Sonntag, 28. Juli 2013

Der Fotografin Freude und Leid

Bevor wir weiter in den Süden fahren, machen wir einen Abstecher nach Coral Bay. Noch einmal geniessen wir das Südseegefühl pur. Palmen, weisse, sandige Strände, Schwimmen und Schnorcheln sind angesagt. Dann fahren wir weiter Richtung Süden. Ein Abstecher gilt dem Kalbarri National Park, der aus zwei Teilen besteht, der Küste mit eindrucksvollen Kliffs und dem Landesinneren mit, wie kann es anders sein, farbenprächtigen Schluchten. 



Die Landschaft ausserhalb des Parks besteht nicht mehr aus unendlichem Buschland, wo höchstens Kühe und Schafe weiden oder ein paar Känguruhs hüpfen, sondern aus riesigen Feldern, auf welchen Getreide angebaut wird. Zuerst können wir uns an dieses üppige Grün des Frühlingsgetreides nur schwer gewöhnen. Die ursprüngliche Vegetation bildet nur noch kleine Insel darin. So wird die leicht hügelige Struktur des Landes gut sichtbar und wir kommen uns manchmal vor wie in Toskana. Mitteln in dieser Landschaft liegt ein besonderes Land, die Hutt River Provinz, der wir einen Besuch abstatten.

Besonders ist es deswegen, weil es ein von Australien unabhängiges Land ist. Ja, das wissen nicht alle, denn in der Schule lernt man, dass es auf dem australischen Kontinent nur ein einziges Land gibt. Wie ist das nun möglich? Irgendwann, in den Siebzigern Jahren, verfügte die australische Regierung Einschränkungen für die Weizenproduktion. Während fast alle Farmer dies mit der Faust im Sack schluckten, hat sich der Besitzer einer Farm gewehrt. Mit seiner Bauernschläue hat er Lücken und Unklarheiten in den Gesetzen - bis zurück in die Landbesitznahme durch die englischen Kolonisten - gefunden und ausgenutzt. Im Jahr 1970 hat er sein Farmland als ein von Australien unabhängiges Fürstentum ausgerufen und sich selber zum Prinzen erklärt. Er musste diese Form wählen, da der Adel durch die damaligen britischen Gesetze speziell geschützt war, so haben wir es wenigstens verstanden. Prinz Leonard ist heute 88 Jahre alt. Die Staatsflagge weht bei unserer Ankunft auf Halbmast, vor zehn Tagen ist die Prinzessin, seine Frau, im Alter von 84 Jahren gestorben. Sein Sohn. zeigt uns den Regierungssitz und beantwortet unsere Fragen. Und wirklich, es gibt fast alle Attribute eines unabhängigen Staates: Banknoten, Briefmarken, Wappen und sogar einen Staatswagen – ein Mercedes Jahrgang 1964. Für einen Betrag von 250 Dollar kann man die Staatsbürgerschaft erwerben. Angeblich gibt es auch eine Armee, die aber unbewaffnet sei, wird uns versichert. Kein einziger Staat der Welt hat die Hutt River Province anerkannt, natürlich auch die australische Regierung nicht. Sie lässt Prinz Leonard gewähren, hat aber schnell die Gesetze so geändert, dass niemand mehr seinem Beispiel folgen kann. Wir haben schon eine gewisse Sympathie für Leute, die sich dem Diktat der jeweiligen Regierungsbeamten schlau widersetzen und erklären dem Prinzen feierlich: „Wir haben uns die Zeit genommen und sind mit diesem alten Auto von der Schweiz bis hierher gefahren, um ihr Land kennenzulernen“. Der Prinz nickt zufrieden und wir können als Ehrengäste eine Nacht hier übernachten ohne die Visagebühr von zwei Dollar zahlen zu müssen. Auf alle Fälle geniessen wir es einen Tag „ausserhalb“ Australiens zu verbringen.

Auf der Fahrt Richtung Perth erwartet uns noch eine grosse Attraktion. Schon zu Hause hat Romy von den schönen Bildern aus diesem Nationalpark geschwärmt. Es ist der Pinnacles National Park südlich von Cervantes. Aus der goldfarbenen Sandwüste scheinen hier Tausende von Kalksteinsäulen zu wachsen. Einige von ihnen sind bis zu fünf Meter hoch. Durch diese „Landschaft“ darf man ausnahmsweise sogar auf einem unbefestigten Weg mit dem Auto fahren. Wir kommen gegen Abend an, die Sonne ist durch dicke Wolken verhüllt. Romy wird aus Enttäuschung ungehalten. Kein gutes Licht, keine guten Bilder, schimpft sie und zeigt mir verschiedene Bilder aus Prospekten, die wirklich schön sind. Die Säulen strahlen dort goldfarben, während die vor uns jetzt grau sind und wie Betonpfeiler aussehen. Doch es liegt nicht in meiner Macht die Sonne scheinen zu lassen. Und als es dann noch zu regen anfängt, ist Romys gute Laune endgültig dahin. Im strömenden Regen fahren wir zurück nach Cervantes zum Campingplatz. „Die Wettervorhersage für morgen ist schlecht“, beantwortet die Frau im Campingbüro unsere Frage, „erst in drei Tagen sollte es wieder sonnig sein“. Romy ist so frustriert, dass sie (zugegeben mit meiner Hilfe, ich kann sie ja mit diesem Frust nicht alleine lassen) eine ganze Tafel Schokolade verspeist währen der Regen laut auf das Autodach trommelt.

Es geschehen manchmal Wunder. Entgegen der Wettervorhersage scheint am Morgen die Sonne. Ohne Frühstück verlassen wir eilig den Campingplatz und fahren wie die Feuerwehr in den Park. Es sind 15 Kilometer und die Sonne kann es sich jederzeit wieder anders überlegen. Doch Glück gehabt, sie tut es nicht und Romy kann nun in Ruhe ihre erträumten Bilder schiessen. Natur pur, denn es hat hier noch keine Besucher - wir sind die Ersten im Park!



Nun sind wir alle zufrieden, holen das Frühstück nach und fahren weiter Richtung Süden. Wir besuchen unterwegs noch den Yanchep National Park mit einem schönen See. Der Park ist auf Wochenendbesucher aus Perth ausgerichtet. Wir bekommen hier zum ersten Mal die putzigen Koalabären zu sehen. Am nächsten Tag erwartet uns eine andere Art von Wildnis, nämlich eine Stadtwildnis. Wir werden Perth, die Hauptstadt Westaustraliens erreichen.


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