Montag, 25. August 2014

Bis es nicht weiter geht

Alle Reiseführer und Prospekte sind sich in einem Punkt einig – der Höhepunkt jedes Alaska Besuches ist der Denali Nationalpark mit dem höchsten Berg Nordamerikas, dem Mount McKinley mit 6194 Metern. Nun wie es so mit den Höhepunkten im Leben ist, sie gelingen oft nicht so, wie man es gerne hätte. So auch unser Parkbesuch. Als wir ankommen, regnet es (noch immer). Trotz schlechten Aussichten für morgen buchen wir eine Fahrt. Nur etwa 15 von insgesamt 92 Meilen der Parkstrasse sind für den privaten Verkehr freigegeben, weiter kommt man nur im Rahmen einer Tour. Der Morgen lässt aber hoffen, es regnet nicht mehr und es gibt sogar ein paar blaue Löcher im grauen Himmel. Unseren Rucksack mit der Verpflegung haben wir gestern gepackt, also nichts wie los. Die Tour wird 12 Stunden dauern und im Park gibt es keine Möglichkeit irgend etwas zu kaufen. Unser Transportmittel ist ein  ehemaliger Schulbus mit einer Fahrerin, die fast ununterbrochen redet und die ganze Busladung – 36 Menschen – wie eine Schulklasse belehrt.


Macht nichts, denn wir haben wirklich Glück. Es klärt auf und wir können den Mount McKinley sehen. Somit gehören wir angeblich zu dem Drittel der Parkbesucher, die den Berg überhaupt zu Gesicht bekommen. Die Landschaft variiert: Berge mit Gletschern, mädernde Flüsse, Seen und Wälder, die später in Tundra übergehen.

Aber das Wichtigste sind die Tiere. Wir werden von der Fahrerin angewiesen, jedes Tier sofort zu melden etwa in dieser Art: „One bear ten o’clock“, also gemäss dem Zifferblatt, damit jeder weiss, in welcher Richtung er schauen muss. Die Fahrerin stoppt dann sofort und wir dürfen die Fenster öffnen. Ausser bei einer Toilettenpause darf niemand den Bus verlassen. Am häufigsten sehen wir Bären, aber auch Karibus, eine Wolfsfamilie, Fuchs und Dall. Schafe. Letztere leider nur als kleine weisse Punkte hoch an den Berghängen. Nach sechs Stunden erreichen wir Kantishna, ein Dorf mitten im Park. Seine Gründung geht, wie könnte es in Alaska anders sein, auf reiche Goldfunde zurück. Auch heute kann man in den Bächen noch Gold waschen, aber nur auf dem Parkgelände, alles andere ist „Private Property“. Nach einer Pause geht es zurück, mit einem Abstecher zum „Wonder Lake“. In ihm soll sich der Mount McKinley wunderschön spiegeln, darum auch der Name. Leider tut er es nicht, denn mittelweile ist der Himmel wieder mit dichten schwarzen Wolken verhangen. Und bald fängt es an zu regnen. Zurück im Camping fragen uns die Nachbarn, ob wir Fisch mögen und als wir bejahen, schenken sie uns eine Lachshälfte. „Ungefähr eineinhalb Kilo frischer Lachs“ meint Romy, nachdem wir uns bedankt haben. Und wirklich, es reicht für drei köstliche Mittagessen. Am ersten Tag gibt es Lachs gebraten, am zweiten Tag Lachsnudeln und dann noch eine Fischsuppe – für mich waren alle drei Gerichte die wirklichen Höhenpunkte.

Weiter fahren wir nach Fairbanks. Es ist die zweitgrösste Stadt Alaskas -  auch wenn sie nur 32000 Einwohner hat. Sehenswert ist die moderne Universität mit dem Botanischen Garten.

Hier finden wir die berühmten Kohlköpfe, die dank den langen Tagen hier riesengross sind. Über 60 cm im Durchmesser, schätzen wir. Der Rekord liegt irgendwo bei 60 Kilogramm. Aber auch Zucchini wachsen auf die Grösse von Drittklässlern heran. Neun Kilogramm schwere Karotten aus dem Boden zu ziehen ist eine sportliche Leistung und ein Bund Mangold kann es auf 2.70 Meter bringen. Am Stadtrand liegt ein grosses Schutzgebiet, wo die Zugvögel auf ihrem Flug nach Norden oder Süden Rast einlegen. Im Moment bereiten sich schon die ersten Schwärme für den Flug nach Süden vor. Ja der Sommer in Alaska ist kurz.








Dann nehmen wir die Dalton Highway unter die Räder. Diese Strasse wurde als Zubringerstrasse zu den Ölfeldern im hohen Norden Alaskas gebaut. 



In der Strassennähe verläuft - wie ein silberner Wurm - die Pipeline, die das Erdöl aus dem Norden zum eisfreien Hafen in Valdez bringt. Sie gehört zu den grössten Projekten der USA. Auf 800 Meilen überwindet sie Gebirge, mächtige Flüsse und menschenleere Landstriche. Das Öl darin ist fast zwei Wochen unterwegs. Wegen dem Permafrostboden mussten viele Abschnitte auf Stelzen gebaut werden. Die Strasse, die wir nun fahren ist rauh, mit vielen Löchern übersät. Schwere Lastwagen, die Material und Versorgungsgüter zu den Ölfeldern bringen, donnern an uns vorbei. Sie haben hier absoluten Vortritt. Wir halten jedesmal freiwillig an, denn die Gefahr von aufgewirbelten Steinen ist gross und eine neue Windschutzscheibe wäre hier nicht zu bekommen. Auf einer 600 Meter langen Brücke überqueren wir den mit vielen Legenden umwobenen Fluss Yukon. Der Wald wir allmählich durch Tundra abgelöst, wir sind schon weit nach Norden vorgedrungen. Das wird uns erst richtig bewusst, als wir den Polarkreis passieren. Nach den beiden Wendekreisen und dem Äquator haben wir nun auch diese Linie auf dem Globus erreicht. Es geht aber noch ein rechtes Stück weiter. Dann kehren wir um, denn diese Strasse ist eine Sackgasse. Doch die Rückfahrt wird zu einer Schlammschlacht, denn es hat wieder starker Regen eingesetzt. Und es wird uns hier noch etwas anderes bewusst – ab diesem Wendepunkt, hoch im Norden, geht es nur noch Richtung Heimat.


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