Sonntag, 12. Oktober 2014

Zur Abwechslung: Städtehüpfen

Viele Wochen sind wir durch fast menschenleere Landstriche gefahren, Natur und Einsamkeit pur. Das hat sich nun drastisch geändert. Wir sind im östlichen Teil Kanadas angelangt, dort wo die meisten Einwohner Kanadas leben. Hier liegen auch die grossen Städte des Landes: Toronto, Ottawa, Montreal und Quebec. Von Toronto geht unsere Reise in die Hauptstadt Ottawa. 


Ihre Gründung geht auf einen erbitterten Streit der Provinzen Ontario und Quebec zurück. Sie konnten sich nicht einigen wo die Hauptstadt der Föderation liegen soll – in Toronto oder in Montreal. Weder noch, hat die britische Königin damals beschieden und hat eine unbedeutende Kleinstadt an der Grenze der beiden Provinzen als der Sitz der Regierung bestimmt. 

Vielen Politikern hat diese Entscheidung gar nicht gefallen, doch gegen das Wort der Königin war nicht anzukommen. Amerikanische Journalisten spotteten damals, dass im Falle eines Angriffs auf Kanada die fremden Truppen keine Chancen hätten, weil sie die Hauptstadt in den Wäldern ja gar nicht finden würden. Doch über die Jahre erwies sich die Entscheidung der Monarchin als sehr weise. Heute ist Ottawa eine lebendige Stadt an der Sprachgrenze, auf der einen Seite des Grenzflusses wird Englisch, auf der anderen Französisch gesprochen. Symbolisch bildet sie so eine Brücke zwischen den Kulturen Kanadas. Die Regierungsgebäude, Parlament und das Oberste Gericht sind im anglo-gotischen Styl gebaut, sie sehen wie Schlösser irgendwo in England aus.

Die Provinz Quebec ist die einzige Provinz Kanadas mit Französisch als Amtssprache. Aber fast alle Einwohner sprechen auch Englisch. Die Aussprache der beiden Sprachen ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig. Der „Indian Summer“ hat das Land nun vollends erreicht, das gelbe, orange und rote Laub der Ahornbäume strahlt fantastisch in der Herbstsonne. Aus der Ferne betrachtet sieht es manchmal aus, als ob die Wälder brennen würden.


 Wir besichtigen Montreal. Die Gassen der Altstadt sind mit Kopfsteinen gepflastert, und die Häuser und Kirchen erinnern an eine europäische Stadt. Natürlich fehlt ein moderner Teil mit Hochhäusern nicht. Hier ist es sogar möglich, unterirdisch zu wandern. Die Metrostationen und die unterirdischen Etagen der Geschäftshäuser sind mit Passagen verbunden, die eine Gesamtlänge von angeblich 35 Kilometern haben. Es sind nicht etwa nüchterne Gänge, nein, es ist alles vorhanden – Geschäfte, Restaurants, Cafés und vieles mehr, eine unterirdische Stadt sozusagen. Und es ist sicher vor allem im Winter oder beim schlechten Wetter sehr praktisch, nicht nur für die zahlreichen Passanten, sondern auch für die Obdachlosen. Sie fühlen sich, wie wir sehen, schon jetzt hier wohl.


Doch das wahre Juwel unter Kanadas Städten ist für uns eindeutig Quebec. Es ist auch kein Wunder, denn sie ist die älteste Stadt in Nordamerika und die einzige mit einer intakten Stadtmauer nördlich von Mexiko. Allein ihre Lage am Ufer des St. Lorenz-Stromes ist fantastisch und nicht ohne Grund gehört die Stadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Der St. Lorenz-Strom ist auch für grosse Kreuzfahrerschiffe schiffbar, sie können direkt im Hafen der unteren Stadt anlegen. Darum treffen wir hier - für diese Jahreszeit - erstaunlich viele Touristen. Über steile Gassen oder lange Treppen gelangt man in die obere Stadt mit ihrer riesigen, mit vielen alten Kanonen bestückten Festung. Sie wurde erbaut um den Schiffsverkehr am St. Lorenz-Strom zu kontrollieren und einer möglichen Invasion der USA vorzubeugen. Als wir an der Mauer entlang laufen, erschreckt uns plötzlich ein Kanonenschuss. Zum Glück ist kein Feind in Sicht, es ist nur die Mittagskanone. Alles in der Stadt ist vorbildlich renoviert und sauber, kleine Cafés und Restaurants säumen die Gassen. Französische Küche ist angesagt, ein Fastfood-Lokal sucht man hier vergebens. Trotz der schon fortgeschrittenen Jahreszeit belustigen Strassenkünstler und Musiker das Publikum.


 Noch etwas mehr als ein Tausend Kilometer trennen uns von Halifax, unserem Endziel. Der Herbst lässt die Nächte merklich kälter werden. Das stört uns nur wenig, unsere Schlafsäcke wurden ja schon im Himalaja erprobt. Nur das Aufstehen am Morgen verlangt etwas Überwindung, denn im Bus ist es dann fast genau so kalt wie draussen. Wenn es ganz schlimm wird, bieten sich als Alternative notfalls auch noch Motels an.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ihr wart genau zwei Monate zu spät, sonst hätten wir uns abermals treffen können auf eurer Reise. Wir waren an all diesen Orten im August, da war aber noch kein indian Summer.

Gruss Jan