Freitag, 12. September 2014

Wetterkapriolen in Kanada

Bevor wir Whitehorse definitiv verlassen, besuchen wir noch den Miles Canyon. Dort zwängt sich der Yukon durch eine enge Stelle zwischen den Felsen. Früher waren die Stromschnellen ein grosses und gefürchtetes Hindernis für die Goldsucher auf ihrem Weg zu den Goldfeldern bei Dawson City. Heute sind sie durch den Bau eines Staudammes, der Whitehorse mit Strom versorgt, weitgehend entschärft. Das Interessante an diesem Damm ist die sogenannte Fischtreppe, die gebaut wurde, um den Lachsen die Wanderung zu ihren Laichplätzen zu ermöglichen. Im angeschlossenen Visitors Centre können wir durch Glasscheiben beobachten, wie sich die Fische von einer Stufe der Fischtreppe stromaufwärts zur anderen kämpfen.

Und dann rollen wir wieder auf dem Alaska Highway. Etwa 1400 Kilometer liegen noch vor uns. Die genaue Entfernung lässt sich nicht in Erfahrung bringen, denn durch die diversen Strassenbegradigungen und auch durch das Einführen vom metrischen System in Kanada variieren die Angaben stark. Die Strasse ist gut ausgebaut und wir planen diese Strecke in etwa fünf Tagen zu bewältigen. Unterwegs begleitet uns Natur pur - Wälder ohne Ende beidseits der Strasse. Eine schöne Abwechslung sind die Thermalquellen am Liard River. In einem Naturpool hocken wir gemütlich im heissen Wasser und machen dabei unerwartet Bekanntschaft mit Ingrid und Ruedi, die mit einem Mercedes mit Thurgauer-Nummer unterwegs sind. (wir sind also nicht die Einzigen, die die seltsame Idee hatten, mühsam ein Auto nach Amerika zu bringen). Leider ist der Wanderweg zu weiteren Quellen hinten im Tal geschlossen, ein Schild verkündet: „Problem Bear in the Area“. Bis Fort Nelson geniessen wir die Einsamkeit, denn der Verkehr ist spärlich. Wir sehen auch jeden Tag Tiere: Bisons, Bären, Karibus und einmal einen Fuchs. Dann ist es aber mit der Gemütlichkeit vorbei. Überall wird nach Erdöl und Gas gebohrt. Tiefe Schneisen führen links und rechts der Strasse in den Wald. Schwere Lastwagen transportieren Material und Ausrüstungen. Leitungen durchziehen das Land, an manchen Stellen wird Gas abgefackelt. Alle Tiere sind geflüchtet. Schlamm überall, auch der Belag der Hauptstrasse ist damit bedeckt, besonders jetzt, wo der Regen wieder eingesetzt hat. Der Brummi ist bald vollgespritzt bis aufs Dach. Nach fünf Tagen sind wir am „Ende“ – in Dawson Creek, wo der Alaska Highway seinen Anfang nimmt. An einer unscheinbaren Kreuzung steht der Milepost „0“, der Meilenstein Null. Von hier aus haben die amerikanischen Truppen 1942 angefangen unter unvorstellbaren Widrigkeiten diese Bresche in die unendlichen Wälder zu schlagen. Aber vom Bau des Alaska Highways habe ich schon in einem früheren Beitrag geschrieben. Wir sind ein wenig stolz, diese Strasse gemeistert zu haben. Und es stört uns überhaupt nicht, dass der Meilenstein Null für uns nicht der Anfang sondern das Ende dieser Strasse bedeutet. Der Brummi wird gründlich gewaschen und bekommt einen Ölwechsel. Dann rollen wir auf den Strassen Kanadas weiter Richtung Osten.


Wie in den USA so sind auch in Kanada die Nationalparks die grossen Anziehungspunkte. Zwei davon liegen nun auf unserem Weg – der Jasper und Banff Nationalpark. Beide liegen in den kanadischen Rocky Mountains. Die Attraktionen sind hier hohe Berge, Gletscher, unzählige Seen, wilde Flüsse und natürlich Tiere. An einem See in der Nähe von Jasper beobachten wir stundelang eine Herde von Wapiti Hirschen. Der Bulle (oder sagt man bei Hirschen anders?) mit seinem prächtigen Geweih ist voll damit beschäftigt, sein Harem von etwa 12 Kühen unter Kontrolle zu halten. Ständig muss er an einem oder dem anderen Ende für Ordnung sorgen, so dass ihm fast keine Zeit zum Fressen bleibt. Einmal muss er einige Kühe, die scheinbar ein Bad im See nehmen wollen, aus dem Wasser jagen. Und dabei muss es dauernd aufpassen, dass kein Nebenbuhler ihm die Herrschaft streitig macht. „Ein wahrlich harter Job – dann lieber doch kein Harem“, denke ich mir. 


Eine fast 300 Kilometer lange Strasse verbindet die Orte Jasper und Banff miteinander. Sie heisst „Icefields Parkway“ und der Name ist auch das Programm. So viele Gletscher wie hier haben wir noch nie an einem Tag gesehen. Obwohl das ganze Gebiet eigentlich ein Nationalpark ist, werden verschiedene Attraktionen für die zahlreichen Touristen angeboten. So ist es zum Beispiel möglich, mit einem Spezialbus auf den Gletscher zu fahren oder auf einen Weg mit Glasboden über eine Schlucht zu laufen. Alles ist nur eine Frage des Geldes. Doch die Naturschönheiten sind gratis – die schon erwähnten Berge, Gletscher und Wasserfälle.


Den Jasper Nationalpark haben wir bei schönen und warmen Wetter richtig genossen. Dann kam der grosse Wetterumsturz. Die Temperatur fiel über eine Nacht von 23 auf minus 1 Grad. Den Banff Nationalpark haben wir leider nur im Regen erlebt. Was macht man, wenn es so kalt ist und der Regen das Wandern verunmöglicht? Da bieten sich Thermalquellen als Alternative an. Wir hocken gemütlich im Aussenpool mit 40 Grad heissem Wasser und lassen uns nicht vom Regen stören. Doch, oh Schreck – der Regen geht in Schnee über. Bis wir wieder beim Auto sind, liegt der Schnee schon 5 Zentimeter hoch. Nichts wie weg, denken wir uns, doch bald wird das Fahren zu gefährlich. Wir steuern den nächstliegenden Campingplatz an. Es schneit immer stärker – am Abend liegen bereits gut 20 Zentimeter Neuschnee. Die frisch verschneiten Bäume sehen märchenhaft aus, doch wir würden uns mehr über etwas Sonne freuen.

Später haben wir in Erfahrung gebracht, dass sogar Zeitungen in Europa über diesen Schneesturm berichteten. Es war total ungewöhnlich anfangs September.


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