Freitag, 5. September 2014

Ruf des Goldes

Die erste Stadt auf unserem Weg in Kanada ist Dawson City. Sie wurde aus dem Boden gestampft, nachdem die Nachricht von reichen Goldfunden sich in den umliegenden Tälern verbreitete. Einige kehrten mit Säcken voller Gold nach Hause und lösten damit den grossen Goldrausch aus. Tausende verliessen die Städte im Süden und zogen nach Norden – sie alle wollten reich werden. Doch der Weg zu den Goldfeldern war alles andere als einfach. Mit dem Schiff ging es von San Franzisco oder Seattle nach Skagway, dann weiter über den mörderischen Chilkoot Pass zum Yukon. Dort hiess es ein Boot oder Floss zu bauen und durch gefährliche Stromschnellen bis nach Dawson City zu fahren. Diejenigen, die erst nach dem Wintereinbruch in Skagway ankamen, wurden durch die  grosse Kälte überrascht und sie mussten in erbärmlichen Unterkünften warten, denn der Yukon war zugefroren und eine Fahrt erst im Frühling wieder möglich.


Nur in einem Jahr hat sich Dawson City von einem Zeltlager zu einer richtigen Stadt entwickelt, mit allem was dazu gehört: Hotels, Kneipen, Banken, eine Zeitung, Wäschereien, Kirchen, Schulen, mehrstöckige Häuser und hölzerne Gehsteige. Sogar ein Theater gab es und natürlich mehrere Casinos. Auch das horizontale Gewerbe war mit mehreren Bordellen vertreten, denn das Geld sass bei den neureichen Goldsuchern locker. 


Viele sind reich geworden, andere kamen zu spät, denn in drei Jahren war der Rausch vorbei, alles Gold, das in den Bächen zu finden war, war abgeräumt. Für weitere Förderung waren grosse Investitionen für schwere Maschinen nötig, die sich nur grosse Gesellschaften leisten konnten. Die Anzahl der Einwohner reduzierte sich erheblich, doch die Stadt blieb bestehen. Heute noch sind die unbefestigten Strassen von Originalholzhäusern gesäumt, die Bewohner leben von der glorreichen Vergangenheit. Das Zentrum wurde zu einem historischen Park erklärt und die Touristen kommen in Scharen, um einen Eindruck zu bekommen, wie es hier vor nicht allzulanger Zeit zuging. In den historischen Gebäuden stehen Erzähler, die in den Kleidern von damals die Geschichten von Glückrittern wiedergeben. Es war eine grosse Zeit damals, nur die Stärksten und Mutigsten konnten ihr Glück erzwingen. Wir haben es natürlich einfacher – an der Uferpromenade gönnen wir uns ein Cappuccino, während ein Raddampfer am Yukon vorbei tuckert. Und die Dollars ziehen wir aus einem Bankomaten. Darum haben wir es auch nicht nötig, uns in den Goldfeldern die Hände schmutzig zu machen und uns mit Goldwaschen im kalten Wasser abzumühen, wo der Erfolg alles andere als sicher ist.


Eine weitere Stadt am Yukon ist Whitehorse. Auch sie ist ein Produkt des grossen Goldrausches. Um den Goldsuchern den mörderischen Fussweg über den Chilkoot Pass von Skagway zum Yukon zu ersparen, hat man in kürzester Zeit eine Schmalspurbahn gebaut. Whitehorse war die Endstation, wo alles auf die Schiffe umgeladen wurde. Denn inzwischen verkehrten auf dem Yukon bereits heckangetriebene Dampfschiffe. Wir fahren nun auf den Spuren dieses Weges nach Skagway, der Hafenstadt, die bereits in den USA liegt. Die Eisenbahn von Whitehorse bis zum Pass fährt heute nicht mehr. 


Die restliche Strecke bis nach Skagway wird touristisch genutzt, denn in Skagway legen die grossen Kreuzfahrerschiffe an, und die Tausende von Passagieren wollen gerne einen Landausflug unternehmen. Zugegeben, keine schlechte Wahl, denn die Strecke ist landschaftlich sehr schön, auch wenn man unterwegs eine Staatsgrenze passieren muss. Die Stadt selber ist ein grosser  Rummelplatz, auf den Strassen kaum ein Durchkommen und die Verkäufer in Souvenir- und Schmuckgeschäften freuen sich über die sprudelnden Einnahmen. Hubschrauber starten fast ununterbrochen und bringen Touristen zum nächstgelegenen Gletscher. 


Wir verlassen Skagway mit der Fähre und gehen nach einer Stunde in Haines an Land. Auf dem Weg zum Campingplatz am Chilkoot Lake läuft uns ein Bär auf der Strasse entgegen. Eine solche Begrüssung hätten wir uns öfters gewünscht. Doch der Bär hat nichts mit uns am Hut, er interessiert sich nur für die Lachse im Fluss. Beim Fischen geht er sehr geschickt vor und wir können nur staunen. 

Auch einige Weisskopfadler versuchen sich mit Fischen, sind aber bei Weitem nicht so erfolgreich wie der Bär. Erst als das Licht zum Fotografieren zu schwach wird, setzen wir die Fahrt zum Campingplatz fort.


Von Haines fahren wir nach Haines Junction, das am Alaska Highway in Kanada liegt und dann weiter wieder zurück nach Whitehorse. Zuerst besuchen wir das Visitors Centre um unsere E-Mails zu checken. In Kanada gibt es in den Informationsbüros meist freien Internetzugang. Kaum sind wir zehn Minuten damit beschäftigt, da kommen Sandra und Martin und, als hätten wir uns abgesprochen, nach weiteren zehn Minuten auch Rita und Peter. Wie haben beide Paare in Anchorage kennengelernt. Lange erzählen wir von unseren Erlebnissen und Plänen. Sie haben, wie wir, noch mehrere Tausend Kilometer zu fahren. Sandra und Martin sollen ihr Mietwohnmobil in New York abgeben, Rita und Peter in Los Angeles.

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