Sonntag, 24. Juni 2012

Das Land hinter den sieben Bergen II


Von Leh aus machen wir verschiedene Ausflüge, zuerst ins Nubra Tal. Es geht über einen Pass von über 5606 Metern, angeblich die höchste mit Auto befahrbare Stelle der Welt. Der Pass ist nicht zu unterschätzen. Auf dem Weg nach Nubra sind wir auf der Passhöhe über zwei Stunden blockiert, weil ein Militärlastwagen einen Achsbruch erlitten hat.
 Zwei Stunden in dieser Höhe ist nicht ganz ohne – die Luft ist dünn, zum Glück müssen wir uns nicht gross bewegen. Auf dem Weg zurück kommt es noch schlimmer – eine Nassschneelawine hat die Piste verschüttet und gleich zwei Autos mitgerissen, es gibt Tote zu beklagen. Eigentlich ist es Unsinn in diesem Gebirge Strassen zu bauen, wo doch nur Nomaden leben. Der Grund ist aber klar – die Grenze zu Pakistan und China ist nah und vor allem ist sie nicht definitiv festgelegt. Jedes der drei Länder macht Ansprüche auf das Territorium des Nachbarn. Darum die enorme militärische Präsenz hier - um das eigene Land zu verteidigen und die Ansprüche zu bekräftigen. (Auf der anderen Seite der Grenze ist es genau so, wie wir in Tibet gesehen haben). So stehen sich in diesem unwirtlichen Gebirge Tausende von Soldaten gegenüber, die acht Monate im Jahr eingeschneit sind - den Steuerzahler freut es. Jetzt, in dieser kurzen Sommerzeit, muss man allen Nachschub hierher bringen, denn im Winter sind die Stellungen nur aus Luft erreichbar. Unendliche Kolonen von Militärlastwagen quälen sich die engen Pistenkehren hoch über Bergübergänge, die schlecht eingestellten Dieselmotoren verpesten die klare Gebirgsluft. Und die anderen Verkehrsteilnehmer sind zum Warten verurteilt.

Unser zweiter Ausflug bringt uns zum Pangong Lake. Dieser grosse See, ein Teil liegt bereits in Tibet, ist eingebettet wie ein blauer Juwel inmitten einer fantastischen Berglandschaft. 


Die ganze Umgebung ist ein Naturschutzgebiet. Von den Wildtieren sehen wir nur Murmeltiere und Wildesel. Um diese Gebiete zu betreten brauchen wir immer eine spezielle Bewilligung, die aber problemlos in Leh zu erhalten ist. An jedem Check Point muss man eine Kopie davon abgeben die dort vermutlich auf Ewigkeit verstaubt.

Als wir aus Leh weiterfahren wollen, passiert uns ein Missgeschick. Romy will noch schnell Geld an einem Bankomaten beziehen. Wir hören schon das angenehme Rattern, wie die Maschine das Geld abzählt als der Strom ausfällt. Jetzt stehen wir da, verdutzt, kein Geld und die Karte kommt auch nicht zurück, dazu ist Sonntagnachmittag, die zuständige Bank natürlich geschlossen. Es bleibt uns nichts anderes übrig als unsere Abreise um einen Tag zu verschieben. Am Montag können wir alles mit der Bank regeln, Romy hat ihre Postkarte wieder und dazu eine Bestätigung, falls das Geld schon abgebucht wurde.

Dann fahren wir los. Die nächste Nacht verbringen wir in der Residenz des Dalai Lama. Leider nicht drinnen sondern nur auf dem Parkplatz davor. Die Residenz wird jetzt auf Vordermann gebracht, man erwartet Seine Heiligkeit ungefähr in einem Monat.


Wir besuchen noch zwei weitere Klöster und dann nehmen wir die berühmt - berüchtigte Manali Highway unter die Räder. Diese Gebirgstrasse, die Manali mit Leh verbindet, ist nur von Mitte Juni bis Mitte September geöffnet, die übrige Zeit sind die Pässe eingeschneit. Sie wurde unter enormen Aufwand gebaut um eine Alternative zu der Srinagar-Strasse zu haben. Auch da hat das Militär seine Hand im Spiel. Das interessiert uns aber nicht, denn die Gebirgslandschaft ist im wahrsten Sinn des Wortes atemraubend.

Wir wähnen uns wieder in Tibet. Hohe Pässe, weite Täler, Seen, tiefe Schluchten, wilde Flüsse und Einsamkeit. Nur selten fährt ein Lastwagen mit Treibstoff nach Ladakh oder ein Jeep, der Fahrgäste von Manali nach Leh bringt. Mühsam kommen wir vorwärts, es gilt insgesamt fünf Pässe zu überwinden, vier davon um die 5000 Meter hoch. Auf der ganzen Länge von 480 Km gibt es keine Tankstelle und so waren wir gut beraten alle Kanister zu füllen, denn der Brummi genehmigt sich wegen der Höhe und der schlechten Piste schon gerne über 22 Liter Benzin. Wir sind drei Tage unterwegs, dann kommt der letzte Pass. Es ist eigentlich der niedrigste von allen, nicht ganz 4000 Meter hoch. Er bildet aber das erste Hindernis für die von Süden anziehenden Wolken und deswegen bekommt er am meisten Niederschläge. Obwohl die vorherigen höheren Pässe fast schneefrei waren, ist dieser noch tief verschneit. Mühsam kämpfen wir uns die Nordseite hoch. Schmelzwasser läuft über die Piste, wilde Gebirgsbäche sind zu durchfahren, es gibt lange Schlammpassagen, wir erleben alle Widrigkeiten zusammen  noch einmal zum Abschied von Himalaya. Dass die Strecke gefährlich ist zeigen mehrere abgestürzte Fahrzeuge, irgendwo in der Tiefe liegend. Am schlimmsten sind die engen Stellen, an welchen wir zwangsläufig am äussersten Rand der brüchigen Piste fahren müssen. Endlich oben angekommen denke ich Höhenkoller zu haben oder sind es vielleicht Halluzinationen? Hunderte von Autos sind am Rande der Piste geparkt, noch mehr Leute tummeln sich an den Schneehängen. Schneemobile fräsen herum, andere reiten oder versuchen sich im Skifahren am Idiotenhügel. Mit Schlitten oder bloss auf einem Gummireifen werden die ersten Erfahrungen im Schnee gemacht. Die Menschen, die sich hier austoben, sind alles indische Touristen aus dem Süden, die meisten sehen Schnee zum ersten Mal in ihrem Leben. Ihr Spass ist unser Frust, denn die Piste ist hoffnungsvoll verstopft. Nicht ein Naturhindernis erschwert uns die Weiterfahrt sondern die vielen Menschen mit ihren Autos. Jetzt am späten Nachmittag wollen sie alle in ihre Hotels nach Manali zurück. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass wir den letzten Abschnitt dieser wilden, aber wunderbaren Strasse von Leh nach Manali in einer Autokolone im „Stopp und Go Modus“ fahren werden. Trotzdem sind wir glücklich die Piste ohne Pannen und heil bewältigt zu haben. Nur der arme Brummi ist wieder verstaubt und schlammbespritzt - wie eh und je.

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