Sonntag, 6. Oktober 2013

Land- und Stadtleben

Die Abfahrt von unserem paradiesischen Haus haben wir so festgelegt, dass wir rechtzeitig im Murrurundi eintreffen. Aber davon später. Auf dem Weg dorthin besuchen wir – ja, der Kandidat hat 100 Punkte – einige Nationalparks. Am besten gefällt uns der Cathedral Rock National Park mit seinen gewaltigen Felsenformationen. Dort haben wir die Länge des Wanderweges krass unterschätzt und sind erst nach dem Einbruch der Dunkelheit in dem kleinen Camping zurückgekehrt. Eine Taschenlampe mitzunehmen wäre keine schlechte Idee gewesen!

Die glückliche Rückkehr wollen wir mit einem Feuer feiern, aber daraus wird nichts, obwohl sich Romy soviel Mühe mit Holzsammeln gegeben hat. Unser freundlicher Campingnachbar macht uns darauf aufmerksam, dass infolge des ausbleibenden Regens im ganzen New South Wales ein totales Feuerverbot herrscht. So wird sich ein anderer Camper irgendwann über das mühsam gesammelte Holz freuen. Wir bewegen uns hier in einer Höhe von durchschnittlich 700 Meter. Von den Bergkanten bieten sich nicht nur faszinierende Ausblicke hinunter bis zum Meer, sondern es stürzen sich auch unzählige Wasserfälle in tiefe Schluchten.


Murrurundi ist ein kleines Städtchen, irgendwo auf dem Lande wie viele andere auch. Das Leben geht hier das ganze Jahr über seinen gewohnten Gang. Doch an diesem Wochenende ist etwas los, ein Rodeo ist angesagt. Darum sind wir auch hier - Romy wollte schon lange ein Rodeo in Australien erleben, aber bis heute ergab es sich nie, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Entweder war es gerade schon vorbei oder wir hätten ein paar Wochen warten müssen. Nun hat es geklappt und wir verfolgen die Vorbereitungen. Von Weit und Fern kommen die Farmer und Pferdezüchter mit ihren Wohnwagen angereist. Diese sind besonders gross weil in einer Hälfte die Menschen, in der anderen die Pferde wohnen. Wir merken schnell, dass ein Rodeo hier mehr als nur ein Wettbewerb oder eine Show ist. Es ist ein gesellschaftliches Ereignis, man trifft sich, Neuigkeiten und Erfahrungen werden ausgetauscht, Beziehungen geknüpft und vielleicht sogar auch Ehen angebahnt. Und natürlich ist man stolz auf seine Pferde und die Reitkünste. In Australien ist es üblich am Anfang jeder Veranstaltung die Nationalhymne zu spielen. Alle Zuschauer stehen stramm, Reiter mit Fahnen der Gliedstaaten Australiens umkreisen die Arena. Und dann geht es los, viele Disziplinen sind im Programm. 

Ein Kalb mit einem Lasso zu fangen ist vielleicht das einfachste. Schwieriger ist es, dies in Teamarbeit zu machen – ein Mann muss dem Kalb das Lasso um den Hals oder die Hörner, der andere um die Hinterbeine werfen. Beim Rennen um aufgestellte Fässer quer durch die Arena beteiligen sich auch Reiterinnen und sie stehen ihren männlichen Kollegen an Schnelligkeit und Geschicklichkeit in nichts nach. Dagegen bleibt das Reiten auf nicht berittenen Pferden eine reine Männersache, denn es ist nicht ungefährlich. Der Höhepunkt eines Rodeos ist und bleibt aber das Reiten auf Bullen. Auf dem Rücken der kräftigen Tiere wenigstens ein paar Sekunden zu sitzen und nicht mit seinen Hufen oder noch schlimmer seinen Hörnern Bekanntschaft zu machen, verlangt eine grosse Portion Mut und viel Geschick. Oft früher als gewünscht macht der Reiter Bekanntschaft mit dem Sand der Arena. Der Sieger schafft es gerade 12 Sekunden oben zu bleiben. Die Bullen versuchen mit gewaltigen Sprüngen den Reiter los zu werden. Für die Zuschauer ist es ein Riesenspektakel.

Im ganzen Gelände herrscht ein totales Alkoholverbot. Nur in einer kleinen umzäunten Area, wohin man nur durch einen von Securitas bewachten Eingang gelangt, kann man sein Bier oder ein Glas Wein kaufen und trinken - sonst nirgends! So drängen sich vorwiegend Männer mit einer Bierdose in der Hand hinter den Zaun - so wie sich die Rinder etwa hundert Meter weiter in einem anderen Gehege drängen. Die Ähnlichkeit ist natürlich rein zufällig.

Nun liegt uns ein grosses Brocken im Weg, Sydney mit seinen fast 5 Millionen Einwohnern. Und da sehr viele von ihnen in einem Einfamilienhaus wohnen wollen, ist die Stadt unvorstellbar grossgewachsen, genauso wie der Verkehr, der auf den Strassen herrscht. Wir wissen, dass für das Parken im Zentrum astronomische Summen verlangt werden und darum wählen wir diesmal ein anderes Vorgehen. Etwa 17 km vom Zentrum entfernt liegt der Lane Cove River Tourist Park und den steuern wir an. Er ist sehr ruhig gelegen und hat einen nicht zu überbietenden Vorteil: Zehn Minuten zu Fuss dauert es zur Bahnstation und in weiteren zwanzig Minuten sind wir direkt im Zentrum. Alles perfekt, ein einziger Wermuttropfen bleibt der Preis. Sydney, am Meer gelegen, mit der Hafenbrücke und dem Opernhaus gewinnt bei uns den Preis der schönsten Stadt der Welt.

 Hier hat die Besiedlung von Australien durch die Engländer vor etwas mehr als 200 Jahren mit der Gründung einer Sträflingskolonie angefangen. Unglaublich was daraus geworden ist. Wolkenkratzer ragen zum Himmel. Die alten schmuddeligen Lagerhäuser am Hafen hat man zu schicken Begegnungs- und Einkaufszentren ausgebaut. Wir fahren mit der Hafenfähre, um uns die Stadt vom Wasser aus anzuschauen und mit dem Schnelllift auf den Sydney Tower, um sie aus der Luft zu bewundern. In den Strassen herrscht Hektik, entspannen kann man sich in den zahlreichen Parks. Am Abend des ersten Tages, zur „blauen“ Stunde, fotografiert Romy die Stadt vom gegenüber liegenden Ufer. Die Lichter gehen langsam an, die Brücke und das Opernhaus strahlen im Scheinwerferlicht. Ein Anblick, der unbezahlbar ist…



 Für australische Verhältnisse ein Katzensprung von Sydney entfernt liegt Canberra, die Hauptstadt Australiens. Der Gründung geht keine ruhmreiche Geschichte voraus, sondern ein Streit zwischen Sydney und Melbourne um den Standort der neuen Hauptstadt. Der Streit wurde mit der Gründung in einem unbewohnten Gebiet gelöst, etwa auf halben Weg zwischen Sydney und Melbourne. Die Stadt wurde am Reissbrett als eine reine Beamtenstadt entworfen. Hier wird nichts produziert, hier wird „nur“ verwaltet. Zur Besichtigung steht den Steuerzahlern und Touristen das neue Parlament offen.


Viele Australier betrachten als grösste Sehenswürdigkeit in Canberra aber das Kriegsdenkmal, das eigentlich ein Museum ist. Alle Schlachten und Kriege, bei welchen australische Soldaten beteiligt waren, sind hier anschaulich dokumentiert. Und es sind viel mehr, als wir Europäer denken würden - von den Burenkriegen in Südafrika bis zu Afghanistan.




Uns dagegen hat das Botschaftsviertel am besten gefallen. Australien hat die ausländischen Regierungen gebeten, die Botschaftsgebäude im Stil der jeweiligen Länder zu bauen. Einige sind dieser Bitte nachgekommen und so sind sehr interessante Bauten entstanden, wie zum Beispiel die Botschaften von Thailand, China, Papua und Indonesien, um einige Beispiele zu nennen. Nicht so die Schweiz, ich denke, da hat man sich beim Bau eher von der Architektur eines Bürogebäudes in einem Zürcher Vorort inspirieren lassen. Einige Grundstücke im Botschaftsviertel sind, aus welchem Grund auch immer, nicht überbaut. Doch auch dort finden sich Botschafter. Es sind die Botschafter der Natur, graue und grosse Känguruhs, die vor den Fenstern der Diplomaten weiden. 

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