Freitag, 9. August 2013

Ruf des Goldes

Seit wir Albany an der Südküste verlassen haben, kennen wir nur eine Richtung: Norden. Norden bedeutet hier Wärme. Doch zuerst merken wir noch nicht viel davon. Wir fahren durch ein landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Ausgedehnte, frisch-grüne Getreidefelder begleiten uns auf dem Weg. In den Dörfern stehen riesige Silos. Einige der Felder liegen nach der Ernte im letzten Jahr brach, dort weiden nun Schafe. Wir beobachten wie ein Farmer mit seinem Geländewagen die Schafe zusammentreibt. Zwar hat er auch einen Hund, wie es sich zum Schafe treiben gehört, aber der fährt lieber auf der Ladefläche mit als hinter den Schafen herzurennen.

In Lake Grace bekomme ich unsere leere Gasflasche aufgefüllt, nun haben wir wieder Reserve. Es war nicht einfach den Mann im Hardware Geschäft zu überzeugen, das zu tun. In Australien wird bekanntlich grosser Wert auf Sicherheit gelegt. Gas aus einer in die andere Flasche umzufüllen geht zwar, ist aber nicht ungefährlich, vor allem, wenn man die nötigen Kenntnisse nicht hat. Die Tricks, denen sich die Gashändler in Nepal oder Kambodscha bedienen, würden dem braven Mann wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen lassen. Darum sage ich lieber nichts und gebe mich mit einer halben Füllung zufrieden.


In Hyden machen wir eine Wanderung um den „Wave Rock“, einem Felsen der die Form einer perfekten Ozeanwelle hat. Unterwegs lernen wir einen für uns neuen Bewohner dieses Landes kennen. Wie immer will ihn Romy fotografieren aber er versteckt hartnäckig seinen Kopf. Es braucht seitens Romys viel Geduld und gutes Zureden bis ihr das Foto gelingt. Übrigens, sein Name ist Echidna, auf Deutsch heisst es Schnabeligel. Als wir zurückkommen, steckt ein Zettel hinter dem Scheibenwischer. Ein Gruss von unbekannten Schweizern, die den Brummi mit Schweizer Nummernschildern entdeckt haben. Das freut uns am Vorabend des 1. August ganz besonders.



Nun kommen wir in eine ganz andere Landschaft, wir sind wieder im Busch mit roter Erde und Eukalyptusbäumen. Auch das Wetter wird immer besser. Wir haben die Goldfields erreicht. Am Ende des neuzehnten Jahrhundert hat man hier Gold gefunden. In der Folge ist ein Goldrausch ausgebrochen, überall in Australien und später in der ganzen Welt liessen die Menschen alles liegen und strömten hierher. Einige wurden reich, andere bezahlten den Ruf des Goldes mit dem Leben. Denn die Bedingungen in dieser unwirtlichen Gegend waren unvorstellbar hart. Es fehlte an allem, vor allem Trinkwasser war Mangelware. Für eine Gallone musste man riesige Summe bezahlen. Es gibt zwar auch Seen hier, doch das Wasser darin ist salzig. Man versuchte das Wasser zu entsalzen. Die Gegend wurde praktisch leer geholzt, denn unter den riesigen Entsalzungskesseln musste Tag und Nacht geheizt werden. Erst der Bau einer Wasserleitung von über 600 Km Länge, durch die das Wasser aus der Gegend von Perth in die Goldfields gepumpt wurde, brachte Besserung. Es dauerte 10 Tage bis das Wasser aus Perth am Bestimmungsort ankam. In dieser Zeit sind hier viele blühende Städte entstanden, mit protzigen Gebäuden, Hotels, Banken und Geschäften. Die Leute zeigten gerne, dass sie Erfolg bei der Goldsuche hatten. Man leistete sich sogar eigene Zeitungen und natürlich war auch das älteste Gewerbe erfolgreich. Doch nach einigen Jahren waren die Goldvorkommen erschöpft, der Abbau lohnte sich nicht mehr. 


Nach und nach verliessen die Menschen die Gegend und aus den blühenden Städten sind Geisterstädte geworden, die man heute als Touristenattraktion vermarktet. Gold wird aber immer noch abgebaut, nun geschieht das heute auf industrieller Basis. In Kalgoorlie klafft ein riesiges Loch in die Erde, das man angeblich sogar aus dem Weltall sehen kann. „The Super Pit“ wird es genannt und es ist wirklich gigantisch: 3.8 Km lang, 1.8 Km breit und 500 Meter tief. Jeden Tag wird es ein wenig grösser. Eine ununterbrochene Kolone von riesigen Lastwagen, jeder mit einem Fassungsvermögen von 225 Tonnen, fährt das Erz aus der Tiefe der Grube zu der Aufbereitungsanlage. Die darin enthaltene Goldmenge ist dagegen winzig – aus einer Tonne Erz gewinnt man durchschnittlich nur 2 Gramm Gold. Da man von Draussen von diesem Bergwerk nur die riesigen Abraumhalden sieht, buchen eine Tour. Wie immer geht die Sicherheit vor, darum gibt es zuerst Anweisungen, was zu tun und was zu unterlassen ist. Besonders eingeschärft wird uns, dass man nicht einmal einen kleinen Stein mitzunehmen darf, es könnte ja ein Gold Nugget sein. Anschliessend fassen wir Sicherheitsweste, Brille und Helm und dürfen mit einem Bus in das Bergwerk fahren. Da werden uns die Massstäbe, mit welchen hier gearbeitet wird, erst richtig bewusst. Allein der Raddurchmesser der Lastwagen beträgt 4 Meter. Ein Reifen kostet etwa gleichviel wie ein Mittelklassewagen. Davon hat der Lastwagen sechs Stück. Es verbraucht mehr als tausend Liter Diesel pro Tag. Eine Bohrmaschine neben der anderen bohrt ununterbrochen tiefe Löcher im harten Fels, die anschliessend mit Sprengstoff gefüllt werden. Etwa viermal in der Woche wird gesprengt. Das ist der einzige Augenblick, dass die Arbeit im Bergwerk kurz still steht. Aber schon kurz darauf beladen die Lader (auch gigantisch) ununterbrochen, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, die Lastwagen mit neuem Erz. Die Arbeiter arbeiten in 12 Stunden Schichten sieben Tage lang und haben dann eine Woche frei.



Die eigentliche Gewinnung des Goldes aus dem Erz beginnt mit dem Zerkleinern und Mahlen des Gesteins, dann folgt eine Reihe chemischer Bearbeitungsschritte, um am Schluss das Gold mit einem elektrolytischen Verfahren zu gewinnen. Wir fahren durch die Anlage, sehen aber nur ein Gewirr von Röhren, Kabel, Tanks, rotierenden Trommeln und Transportbänder, dazu Gesteinsmehl und grauen Schlamm. In das Heiligste der Anlage, in der man das Gold wirklich auch sehen und anfassen kann, werden wir leider nicht reingelassen.

Nun bereiten wir die Weiterreise vor. Wir wollen von hier aus auf der wenig befahrenen, unbefestigten „Great Central Road“ in das Rote Zentrum, also zum Ayers Rock und weiter nach Alice Springs fahren.


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