Heute wollen wir das Heimatdorf einer kurdischen Familie besuchen welche ich jahrelang in der Schweiz betreut habe und zu der auch heute noch ein guter Kontakt besteht. Sie haben mir im Laufe der Jahre so viel von ihrem Dorf erzählt, dass ich – jetzt wo wir so nah sind – diesen Ort unbedingt mit eigenen Augen zu sehen will.
Doch vorerst ist es gar nicht so einfach ein so kleines Dorf im riesigen Kurdistan ausfindig zu machen. Ich weiss nur den Namen und dass es in der Nähe von Elbistan liegt. Doch was heisst in der Nähe? Hier wird mit andern Massstäben gerechnet wie in der kleinen Schweiz. Ist es 5 oder 50 Kilometer von der Stadt entfernt? Wir fragen uns durch und finden immerhin heraus, dass es 30 Kilometer in Richtung Südosten liegt. Nicht aufgeben ist die Devise und tatsächlich finden wir das Dorf. Es besteht nur aus ein paar wenigen Häusern, an einem Hang auf 1400 Metern in einer rauen Landschaft gelegen. Wir haben das Glück, dass wir einen englisch sprechenden Mann treffen und von ihm erfahren wir einiges. Er arbeitet als Lehrer in Elbistan und kommt nur an den Wochenenden hierher, wo er ein kleines Haus, einen Garten und ein paar Hühner sein Eigen nennt.
Natürlich werden wir sofort zum Cay, dem türkischen Tee eingeladen. Mahmut erzählt uns, dass zwei seiner Kinder im Ausland leben und dass er sehr froh darüber ist. Nach seiner Ansicht haben die Kurden keine Zukunft in der Türkei, obwohl er eingestehen muss, dass sich die Situation in den letzten 10 Jahren etwas verbessert hat. Immerhin dürfen sie jetzt ihre eigene Sprache sprechen und ihre Musik hören. Doch das reicht bei weitem nicht. Der Osten der Türkei ist - im Gegensatz zum Westen - unterentwickelt. Es gibt hier kaum Industrie.
Bei einem Spaziergang durchs Dorf sehen wir erst, wie viele Häuser verfallen sind. Es leben nur noch fünf Familien hier, alle anderen sind abgewandert. Das Haus „meiner“ Kurdenfamilie ist aber nicht im Dorf direkt, sondern etwas ausserhalb in einem Weiler. Also machen wir uns auf den Weg dort hin und werden tatsächlich fündig. Vier Häuser stehen hier, doch welches gehört ihnen nun? Wir finden einzig eine alte Frau, die auf dem Boden sitzend aus Hülsenfrüchten die Bohnen ausschält. Ich frage nach Mehmet Polat und sie deutet stumm in eine Richtung. Doch damit kann ich nicht viel anfangen und gehe erst einmal zurück zum Auto. Es dauert nicht lange und eine andere Frau mit einem Kind taucht auf. Freudestrahlend ruft sie: „Mehmet Polat“ und deutet auf sich. Dabei drückt sie mich an ihren grossen Busen, dass mir angst und bange wird, ich könnte nicht mehr genügend Luft bekommen, wenn sie mich nicht bald loslässt. Dazu küsst sie mich ab und will mich gar nicht mehr loslassen. Auch Miro erfährt die gleiche Behandlung – keine Spur von Hemmungen gegenüber dem starken Geschlecht. Wenn ich ihren Wortschwall richtig deute ist sie die Schwester von Mehmet Polat. Wir müssen sofort in ihr Haus und werden mit heisser Milch und löslichem Kaffee bewirtet. Leider ist eine Verständigung nicht möglich da ich nur ganz wenige Brocken kurdisch verstehe und sie keine englisch spricht. Doch bald ist auch dieses Problem gelöst. Ali, der seit 20 Jahren in Basel lebt, wird „organisiert“. Er ist für einige Zeit hier bei seiner 96-jährigen Mutter. Mehmets Schwester kocht uns ein typisch kurdisches Gericht: Bulgür, eine Getreideart ähnlich wie Cuscus, mit Poulet und Tomatensalat. Es schmeckt köstlich. Zur Vorspeise kauen wir an frischen Kräutern mit Zwiebelgeschmack, die eben auf dem Feld geerntet wurden und dazu gibt es dünnes Fladenbrot.
Später trinken wir türkischen Kaffee bei Ali`s Mutter. Sie wohnt in einem alten Haus, doch alles ist blitz- blank sauber. Wir sitzend direkt auf dem Boden auf Teppichen, im Rücken ein Kissen. In der Mitte des Raumes verbreitet ein kleiner Holzofen wohlige Wärme. Die alte Frau „managt“ ihr Leben ganz alleine, für uns eine beeindruckende Leistung. Ihre neun Kinder sind im Ausland oder im Westen der Türkei. Einmal pro Monat fährt sie mit dem Bus nach Elbistan um ihre kärgliche Rente von Fr. 60.— abzuholen. Auch sie umarmt und küsst uns herzlich zum Abschied. Mehmets Schwester will uns gar nicht mehr fahren lassen, doch wir fotografieren noch Mehmets Haus und ziehen, dankbar für die herzlichen Begegnungen, weiter. Nun sind konkrete Bilder aus jahrelangen Erzählungen und Fantasien entstanden.
Fast im Iran Heute am 20. Mai sind wir in der Grenzstadt Dogubayazit, nur noch
35 Km von der iranischen Grenze entfernt. Fast alle Geschäfte sind geschlossen. Wir erfahren, dass dies ein Protest ist gegen die Erschiessung von acht Menschen durch die Armee in Hakkari, im Süden Kurdistans.
Seit gestern reisen wir zusammen mit einem Paar, welches mit ihrem 8-monatigen Kleinkind auf einer zweijährigen Reise ist. Sie haben ebenfalls in der Schweiz kein Visum für den Iran bekommen. Nun wollen sie direkt zur Grenze fahren und versuchen eine Transitgenehmigung zu erhalten. So haben wir kurzerhand beschlossen, gemeinsam bis in diese Grenzstadt zu fahren und hier abzuwarten, ob sie es schaffen. Nach nur drei Stunden kehren sie enttäuscht zurück.
Man hat sie aufgefordert 400 Kilometer nach Erzerum zu fahren, wo es ein iranisches Konsulat gibt. Das wird nun auch unser Schicksal sein. Viel Hoffnung haben wir nicht mehr. Wir haben unterwegs nochmals über ein iranisches Reisebüro versucht den begehrten Stempel zu erhalten. Doch es hat nicht geklappt, das Aussenministerium hat den Antrag abgelehnt. Trotzdem wollen wir es in Erzerum nochmals probieren, zumal diese Stadt an der Strecke nach Georgien liegt, es für uns also kein grosser Umweg ist. Dort wollen wir auch einen Versuch starten unser Auto ausbeulen und neu spritzen zu lassen. Mal sehen ob wir etwas erreichen – handullha.
1 Kommentar:
Liebe Romy und Mirko ich habe gestern den Link zu Eurer page von Claudia erhalten und freue mich Euch virtuell auf Eurer Reise zu begleiten. Alles Gute und moeglichst nur positive Erlebnisse. Goereme hatte ich vor 30 Jahren und vor 2 Jahren wieder erlebt. Welten dazwischen nur die Natur ist dieselbe geblieben. Liebe Gruesse Brigitta Gavilano
Kommentar veröffentlichen