Donnerstag, 27. September 2012

Wenn einer eine Reise tut…

…hat er nicht nur schöne und angenehme Erlebnisse, sondern auch andere – aber davon später.
Zuerst fahren wir weiter nach Norden. Hier ist Laos sehr hügelig und es leben in dieser Region viele verschiedene Ethnien, Hill Tribes, also Bergstämme, wie sie genannt werden. Um möglichst viel über sie zu erfahren und ihre Dörfer kennen zu lernen, buchen wir eine Tour.


 Bald sind wir aber regelrecht überfordert, denn es gibt so viele Stämme und jeder hat seine eigenen Gebräuche und Trachten, errichtet verschiedene Arten von Häusern, redet unterschiedliche Sprachen und baut vorzugsweise andere Pflanzen an. Früher haben viele der Stämme Opium angebaut. Durch die Politik der Regierung verbunden mit Umsiedlung und der Einführung anderer Verdienstmöglichkeiten ist die Kultivierung von Opium angeblich verschwunden.

„Vielleicht, irgendwo an versteckten Orten in den Bergen ist es noch möglich“, gibt unser Guide zögernd zu. Schliesslich befinden wir uns hier im berühmt, berüchtigten „Goldenen Dreieck“ an der Grenze von Laos, Myanmar und China.“ Angebaut wird aber nur noch für den Eigengebrauch“, betont er. Die Menschen verdienen jetzt ihren Unterhalt mit Kautschuk-Bäumen. Die Folgen für die Umwelt sind umstritten, denn dafür wird der Wald gerodet und es entstehen riesige Monokulturen.

Wir sind jetzt nur noch 19 km von der chinesischen Grenze entfernt. Hier wären wir eingereist, wenn die chinesischen Behörden in diesem Jahr Tibet nicht gesperrt hätten. Eine perfekt ausgebaute Strasse verbindet China mit Thailand, die sonst keine gemeinsame Grenze haben. Riesige Lastwagen pendeln zwischen den beiden Grenzübergängen und geben Zeugnis vom regen Warenaustausch. Ganz gemütlich erreichen wir Houay Xai, eine kleine Stadt am Mekong. Hier verbringen wir unsere letzte Nacht in Laos.


Die Brücke über den Fluss ist noch im Bau, wir müssen eine Fähre benutzen um rüber nach Thailand zu gelangen. Wir verabschieden  uns von diesem magischen Fluss, dem wir auf einer Länge von gut
2000 km gefolgt sind. Leider wird der Abschied anders als wir uns vorgestellt haben. Die Fähre legt am anderen Ufer an, und dann passiert es…

Romy steigt als erste aus, um mich beim Verlassen der Fähre zu fotografieren. Die Ausfahrt ist schlammig, und ohne überhaut reagieren zu können rutscht sie aus und stürzt zu Boden. Während ich mich um die Einreiseformalitäten kümmere, sitzt sie wie ein Häufchen Elend auf einer kleinen Mauer. Es wird auch mir als Laie klar, dass hier etwas nicht stimmt. Zum Glück im Unglück sind wir in Thailand, wo das Gesundheitswesen  recht gut ist und es gibt in diesem Grenzort ein Spital. Unser GPS weiss sogar den Weg und so fahren wir so schnell wie möglich hin. Liebevoll kümmern sich die Krankenschwestern um Romy. Ihre Schulter wird geröntgt und der Notfallarzt stellt die Diagnose – der Oberarmknochen (Humerus) ist gebrochen. Da es in diesem Spital keinen Orthopäden gibt und man glaubt, dass eine Operation nötig ist, schickt man uns in ein etwa 120 km entferntes Spital in der Provinzhauptstadt Chiang Rai. Dort macht man in der Notaufnahme alle Vorbereitungen wie EKG etc. für die Operation. Als der Facharzt nach Stunden kommt – es ist mittelweile spät am Abend – meint dieser, eine Operation sei nicht nötig. So wird den Oberarm und die Schulter vergipst und Romy auf die Station gebracht, sie muss diese Nacht im Spital bleiben. Ich schlafe im Bus auf dem Parkplatz nebenan. Von Schlafen kann man aber nicht reden. Tausende Gedanken kreisen in meinem Kopf. Wird Romy gesund? Wie geht es weiter…

Und so lernen wir ein thailändisches Spital von innen kennen. Eine Erfahrung, auf die wir gerne verzichtet hätten. Das Spital (es ist eine private Stiftung) macht einen guten Eindruck und alle Angestellten sind sehr freundlich. Romy ist hier gut aufgehoben, einzig die Sprache ist teilweise ein Problem. Was uns auffällt, ist eine viel kleinere Anzahl an Krankenschwestern als bei uns. Die Pflege der Kranken wird grossenteils von den Angehörigen übernommen. Es ist auch ganz normal, dass diese die ganze Nacht auf einer Matte schlafend neben dem Krankenbett verbringen. Romy liegt in einem Vierbettzimmer und es sind teilweise bis zu 20 Menschen anwesend, vor allem zu den Essenszeiten. Nach der Arztvisite wird Romy nach Hause entlassen. Doch wir sind bekanntlich zurzeit unterwegs zu Hause. Ob es weitergehen kann ist noch unklar. Da Romy nicht in unser Bett im Auto kriechen kann, checken wir in ein Hotel ein. Die unterschiedlichen Aussagen betreffend einer Operation des Armes verunsichern uns. Romy ruft die REGA (Schweizerische Rettungsflugwacht) an und fragt nach medizinischem Rat. Es funktioniert ausgezeichnet mit Schweizer Präzision. Per E-Mail schicken wir die abfotografierten Röntgenbilder und bald ruft die Ärztin zurück. Es handelt sich um einen Grenzfall, in der Schweiz würde man wahrscheinlich operieren, meint sie. Ihr Ratschlag ist, nach einer Woche Vergleichsbilder machen zu lassen. Dann, je nachdem, wie der Knochen zusammen wächst, muss operiert werden. Romy entscheidet sich erstmals, diese eine Woche abzuwarten. Allerdings fahren wir nach zwei Tagen nach Chiang Mai, der grössten Stadt im Norden Thailands. Ein Tag sind wir unterwegs und testen dabei, ob das Reisen auf dieser Art und Weise überhaupt möglich ist. Chiang Mai hat eine schöne Altstadt mit sehr vielen Tempeln. Das nehmen wir nur am Rande wahr. Uns beschäftigt die Frage, was die neuen Röntgenbilder zeigen werden, denn nach der Auskunft der REGA-Ärztin sollte eine Operation innerhalb von 10 Tagen erfolgen.

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