Montag, 11. September 2017

Der Kluge fährt im Zuge

Der Anschluss an die Rovos-Gruppe in Dar es Salaam klappt gut. Ab jetzt  werden wir gut behütet und begleitet. Doch die Reise mit - dem luxuriösesten Zug der Welt, wie die Werbung verkündet – beginnt mit einem Ausflug mit einem gewöhnlichen Bus nach Bagamoyo, etwa 65 Km nördlich gelegen. Die Stadt zieht sich in Länge und der Verkehr ist afrikanisch. Bagamoyo war die Hauptstadt der Kolonie Deutsch-Ostafrika und früher auch ein wichtiger Umschlagplatz für Sklaven auf dem Weg nach Sansibar. Aus dieser Zeit sind ein paar, mehrheitlich verkommene Gebäude übrig geblieben. Nach der Rückkehr gibt es im Hotel „Wellcome Diner“ für alle Reisende.

Am nächsten Morgen werden wir zum Bahnhof der TAZARA (Tanzania – Zanbia Railway) gefahren. Diese Bahn wurde von den Chinesen für den Transport von Kupfer aus Sambia gebaut. Der Bahnhof ist riesig, doch viele Züge verkehren hier nicht. Wir werden direkt auf den Bahnsteig gefahren, wo uns die Samba Gruppe der Polizeischule mit ihren heissen Rhythmen begrüsst. Die Zugchefin heisst uns willkommen, ein Glas Sekt darf nicht fehlen  und dann werden wir zu unseren Abteilen geführt. Unseres hat 10 m2 mit Dusche und WC. Ja, da muss unser VW Bus noch etwas wachsen… Die Wagons sind aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts und liebevoll restauriert. Als Eingeständnis an die moderne Zeit gibt es nur eine Klimaanlage und einen Kühlschrank. Der Zug ist etwa 500 Meter lang und setzt sich zusammen aus 12 Schlaf-, 2 Speise-, Lounge-, Bar- und Küchenwagen. Dazu kommen die Wagons für das Personal, Generator, Wäscherei, Kühlräume, Vorräte und Material (insgesamt 21 Wagons). Auch ein Kesselwagen mit Diesel für die Loks und Generatoren ist dabei. Fast alles wird von Südafrika mitgenommen, man ist von lokalen Quellen unabhängig, da diese unzuverlässig sind. Am Ende des Zuges befindet sich noch ein Aussichtswagen. Alles wird von zwei Lokomotiven gezogen. Fernseher, Telefon und Internet fehlt gänzlich. 
Man legt sehr grossen Wert darauf, dass man wie anfangs des letzten Jahrhunderts reist, damals hat es diese Dinge ja auch nicht gegeben. Und schon bald ruft uns ein Gong zum Mittagessen. Alles sehr vornehm, Viergangmenü und ein grosser Auswahl südafrikanischer Weine. Ein Ruck geht durch den Zug, wir fahren los, es sind die ersten Kilometer auf der fast 6000 Kilometer langen Reise durch den halben Kontinent bis nach Kapstadt.
Wie es in Afrika (leider) oft üblich ist, wird auf den Unterhalt der Infrastruktur nicht sehr viel Wert gelegt. Das merken wir schon bald, denn die Schienen werden nur notdürftig unterhalten und der Zug schaukelt und schlingert manchmal bedenklich. Auch viele entgleiste Güterwagen neben den Gleisen lassen kein gutes Gefühl aufkommen. Aber der Zug ist von Kapstadt bis hierher gefahren, so wird er es auch zurück schaffen, beruhigen wir uns. Und die Unfallstatistik von Rovos Rail verzeichnet keine grösseren Unfälle. Der Zug fährt auch nicht allzu schnell, nur ganz  selten erreicht er die Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h, oft sind es aber nur 5 km/h. Von Zeit zu Zeit bleibt er auch lange  stehen, denn die Strecke ist eingleisig und man muss den Gegenzug abwarten. Langsam verlassen wir dies besiedelten Gebiete und Dar es Salaam liegt hinter uns. Die Landschaft wird immer trockener. Es gibt nur wenige Dörfer, riesige Baobabs beherrschen das Landschaftsbild. Die Nacht bricht herein. Gleich neben den Gleisen brennt der Busch, das trockene Grass wird abgebrannt. Gespenstisch flackern die Flammen bis zum Horizont.

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, eine Safari in Selous Game Reserve steht auf dem Programm. Die Jeeps stehen direkt neben den Gleisen bereit und gleich geht es los. Wir wurden gewarnt, dass es hier nur wenige Tiere zu sehen gibt, da das Schutzgebiet relativ neu ist. Doch wider Erwarten sehen wir viele Tiere – Impalas, Zebras, Giraffen, Affen, Gnus und Hippos.


Der Höhepunkt ist aber eine Löwenfamilie die nur wenige Meter von uns unter einem Busch liegt. Da wir ja vornehm reisen, wird uns am Schluss unter einem mächtigen Baobab ein Apéro mit kühlen Getränken serviert.
Langsam stellt sich bei uns der Rhythmus des Zugsreisens ein. Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Für Letzteres wird vornehme Kleidung erwartet. Die Englischsprechenden Gäste halten sich besser an die Vorgabe als die Deutschsprechenden. Zwischen den Ausflügen und den Mahlzeiten gibt es interessante Vorträge über Land und Leute, oder eine Fahrt zu den Chisimba Wasserfällen bei Kasama. Sie liegen in einer schönen Landschaft. Leider wird sehr viel Wasser zur Elektrizitätserzeugung abgeleitet. Wie ein Film läuft die afrikanische Landschaft mit allen ihren Fassetten an den Fenstern des Zuges vorbei. Langsam bekommen wir eine Ahnung der Grösse Afrikas. Ab und zu kommen wir an einem Dorf oder einer kleinen Stadt vorbei. Kinder winken uns zu und davon gibt es in Afrika sehr viele. Sicher ist die Durchfahrt des Zuges für sie eine Sensation. Der Unterschied – zwischen ihrem und unserem Leben – würden sie kaum verstehen. Ja, die Welt ist manchmal ungerecht.
Heute kann der Zug endlich gewendet werden, bis jetzt  gab es dazu keine Möglichkeit. Erst in Kapiri Mposhi, wo sich die Bahn verzweigt, gibt es ein Gleisdreieck, wo das Wenden möglich ist. Nun ist der Aussichtswagen am Ende des Zuges und nicht gleich hinter den Lokomotiven. Damit verlassen wir die von den Chinesen erbaute TAZARA Bahn und fahren weiter auf der noch in Kolonialzeiten erbaute Linie. Der Zustand der Gleise verschlechtert sich entsprechend, der Zug schlingert noch mehr und kann nur sehr langsam fahren.
Dann passieren wir Lusaka, die Hauptstadt von Sambia, wir halten nur kurz am Hauptbahnhof. Sonst sehen wir nur Abfallberge entlang der Bahnlinie. Nur noch ein paar Tage Fahrt und dann kommt der grösste Höhenpunkt der Reise – die Victoriafälle am Sambesi. Aber davon im nächsten Beitrag, wenn wir wieder Internetzugang haben.



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