Freitag, 3. Oktober 2014

Das grosse Wasser

Nochmals zwei Tage im Zug und wir sind wieder zurück in Winnipeg, wo der Brummi auf uns wartet. Bei der Weiterfahrt Richtung Osten wird uns bewusst, dass Kanada - nach Russland - das grösste Land der Erde ist. Die Entfernungen sind riesig. Links und rechts der Strasse hat es Wälder ohne Ende, Orte gibt es wenige, dafür unzählige Seen, kleine und grosse. Wikipedia gibt ihre Anzahl in Kanada mit zwei Millionen an. Natürlich sind nicht alle so gross wie die fünf Grossen Seen, die Kanada mit den USA teilt. Als ersten von ihnen erreichen wir den Lake Superior. Er ist der grösste Süsswassersee der Welt, halb so gross wie die Schweiz. Hier von einem See zu sprechen ist allerdings etwas untertrieben, ein Meer wäre eine bessere Bezeichnung. Fast vier Tage fahren wir an seinem nördlichen Ufer entlang. 

Langsam kommen wir in ein Gebiet, wo Ahornbäume wachsen. Das Laub der Bäume fängt gerade an, sich zu verfärben. Es sieht schon jetzt fantastisch aus, die Einheimischen sagen uns aber, dass die wahre Pracht erst in einigen Tagen kommt. 



Auch am Lake Huron zieht der Herbst langsam ein. Wir nehmen hier eine Fähre, um uns die weite Anreise zu den Niagara-Wasserfällen ein wenig zu verkürzen. Zuerst haben wir etwas Mühe mit der Angabe unseres Reisezieles bei den Einheimischen. Mit „Niagara“ kann niemand etwas anfangen. Bald lernen wir, dass die richtige Aussprache „Najagra“ heisst und für uns erst noch  mit einer ungewohnten  Betonung. 


Und dann stehen wir da, vor uns stürzen gewaltige Wassermassen in die Tiefe. In bloss einer Sekunde würde diese Menge Wasser eine Million Badewannen füllen, erfahren wir im Visitors Centre. Wie auch immer, der Anblick verschlägt uns fast den Atem. Gewaltiges Donnern und Wassergischt erfüllen die Luft. Und diesmal haben wir sogar  Wetterglück – ein halbrunder Regenbogen spannt sich am blauen Himmel über den Hauptwasserfall. Wegen seiner halbrunden Form heisst er „Horseshoe Waterfall“. Die Grenze zwischen Kanada und den USA verläuft in seiner Mitte. Ein etwas “kleinerer“ Wasserfall liegt ausschliesslich auf amerikanischem Boden. Dorthin gelangen wir nach einer problemlosen Passkontrolle über eine grosse Brücke, die den Niagara Fluss unterhalb der Wasserfälle überspannt. 

Als ob der Blick auf die Wasserfälle schon nicht genug Attraktion wäre wird für die zahlreichen Touristen noch viel mehr geboten: In ein Regenponcho gekleidet können sie mit einem Schiff fahren, das sich mühsam gegen den reissender Strom bis zu der herabstürzenden Wasserwand wagt oder sie können zu Fuss erkunden, wie es hinter dem Wasserfall aussieht, auch ist es möglich die Fälle von einem Aussichtsturm oder sogar von einem Hubschrauber aus zu bewundern . Und wer dann genug von dieser Show hat kann sein Glück in einem Casino versuchen. Am Abend werden die Fälle farbig beleuchtet und das wollen wir uns nicht entgehen lassen. „Schade“, denken wir, „dass  heute nicht ein Freitag oder ein Sonntag ist“, dann würde sogar ein Feuerwerk geboten. Nach der Besichtigung müssen wir  zum Camping fahren und da lässt uns der Brummi im Stich. Kein einziges Licht funktioniert mehr und es ist eine dunkle Nacht. Ich versuche den Fehler zu finden, aber bei der Dunkelheit und auf der Schnelle gelingt es mir nicht. Dazu ist auf dem Parkplatz, wo wir stehen, das Parken nur bis Mitternacht erlaubt. Romy rettet die Situation und fragt bei der zuständigen Aufsichtsperson nach, ob wie hier übernachten dürfen. Nach Rücksprache mit dem Supervisor und nachdem unsere Autonummer für alle Fälle notiert wird, bekommen wir das o.k. So verbringen wir eigentlich ungewollt die Nacht nur etwa zweihundert Meter vom Wasserfall entfernt. Das Donnern des herabstürzenden Wassers erinnert mich an eine stark befahrene Autobahn aber sonst verläuft die Nacht ruhig. Am Morgen finde ich den Fehler relativ schnell – einen korrodierter Stecker an der Masseleitung.


Toronto und die zusammengewachsenen Vorstädte haben eine Ausdehnung von mehr als Hundert Kilometern. Durch diese Stadtwüste kämpfen wir uns durch, denn es gibt zur Abwechslung sehr viel Verkehr und auch Staus. Wir sind froh, als die Stadt hinter uns liegt, trotz den schönen Parks am Ufer des Lake Ontario und den vielen modernen Hochhäusern. Über Landstrassen fahren wir nun durch farbenprächtige Ahornhaine in Richtung Ottawa, der Hauptstadt Kanadas und freuen uns über die herbstliche Sonne und den fortschreitenden „Indiansummer“.

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