In Jodhpur haben wir das Glück beim 554 jährigen
Stadtgründungstag dabei zu sein. Eigentlich ist diese unrunde Zahl nichts
Besonderes. Aber beim 550 jährigen Jubiläum vor vier Jahren hat man mit
Bedauern festgestellt, dass es kein Denkmal gibt, das an den Stadtgründer
erinnert. In den vergangenen vier Jahren wurde fleissig Geld gesammelt und ein
bekannter, indischen Bildhauer beauftragt, eine Reiterstatue vom Gründer zu
schaffen.
.
Heute ist der grosse Tag, die Statue wird enthüllt. In einem grossen
Zelt werden lange Reden gehalten, selbst der heutige Maharadscha mit seiner
Maharani ist dabei und er ist, wie es den Eindruck macht, beim Volk sehr
beliebt. Unzählige Schulklassen wurden herbei gekarrt, auch
Verwaltungsangestellte und natürlich das gemeine Fussvolk darf nicht fehlen.
Den farbenprächtigsten Beitrag leistet aber die indische Armee mit einer
berittenen Kameleinheit. Die Kamele sind bunt geschmückt, tragen an den Beinen
Messingringe und viele kleine Glöcklein. Die Soldaten wurden in prächtigen
Galauniformen gesteckt und bunte Fahnen flattern durch die Luft. Nach den
vielen, unendlichen Reden begibt sich die ganze Gesellschaft zu Fuss in
Begleitung von Militärmusikanten in Paradeuniformen und
der erwähnten Kameleinheit zu dem Ort, wo die verschleierte Statue auf ihre
Enthüllung wartet. Diesen besonderen Moment hat man natürlich gut durchdacht,
mit Hilfe eines Gasballons sollte das Tuch auf Befehl des Maharadschas in die
Höhe gehoben werden. Da aber in Indien selten etwas auf Anhieb klappt, wird nun
die perfekte Durführung durch den Wind verhindert, das Tuch verfängt sich an
der Statue und nur dank einem mutigen Helfer, der auf das Denkmal klettert,
wird es freigegeben. Das Volk klatscht begeistert. Wir finden das Denkmal aber
nicht besonders gelungen. Zur Feier des Tages wir das Fort heute gratis zur
Besichtigung freigegeben. Auf diese Gelegenheit haben scheinbar sehr viele Bewohner
von Jodhpur gewartet und bald ist es dort etwa so eng wie in Zürich beim
Stadtfest an der Quaibrücke
.
Nun fahren wir in die Wüste nach Jaisalmer. Sanddünen
gibt es leider nur an ein paar wenigen Stellen. Sonst ist sie mit niedrigen
Akazien und Büschen bewachsen. Garantiert wüstenhaft sind nur die Temperaturen.
In Jaisalmer finden wir ein wunderschönes Hotel in einem ehemaligen Palast. In
dem riesigen Gebäude mit über 80 Zimmern sind wir die einzigen Gäste und darum und
dank Romy’s harten Verhandlungen bekommen wir mehr als 50% Rabatt. Es ist ein
komisches Gefühl in einem so grossen und schönen Hotel die einzige Gäste zu
sein. Aber wir geniessen es, auch wenn wir über die vielen Angestellte an jeder
Ecke stolpern. Zur Besichtigung in Jaisalmer gibt es vor allem das Fort, das
mit seinen Wällen und Bastionen, die noch mit Kanonen bestückt sind, auf einem hohen
Felsen die Stadt beherrscht. Weiter finden wir sehr schöne Haveli (Paläste
reicher Kaufleute) und einen kleinen See.
Da die Temperaturen unerträglich sind (ich weiss, ich
wiederhole mich) haben wir unseren ursprünglichen Plan, ein mehrtägiges
Kameltrekking zu machen, geändert und uns nur für eine dreistündige Kamelsafari
zu Sonnenaufgang in der Wüste entschieden. Es wäre für die Kamele (die
zweibeinigen) einfach zu heiss. Es geht in die Wüste zu einem Ort, wo die
Grabmäler der früheren Maharadschas liegen.
Leider – und das hat man uns
verschwiegen – hat man in diese Wüste in den letzten Jahren umfangreiche
Windparks gebaut. Ja, eine Kamelsafari unter den drehenden Windturbinen ist
etwas ungewohnt. Ungewohnt für uns sind auf dem Rückweg vor der Stadt auch die vielen
Inder, die ihr morgiges Geschäft im Freien verrichten. Es stört sie überhaupt
nicht, wenn wir hoch zu Kamel an ihnen vorbei marschieren. Das Geschäft, wenn einmal
angefangen, wird zu Ende geführt und anschliessend mit Wasser aus einer
mitgeführten Flasche die entsprechende Stelle gereinigt. Zuschauer hin oder her,
man lässt sich nicht vom wesentlichen abbringen. Ja, wie es so schön heisst –
andere Länder, andere Sitten.
Jaisalmer ist eine ruhige Stadt, übersichtlich, nicht
allzu hektisch, der Verkehr auf indische Verhältnisse mässig. Uns gefällt es
hier am besten von allen besuchten Städten in Rajasthan.
Doch noch liegt
Bikaner vor uns, etwa 330 km entfernt. Hier ist es vorbei mit der Ruhe. In den
engen Gassen der Altstadt bricht der Verkehr dauernd zusammen, es macht keinen
Spass mehr hier in mit Abgase geschwängerter Luft zu spazieren und die schönen
Havelis zu suchen. Zudem haben sie ihre besten Zeiten längst hinter sich und
dämmern dem Verfall entgegen. Nur das Fort trotzt noch den Unbilden der modernen
Zeit. Eine verschwitzte Touristen Gruppe (alle über 70) verlässt gerade das Tor
und eilt zum klimatisierten Bus. Was tun sich die Leute an – oder war diese
Reise vielleicht ein Schnäpchen?
Mit einem Lokalbus fahren wir nach Deshnok. Deshnok wäre
eigentlich den Abstecher nicht wert, wenn es dort nicht einen Tempel gäbe. Auch
der Tempel ist an sich nicht besonders. Was ihn aber zu einer der kuriosesten
Sehenswürdigkeiten Indiens macht sind die Ratten, die zu Hunderten im Tempel
Karni Mata leben. Die Einheimischen glauben, dass es gerettete Seelen sind und
bringen ihnen Nahrung. Als besonders Glückbringend gilt, das von den Ratten
angeknabberte Essen zu verspeisen. Besonders gern haben die Ratten Milch.
Vielleicht 30 und mehr trinken gemeinsam aus einer grossen Schale. Es ist schon
ein komisches Gefühl barfuss (indische Tempel darf man nur ohne Schuhe
betreten) zwischen den vielen Ratten umherzulaufen. Und eklig dazu, denn die
Ratten lassen ab und zu etwas abfallen… Man muss höllisch aufpassen um nicht
auf eine Ratte zu treten, das würde komplizierte Opfergaben zur Folge haben.
Die Ratten machen einen degenerierten Eindruck obwohl sie Nahrung im Überfluss
haben. Vielleicht ist es Inzucht oder sind die indischen Ratten so, wer weiss? Ich
für meine Seite bin froh wenn wir wieder draussen sind und die Füsse waschen
können.
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