Von Leh aus machen wir verschiedene Ausflüge, zuerst ins
Nubra Tal. Es geht über einen Pass von über 5606 Metern, angeblich die höchste
mit Auto befahrbare Stelle der Welt. Der Pass ist nicht zu unterschätzen. Auf
dem Weg nach Nubra sind wir auf der Passhöhe über zwei Stunden blockiert, weil
ein Militärlastwagen einen Achsbruch erlitten hat.
Zwei Stunden in dieser Höhe
ist nicht ganz ohne – die Luft ist dünn, zum Glück müssen wir uns nicht gross bewegen.
Auf dem Weg zurück kommt es noch schlimmer – eine Nassschneelawine hat die
Piste verschüttet und gleich zwei Autos mitgerissen, es gibt Tote zu beklagen.
Eigentlich ist es Unsinn in diesem Gebirge Strassen zu bauen, wo doch nur
Nomaden leben. Der Grund ist aber klar – die Grenze zu Pakistan und China ist
nah und vor allem ist sie nicht definitiv festgelegt. Jedes der drei Länder
macht Ansprüche auf das Territorium des Nachbarn. Darum die enorme militärische
Präsenz hier - um das eigene Land zu verteidigen und die Ansprüche zu
bekräftigen. (Auf der anderen Seite der Grenze ist es genau so, wie wir in
Tibet gesehen haben). So stehen sich in diesem unwirtlichen Gebirge Tausende
von Soldaten gegenüber, die acht Monate im Jahr eingeschneit sind - den
Steuerzahler freut es. Jetzt, in dieser kurzen Sommerzeit, muss man allen
Nachschub hierher bringen, denn im Winter sind die Stellungen nur aus Luft
erreichbar. Unendliche Kolonen von Militärlastwagen quälen sich die engen
Pistenkehren hoch über Bergübergänge, die schlecht eingestellten Dieselmotoren
verpesten die klare Gebirgsluft. Und die anderen Verkehrsteilnehmer sind zum
Warten verurteilt.
Unser zweiter Ausflug bringt uns zum Pangong Lake. Dieser
grosse See, ein Teil liegt bereits in Tibet, ist eingebettet wie ein blauer
Juwel inmitten einer fantastischen Berglandschaft.
Die ganze Umgebung ist ein Naturschutzgebiet.
Von den Wildtieren sehen wir nur Murmeltiere und Wildesel. Um diese Gebiete zu
betreten brauchen wir immer eine spezielle Bewilligung, die aber problemlos in
Leh zu erhalten ist. An jedem Check Point muss man eine Kopie davon abgeben die
dort vermutlich auf Ewigkeit verstaubt.
Als wir aus Leh weiterfahren wollen, passiert uns ein
Missgeschick. Romy will noch schnell Geld an einem Bankomaten beziehen. Wir
hören schon das angenehme Rattern, wie die Maschine das Geld abzählt als der
Strom ausfällt. Jetzt stehen wir da, verdutzt, kein Geld und die Karte kommt
auch nicht zurück, dazu ist Sonntagnachmittag, die zuständige Bank natürlich
geschlossen. Es bleibt uns nichts anderes übrig als unsere Abreise um einen Tag
zu verschieben. Am Montag können wir alles mit der Bank regeln, Romy hat ihre
Postkarte wieder und dazu eine Bestätigung, falls das Geld schon abgebucht
wurde.
Dann fahren wir los. Die nächste Nacht verbringen wir in der
Residenz des Dalai Lama. Leider nicht drinnen sondern nur auf dem Parkplatz
davor. Die Residenz wird jetzt auf Vordermann gebracht, man erwartet Seine
Heiligkeit ungefähr in einem Monat.
Wir besuchen noch zwei weitere Klöster und dann nehmen wir
die berühmt - berüchtigte Manali Highway unter die Räder. Diese Gebirgstrasse,
die Manali mit Leh verbindet, ist nur von Mitte Juni bis Mitte September
geöffnet, die übrige Zeit sind die Pässe eingeschneit. Sie wurde unter enormen
Aufwand gebaut um eine Alternative zu der Srinagar-Strasse zu haben. Auch da hat
das Militär seine Hand im Spiel. Das interessiert uns aber nicht, denn die
Gebirgslandschaft ist im wahrsten Sinn des Wortes atemraubend.
Wir wähnen uns
wieder in Tibet. Hohe Pässe, weite Täler, Seen, tiefe Schluchten, wilde Flüsse
und Einsamkeit. Nur selten fährt ein Lastwagen mit Treibstoff nach Ladakh oder
ein Jeep, der Fahrgäste von Manali nach Leh bringt. Mühsam kommen wir vorwärts,
es gilt insgesamt fünf Pässe zu überwinden, vier davon um die 5000 Meter hoch.
Auf der ganzen Länge von 480
Km gibt es keine Tankstelle und so waren wir gut beraten
alle Kanister zu füllen, denn der Brummi genehmigt sich wegen der Höhe und der
schlechten Piste schon gerne über 22 Liter Benzin. Wir sind drei Tage unterwegs,
dann kommt der letzte Pass. Es ist eigentlich der niedrigste von allen, nicht
ganz 4000 Meter hoch. Er bildet aber das erste Hindernis für die von Süden
anziehenden Wolken und deswegen bekommt er am meisten Niederschläge. Obwohl die
vorherigen höheren Pässe fast schneefrei waren, ist dieser noch tief
verschneit. Mühsam kämpfen wir uns die Nordseite hoch. Schmelzwasser läuft über
die Piste, wilde Gebirgsbäche sind zu durchfahren, es gibt lange
Schlammpassagen, wir erleben alle Widrigkeiten zusammen noch einmal zum Abschied von Himalaya. Dass
die Strecke gefährlich ist zeigen mehrere abgestürzte Fahrzeuge, irgendwo in
der Tiefe liegend. Am schlimmsten sind die engen Stellen, an welchen wir
zwangsläufig am äussersten Rand der brüchigen Piste fahren müssen. Endlich oben
angekommen denke ich Höhenkoller zu haben oder sind es vielleicht Halluzinationen?
Hunderte von Autos sind am Rande der Piste geparkt, noch mehr Leute tummeln
sich an den Schneehängen. Schneemobile fräsen herum, andere reiten oder
versuchen sich im Skifahren am Idiotenhügel. Mit Schlitten oder bloss auf einem
Gummireifen werden die ersten Erfahrungen im Schnee gemacht. Die Menschen, die
sich hier austoben, sind alles indische Touristen aus dem Süden, die meisten
sehen Schnee zum ersten Mal in ihrem Leben. Ihr Spass ist unser Frust, denn die
Piste ist hoffnungsvoll verstopft. Nicht ein Naturhindernis erschwert uns die
Weiterfahrt sondern die vielen Menschen mit ihren Autos. Jetzt am späten
Nachmittag wollen sie alle in ihre Hotels nach Manali zurück. Nie hätte ich mir
vorstellen können, dass wir den letzten Abschnitt dieser wilden, aber wunderbaren
Strasse von Leh nach Manali in einer Autokolone im „Stopp und Go Modus“ fahren
werden. Trotzdem sind wir glücklich die Piste ohne Pannen und heil bewältigt zu
haben. Nur der arme Brummi ist wieder verstaubt und schlammbespritzt - wie eh
und je.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen