Dienstag, 10. Juli 2012

Tagebuch einer Verschiffung I


Um von Indien nach Südostasien zu gelangen gibt es zurzeit auf dem Landweg keine Möglichkeit. Uns bleibt als letzte Variante, von Kolkata aus nach Malaysia zu verschiffen. Und Verschiffen heisst, das Auto  in einen Container zu verladen und wir selber müssen fliegen. Um das unglaublich undurchschaubare Vorgehen etwas anschaulicher zu machen werde ich es in Form eines Tagebuches schildern.

30.06. Samstag: Wir erreichen Kolkata am frühen Nachmittag. Chaotischer Verkehr, aber es sind die letzten Kilometer in Indien, tröste ich mich. Die Suche nach einem Hotel beginnt. Das Guest House, das uns Jan empfohlen hat, verfügt nur über einen kleinen Parkplatz, sie erlauben uns nicht dort unser Auto abzustellen. Also weitersuchen, denn wir wollen den Brummi nicht auf der Strasse parkieren. Nach der erfolgreichen Suche gehen wir spät essen und dann ist relaxen angesagt. Das Hotel heisst „Dee Empresa“, ist nicht gerade billig, aber sehr sauber und hat Wi-Fi, das werden wir in den nächsten Tagen unbedingt brauchen
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01.07. Sonntag: Heute ist alles geschlossen, wir verbringen die Zeit mit Stadtbesichtigung. Sehenswert ist nicht viel in dieser Stadt und die Entfernungen sind gross. Am meisten gefällt uns das Victoria Memorial, ein Gebäude aus weissem Marmor, noch aus der Kolonialzeit.

02.07. Montag: Es geht los. Wir haben einige Adressen, die klappern wir ab und lernen eine Menge dabei. Es gibt 20 und 40 Fuss (Länge) Container, dann noch HQ, open top and flat rack Container. Bald stellt sich heraus, dass wir wegen der Höhe unseres Autos einen HQ Container brauchen, Und diesen gibt es in Indien nur als 40 Fuss Container. Heisst, die Angelegenheit wird recht teuer. Übrigens macht uns keiner der Agenten einen Kostenvoranschlag. Angeblich setzt sich der Preis aus vielen Komponenten zusammen, die zuerst abgeklärt werden müssen.
Heute hat es angefangen zu regnen. Auch die Temperatur ist um einiges tiefer. Wir haben den Monsun, der übrigens schon zwei Wochen Verspätung hat, nach Kolkata gebracht.

03.07. Dienstag: Noch einmal kontaktieren wir die gestern angesprochenen Agenturen. Wir werden auf Nachmittag vertröstet, dann auf Morgen. Inzwischen passiert etwas Unerwartetes. Ich will meinen Augen nicht trauen als ich in der Nähe von unserem Hotel einen VW Bus mit französischen Kennzeichen auf der Strasse sehe. Wir lassen dort einen Zettel, bis am Abend meldet sich niemand.

04.07. Mittwoch: Der Franzose meldet sich. Er will sein Auto auch verschiffen und ist bereits in Verhandlungen mit einer Agentur. Da wir ja den 40 Fuss Container brauchen in welchen zwei Autos Platz haben, beschliessen wir zusammen zu spannen. Die Agentur macht uns einen interessanten Preis. Wir werden noch in andere Büros gefahren, viele Formulare werden ausgefüllt und unterschrieben. Es scheint wir haben Glück. Der einzige Wermutstropfen ist, dass das Schiff erst am 13. Juli ablegt.

05.07. Donnerstag: Der erste grosse Dämpfer. Die Agentur teilt uns mit, dass es aus administrativen (rechtlichen?) Gründen nicht möglich ist zwei Autos von verschiedenen Besitzern in einen Container zu laden. Indische Gesetze und Vorschriften folgen einer anderen Logik. Der Traum vom günstigen Preis schwindet dahin, wir müssen den 40 Fuss alleine berappen. Es sind USD 1700, alle Gebühren auf der indischen Seite sollen in diesem Preis enthalten sein. Auch buchen wir den Flug nach Kuala Lumpur für den 14.07., denn eine Flugbestätigung will die Schiffsagentur auch noch von uns.

06.07. Freitag: Der zweite Dämpfer. Das, was wir von anderen Overländern immer wieder gehört haben, nämlich, dass die Zöllner in Kolkata sehr korrupt sind, bewahrheitet sich. Ob das die Agentur gewusst oder erst jetzt erfahren hat, bleibt fraglich. Mit dem Schmiergeld sind die Zöllner gar nicht kleinlich. Gut USD 450 verlangen sie für ihre Diente – eigentlich nur einen Stempel im „Carnet de Passage“, ein Dienst, der bei der Ausreise an einer Landesgrenze noch nie etwas gekostet hat. Das sind in Indien mehr als zwei Monatslöhne eines Facharbeiters. Wir ärgern uns grün und blau. Das Schlimmste daran – wir können dagegen nichts machen, denn der Seeweg ist die einzige Möglichkeit unser Auto aus dem Land zu bringen. Als Alternative käme nur die Ausreise nach Pakistan in Frage und das ist uns zu gefährlich. Das alles wissen die Zöllner natürlich und so können sie ihre Forderungen in die Höhe schrauben.

07.07. Samstag: Heute sind wir genau eine Woche hier. Zuerst scheint nicht viel zu passieren, dann bekommen wir die Nachricht, dass heute das Auto verladen wird. Mit den Leuten von der Agentur fahren wir etwa eine halbe Stunde zum Hafen. Der Container steht bereit. Wir haben grosse Bedenken, ob wir hineinfahren können, denn die Agentur hat mit der Gesamthöhe des Containers gerechnet, aber nicht bedacht, dass der Rahmen für das Einfahrtstor einiges niedriger ist. Ich montiere die Dachluke ab um ein paar Zentimeter zu gewinnen, dann machen wir den ersten, vorsichtigen Versuch. Weitere Massnahmen wären die Luft aus den Reifen rauszulassen. Doch es klappt, der Brummi steht in dem grossen Container ziemlich verloren. Wir lernen als weiteres Wort „lashing“ kennen. Drei Arbeiter mit einem Aufseher kommen um das Auto im Container mit dicken Stahlseilen festzuschnüren. Denn ein Container kann auf dem Schiff selber oder beim Verladen an den Kranseilen bedenklich schwanken. Ich will mir nicht auszumalen wie es ausgehen würde, wenn dabei das Auto anfangen würde im Container hin und her zu rollen. Die Arbeit zieht sich bis in die späten Abendstunden. Nur das vorgesehene Benzinabpumpen wurde „vergessen“, wir reklamieren nicht, denn wir haben den Tank fast halb voll. Der letzte Blick und ein Foto, dann wird die schwere Containertüre geschlossen und versiegelt. Ob wir den treuen Brummi je wiedersehen? Am Montag soll der Container in den Hafen zur Zollinspektion gefahren und dann am 12. Juli auf das Schiff verladen werden. Wenn es alles klappt… Der Weg zurück in die Stadt gestaltet sich sehr schwierig, denn in der Hafennähe ist zu dieser Stunde kein Taxi aufzutreiben.


08.07. Sonntag: Da heute nicht gearbeitet wird hoffen wir auf einen ruhigen Tag. Wir machen Tempelbesichtigungen und eine Bootsfahrt auf dem Ganges.

09.07. Montag: Zuerst fahren wir zum thailändischen Konsulat für das Visa, denn an der Grenze gibt es nur eine Bewilligung für 15 Tage. Beim Mittagessen lernen wir eine Gruppe junger Mädchen aus Spanien kennen. Sie sind für einen Monat hier um Freiwilligenarbeit im „Mutter Theresa Haus“ zu machen. Nachmittag wieder Besuch bei der Agentur. Wir bekommen die Rechnung und gleichzeitig sollen wir eine Unbedenklichkeitsbestätigung des Automobilclubs von Indien vorlegen. Dieser Klub hat wirklich mit uns nicht zu tun, so lehnen wir ab.

10.07. Dienstag: Wir holen die Pässe beim thailändischen Konsulat ab. Wenigstens etwas hat geklappt. Allerdings bringt der Taxifahrer es fertig 146 Rupien auf den Taxameter zu fahren, wo es normalweise um die 90 Rupien kostet. Bei der Rückfahrt machen wir einen Fixpreis von 100 Rupien ab. Beim Hotel sind auf dem Taxameter allerdings nur 55 Rupien. Kaum im Hotel kommt den Anruf von der Agentur, wir sollen die Pässe bringen, der Zoll will die Originale mit den Kopien vergleichen. Es scheint, die Beamten nehmen ihre Arbeit sehr ernst. Kaum haben wir das erledigt und sind wieder im Hotel, folgt der nächsten Anruf von der Agentur. Wir müssen dringend in den Hafen fahren, denn die Leute können die Chassis- und Motornummer nicht finden. Also ab mit dem Taxi zum Hafen. Ein grosses Problem stellt sich uns in den Weg. Es ist in Indien Ausländern nicht erlaubt einen Hafen zu betreten. Also muss eine Spezialbewilligung her. Das braucht seine Zeit und längere Diskussionen, immer höhere Chefs werden geholt. Dann dürfen wir das Gelände betreten. Interessanterweise braucht Romy aber keine Bewilligung, sie kann einfach mitkommen. Der Container wird geöffnet und ich sehe den Brummi wieder – so schnell habe ich es wirklich nicht erwartet. Nach dem Vergleichen der beiden Nummern dürfen wir wieder gehen. Noch ist das Auto nicht durch den Zoll und bis es auf dem Schiff ist kann noch viel passieren. Die Fortsetzung dieser Story folgt sicher am nächsten Tag. Mehr davon im Teil II.

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