen. Auf einer 600 Meter langen Brücke überqueren wir den mit vielen Legenden umwobenen Fluss Yukon. Der Wald wir allmählich durch Tundra abgelöst, wir sind schon weit nach Norden vorgedrungen. Das wird uns erst richtig bewusst, als wir den Polarkreis passieren. Nach den beiden Wendekreisen und dem Äquator haben wir nun auch diese Linie auf dem Globus erreicht. Es geht aber noch ein rechtes Stück weiter. Dann kehren wir um, denn diese Strasse ist eine Sackgasse. Doch die Rückfahrt wird zu einer Schlammschlacht, denn es hat wieder starker Regen eingesetzt. Und es wird uns hier noch etwas anderes bewusst – ab diesem Wendepunkt, hoch im Norden, geht es nur noch Richtung Heimat.


Dienstag, 19. August 2014

Bären und der grosse Regen

Unser erstes Ziel in Alaska ist Homer, im Süden der Kenai-Halbinsel gelegen. Hier planen wir etwas Grosses – zu den Bären fliegen. Wir haben uns das „Hallo Bay Bear Camp“ ausgesucht, dort kann man relativ günstig in fest installierten Zelten übernachten. Zuerst haben wir Glück, denn obwohl wir nicht im voraus gebucht haben, gibt es noch freie Plätze. Zwar nicht schon für morgen, aber übermorgen. Wir besuchen inzwischen den „Homer Spit“, eine sandige Landzunge, die einige Kilometer ins Meer hinaus ragt.


Dort wird vor allem gefischt und es hat viele Campingplätze direkt am Strand. Leider scheint es, dass inzwischen das schlechte Wetter auch Homer erreicht hat. Als wir uns nach der genauen Abflugzeit erkundigen, werden wir auf Nachmittag vertröstet, und als wir dann wieder erscheinen, auf morgen. Das schlechte Wetter in der Gegend der „Hallo Bay“, erlaubt keine Flüge, heisst es. Auch die Leute, die bereits dort unten sind, können nicht ausgeflogen werden. Am dritten Tag wiederholt sich die Situation. Wir wollen nicht mehr länger warten, die Ungewissheit ist zu gross. Problemlos bekommen wir die Anzahlung zurück und wir denken dabei an die Touristen, die nicht zurückfliegen können – jede zusätzliche Nacht im Bärencamp kostet sie 150 Dollar - an verpasste Anschlussflüge und weitere Probleme gar nicht zu denken.

Doch so leicht geben wir nicht auf und suchen eine andere Möglichkeit, die Bären zu „besuchen“. Bei „Beluga Air“ buchen wir eine Tagestour in den Lake Clark Nationalpark. Diesmal fliegen wir pünktlich ab. Das kleine Wasserflugzeug mit nur sechs Plätzen hebt an einem See in der Nähe von Homer ab und landet, oder besser gesagt wassert, nach etwa 45 Minuten Flug im Nationalpark.



Dort werden wir zuerst mit einem köstlichen Lachs zum Mittagessen begrüsst, dann besteigen wir ein kleines Boot und fahren am Ufer entlang. Lange muss unser Ranger nicht suchen und wir sehen die erste Bärin, ein riesiges Tier, fast drei Meter, schätzen wir. Sie steht auf den Hinterbeinen im Wasser und hält nach Lachsen Ausschau.

Vom Ranger, der die Bären hier genau kennt, erfahren wir, dass sie 14 Jahre alt ist. Vergnügt fischt sie nach Lachsen und hat dabei viel Erfolg. Vielleicht auch wegen ihrer schlauen Taktik – sie taucht vollständig unter Wasser und bleibt relativ lange unten. Nie hätten wir geglaubt, dass es ein Bär es so lange unter Wasser aushalten kann. Später sehen wir noch viele andere Bären. Eine Mutter mit drei Jungen, die ziemlich mager ist, was bei so zahlreichem Nachwuchs kein Wunder ist. Der Ranger meint, dass es ungewiss ist, ob sie sich noch genug Reserven für den nächsten Winter anfressen kann. Ein vierjähriges Geschwisterpaar ist gemeinsam unterwegs, meistens begegnen wir aber Einzelgängern. Die Bären scheinen uns im Boot gar nicht zu bemerken, zu sehr sind sie auf die Lachse konzentriert. Dabei beträgt die Entfernung zu ihnen kaum 20 Meter.




Noch einmal fahren wir nach Whittier, dem Hafen, wo wir vor einer Woche angekommen sind. Damals hat es in Strömen geregnet, nun regnet es Bindfäden. Vielleicht hat es seit unserem ersten Besuch gar nie aufgehört? Dabei wollten wir eine Bootstour im Prince Williams Sound unternehmen. „26 Gletscher in 5 Stunden“ verspricht die Werbung. Bei diesem Wetter hat es aber keinen Sinn. Wir beschliessen, noch einen Tag länger zu warten. Es regnet die ganze Zeit ununterbrochen weiter, fast wachsen uns Schwimmhäute und wir kriegen einen Regenkoller. Nun bin ich geneigt, den Sätzen aus der Geschichte von Whittier zu glauben. Während des Zweiten Weltkrieges haben die Amerikaner diesen Hafen ausgebaut – wegen „notorisch schlechtem Wetter“, heisst es dort. Im Schutz der tiefhängenden Wolken war der Hafen vor den Angriffen der japanischen Flugzeuge sicher. Mit schwerem Herzen verzichten wir am nächsten Tag auf „die 26 Gletscher“ und lassen sie buchstäblich „ins Wasser fallen“. „Nichts als raus aus diesem Regenloch“, sagen wir uns und fahren nach Anchorage.

Der Camping in Anchorage ist fest in Schweizer Hand. Wir treffen dort zuerst auf Maria und Hans-Jürg, die mit einem Mercedes Wohnmobil mit Berner Nummer ein Jahr länger unterwegs sind als wir. Zwei weitere Paare mit gemieteten Fahrzeugen gesellen sich zu der Runde. Es gibt Kaffee, Engadiner Nusstorte aus der Schweiz und viel, viel zu erzählen.



Anchorage, die grösste Stadt in Alaska, bietet nicht viele Sehenswürdigkeiten. Bei einem schweren Erdbeben im Jahr 1964 wurden viele ältere Gebäude zerstört und später durch Neubauten ersetzt. Nach den vielen Tagen in der Wildnis tut es uns gut, genüsslich einen Cappuccino zu schlürfen und den Leuten beim Flanieren zuzusehen.

Mittwoch, 13. August 2014

Inside Passage

Man muss ja nicht immer nur Autofahren. Um nach Alaska zu gelangen kann man auch das Schiff nehmen. Es ist möglich auf der berühmten „Inside Passage“, die als Traumziel vieler Kreuzfahrten gilt. Die Schiffspassage führt zwischen vorgelagerten Inseln hindurch und an der Küste entlang. Somit sind die Schiffe nicht den mächtigen Wellen des Pazifiks ausgesetzt und können in ruhigeren Gewässern fahren, was von den Passagieren geschätzt wird. Manchmal kommt es uns vor, als ob das Schiff auf einem Fluss fahren würde, denn die Küste ist sehr nahe. Die vielen Kreuzfahrtschiffe auf diese Route zeigen, dass diese Fahrt bei den Amerikanern sehr beliebt ist. Mit einigen Tausend Passagieren und allem erdenklichen Komfort gleichen manche Schiffe einer schwimmenden Stadt.

Wir wollen nicht so hoch hinaus und ausserdem haben wir den Brummi dabei, der auch mitkommen muss. Darum nehmen wir eine Fähre der staatlichen „Alaska Marine Highway“, die vor allem Einheimische transportiert. Sie legt an Orten an, die durch keine Strassen mit der übrigen Welt verbunden sind. Und solche Orte gibt es in Alaska viele. Es wird kein grosser Komfort und keine Unterhaltung am Bord geboten, dafür ist alles zweckmässig, einfach und sauber eingerichtet, dazu relativ günstig. Die Plätze auf der Fähre sind im Sommer schnell ausgebucht. Wir haben sie schon im Januar im Internet reserviert.

In Bellingham, in der äussersten Nordwestecke Washingstons, gehen wir an Bord. Wir haben eine (kleine) Kabine, denn die Überfahrt nach Whittier, dem Hafen von Anchorage, dauert fünf Tage. Einige, vor allem junge Leute, stellen auf dem Sonnendeck ihre Zelte auf, aber das wollen wir uns nicht zumuten. Unspektakulär verlässt das Schiff „Kennicott“ den Hafen.


Es ist uns ein Rätsel, wie sich der Kapitän in diesem Labyrinth von kleinen Inseln, alle mit Wald bewachsen, zurecht findet, denn für uns sehen sie alle gleich aus. Bald verlassen wir die Vereinigten Staaten, weiter geht es ein langes Stück durch die Gewässer von Kanada. Die Einheimischen werden gewarnt, nicht ihre Mobiltelefone zu benützen – die meisten haben keine Abonnemente für das Telefonieren im Ausland und somit würden ihnen hohe Kosten entstehen.


Von Vancouver sehen wir nur die Lichter, dann wird es am Ufern dunkel, nur die Leuchttürme blinzeln an den gefährlichen Stellen in regelmässigen Abständen. Die Fahrt am nächsten Tag verläuft ruhig. Die Sonne scheint und wir beobachten vom Deck aus die Natur. Ewig grüne Wälder ziehen an uns vorbei. Jedesmal gibt es eine grosse Aufregung wenn Wale oder Seelöwen gesichtet werden. Aber auch ein Weisskopfadler, auf einem Fels oder Baum sitzend, sorgt für Abwechslung. Mit Kameras bewaffnet stürzen sich viele an Deck.


Ab und steht am Ufer ein einsames Haus, nur auf dem Wasserweg oder mit einem Wasserflugzeug erreichbar. Ketchikan ist die erste Stadt in Alaska wo wir anlegen. Wir dürfen von Bord gehen und die Stadt besichtigen. Es gibt ein paar alte Häuser aus der Gründerzeit und viele Geschäfte mit Souvenirs für die Kreuzfahrtpassagiere. Ihre Schiffe liegen am Kai, sie überragen um vielfaches auch die höchsten Häuser der Stadt. Nach drei Stunden fährt unsere Fähre weiter, nachdem Fahrzeuge und Container aus- und umgeladen wurden.

Noch immer ist das Wetter schön. Die grüne Landschaft, auf den ersten Blick in ihrer Gesamtheit gleich und doch stets in den Einzelheiten verschieden, gleitet an uns vorüber
Wieder eine grosse Aufregung an Bord – etwa 25 Wale wurden gesichtet. Der Kapitän ändert den Kurs, leider nicht um näher an die Tiere zu kommen, sondern um ihnen weiträumig auszuweichen. Vor einem Monat ist nämlich das Schiff mit einem dieser streng geschützten Tiere zusammengestossen, was immer noch Gegenstand einer Untersuchung ist. Der nächste Hafen, den wir anlaufen, ist Juneau, die Hauptstadt von Alaska. Leider hat man hier den Fährhafen über 20 Kilometer weit weg von der Stadt gebaut. Den Hafen direkt in der Stadt dürfen nur die grossen Kreuzfahrtschiffe anlaufen.


So wird für uns eine Taxifahrt unumgänglich. Zum Glück kennt man mittlerweile einige der Mitreisenden und so können wir eine Fahrgemeinschaft bilden. Eine Seilbahn bringt die Touristen direkt vom Kai auf den Hausberg. Dort kann man die Aussicht auf die Berge, Gletscher und die Inselwelt der Inside Passage bewundern. Dafür reicht unsere Zeit leider nicht, wir müssen uns mit einem Stadtrundgang zufrieden geben. Auffallend ist die renovierte russisch-orthodoxe Kirche sowie das Parlamentsgebäude.

Der nächste Ort auf unserem Weg ist Yakutat, ein kleines Dorf am Ende eines Fjords. Zuerst ist nicht klar, ob wir überhaupt an Land gehen dürfen. Am Strand tummeln sich nämlich zwei Bären. Die herbeigerufene Polizei verscheucht sie mit einigen Schüssen in die Luft. Dann ist der Weg für uns frei, jedoch gibt es in diesem Ort beim besten Willen jetzt, wo die Bären verschwunden sind, nicht viel zu sehen.


Nach fünf Tagen und 2600 Kilometer auf dem Wasser darf auch der Brummi an Land. Wir sind in Whittier angekommen. Der Hafen ist mit dem übrigen Strassennetz Alaskas verbunden. Aber nicht direkt, sondern durch einen Eisenbahntunnel, der abwechslungsweise von Autos oder der Bahn benutzt wird. Natürlich hat der Zug immer Vortritt, so dass Warten angesagt ist. Aber nach fünf Tagen langsamer Fahrt übers Wasser stört uns das nicht. Alles ist gut, bis auf das Wetter, es nieselt, die Wolken hängen tief und alles ist grau in grau. Auf eine solche Begrüssung hätten wir gerne verzichtet.