Montag, 4. Juli 2011

Neuland genannt „-STAN“

Nun werden wir eine Reihe Länder bereisen, deren Namen alle auf „-stan“ enden. Wir beginnen mit Turkmenistan. Der erste Eindruck von Turkmenistan ist: Romy ohne Kopftuch und im T-Shirt. Gleich nach dem wir den ersten Schritt über die Grenze gemacht haben, hat sie das Tuch vom Kopf gerissen. Der zweite Eindruck: die iranische Bürokratie beim Grenzübertritt wird übertroffen. Unzählige Büros, unzählige Formulare, unzählige Unterschriften. Und Dollars wollen sie auch, viele Dollars. Für Visa, Einreisetaxe, Versicherung, Kompensation von Treibstoffkosten, Desinfektion vom Fahrzeug (die aber nicht stattfindet) und Anderes. Für alles zusammen lassen wir bei der Einreise 250 USD liegen. Endlich sind wir durch und fahren nach Ashgabat, der  Hauptstadt. Plötzlich taucht sie wie eine Fata Morgana aus dem Hitzendunst vor uns auf.


Was hier aus der Wüste gestampft wurde ist schierer Wahnsinn. Riesige Hochhäuser mit Marmor verkleidet, Verwaltungsgebäude mit farbigen Kuppeln, der Präsidentenpalast natürlich mit goldenen.  Viele Verwaltungsgebäude, es scheint alles hier hat eine eigene Verwaltung, sogar Abfalleimer und die zu gross geratenen Polizeimützen. Polizei ist überall präsent, an jeder Ecke stehen Beamte. Dementsprechend wird auch anständig gefahren und parkiert, denn die Polizei scheint kein Pardon zu kennen. Sogar das Fahren mit einem schmutzigen Auto wird gebüsst. (Darum haben wir unseren Brummi vorsorglich noch in Iran gewaschen). Den grössten Eindruck hinterlassen bei uns aber die Parks und Gärten, riesig mit Springbrunnen ohne Ende, am Abend farbig beleuchtet. Gewaltige Wasser- und  Energiemengen werden hier vergeudet. Grünes, frisches Gras das ständig bewässert werden muss, Bäume, jeder davon hat eine eigene Wasserzuleitung. Künstliche Flüsse durchziehen die Stadt als wenn man sagen will – wir sind mächtiger als die Wüste. Wobei das „wir“ auf eine Person reduziert werden muss – Turkmenbashi, der Vater aller Turkmenen. Ursprünglich Chef der kommunistischen Partei hat er nach dem Zerfall der Sowjetunion die Herrschaft an sich gerissen, das Land in die Unabhängigkeit geführt, sich als Präsident  auf  Lebenszeit wählen lassen um mit Hilfe der zahlreich fliessender Gelder aus den Gasfeldern seine Vision zu verwirklicht. Seine Vision ist ein goldenes Turkmenistan, seine Visitenkarte die Hauptstadt. Sie ist eindrucksvoll ohne Frage, aber sie wirkt sehr künstlich. Es fehlt irgendwie das Leben, Menschen sieht man wenige auf den Strassen. Es gibt viele Denkmäler aber einen Kiosk, wo man ein Getränk kaufen kann muss man lange suchen. Turkmenbashi ist vor fünf Jahren gestorben, sein Nachfolger mit einem unaussprechbaren Namen folgt seinen Fussstapfen.  
Wir können uns in Ashgabat zwar frei bewegen aber wir müssen im Hotel übernachten. Ausserhalb der Stadt dürfen wir nur mit einem Führer unterwegs sein. Die nächste Enttäuschung ist das Internet. Auch hier ist, wie in Iran, unsere Blog-Seite bei Google gesperrt. Leider findet sich hier kein Internet Cafe mit findigen Hackern, also muss unser Blog warten. Überhaut scheint Turkmenistan dem Computer-Zeitalter ein wenig nachzuhinken. Alles wird noch in dicke Bücher von Hand eingetragen, wie früher. Und Fernsehen: es gibt ein Programm, wo ständig Volkslieder gesungen, getanzt und schöne Landschaften von Turkmenistan gezeigt werden, sonst nichts. Für Nachrichten und Unterhaltung muss man auf russische Sender ausweichen. Ein Taxifahrer formuliert es vorsichtig: „Bei uns ist alles gut, wir singen nur und tanzen, es gibt keine Probleme im Land über die man berichten oder diskutieren müsste“.
Für uns ist aber der „Brennende Krater“ oder auf English „The door to hell“ der Höhepunkt von Turkmenistan.

Mitten in der Karakorum-Wüste gibt es ein Loch, etwa 80 Meter im Durchmesser und 50 Meter tief. Und unten lodernden zahlreiche Flammen. Bei einer missglückten Bohrung entstanden hat sich das Erdgas entzündet und brennt seit mehr als 40 Jahren. Wir kommen in der Nacht an. Schon von Weiten sehen wir den Feuerzauber am Horizont. Dann stehen wir am Rand des Kraters und eine gewaltige Hitze schlägt uns entgegen. Gespenstischer kann ein Ort nicht sein, grosse schwarze Spinnen kriechen am Boden, es gibt kleine Gaseruptionen, die Flammen schlagen hoch. Mit dieser Energie könnte man eine mittelgrosse Stadt heizen, doch Turkmenistan hat viel Gas, sehr viel sogar.
Einige Tage später verlassen wir Turkmenistan und reisen in ein neues „stan“ Land ein, nach Usbekistan. Es gibt ein kleines Problem an der Grenze. Die Zollbeamten wollen unsere Medikamente sehen. Gerne zeigen wir ihnen unsere Medi-Kiste (Danke Barbara) nichts Böses ahnend. Romy’s  Schlaftabletten werden kurzerhand beschlagnahmt, angeblich handelt es sich bei dem Wirkstoff um eine Droge. (nun weiss ich endlich warum Romy ab und zu Schlafprobleme hat). Reden und diskutieren hilft nichts. Als man droht, uns wegen illegaler Drogeneinfuhr zu verhaften, geben wir klein bei. Zwar kann ich noch 10 Tabletten retten, der Rest wird aber vor unsren Augen vernichtet. Ja, irgendwann haben wir was von „Absurdistan“ gehört, aber so weit sind wir noch nicht…
Dann geht es zum Aralsee, den es heute nur noch als Miniaturausgabe gibt. Rostige Fischerkähne liegen im Sand der Wüste herum - als stumme Denkmäler dieser ökologischen Katastrophe. Moynaq war früher ein Fischerhafen, in der Fischkonservenfabrik waren Tausende von Menschen beschäftigt. Da man dem See das Wasser der Zuflüsse abgegraben (unter anderem für den Karakumkanal, der die Hauptstadt Turkmenistans mit dem beschriebenen Wasserreichturm versorgt) und in andere Regionen geleitet hat, wurde er seit 1960 immer kleiner und an seiner Stelle breitete sich die Wüste aus. Vom damaligen Hafen von Moynaq, die nun ihr Dasein als Geisterstadt fristet, muss man heute über Hundert Kilometer fahren, bis man das Ufer von dem erreicht, was vom See übrig geblieben ist.

   

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