Donnerstag, 21. Juli 2011

Ein STAN weiter.



Wir erreichen Taschkent, eine moderne Stadt. Es macht den Anschein als würde der Präsident von Usbekistan gerne aus der Metropole ein zweites Aschgabad machen. Nun fehlt ihm aber die entscheidende Kleinigkeit, die Turkmenistan hat, nämlich das Geld. So ist alles etwas kleiner und bescheidener als in Aschgabad ausgefallen: die Springbrunnen, der Hauptplatz, die Paläste… Doch eine Sache muss man ihm zu Gute halten. Obwohl schon zum Dritte Mal „gewählt“ hat er noch nicht angefangen überall Statuen von sich selbst aufzustellen.
Wir fahren zur Grenze von Tadschikistan. Ich habe schon etliche Grenzübertritte beschrieben aber jedes Mal erleben wir etwas Neues, etwas Unerwartetes. Hier wird das Auto „desinfiziert“ indem für 5 Dollar die Räder kurz mit einer unbestimmten Lösung bespritzt werden, wahrscheinlich damit wir den Strassenstaub vom Nachbarland nicht einschleppen. Gleich nach der Grenze erwartet uns eine neue Strasse mit perfektem Belag. Unsere Freude darüber hält sich in Grenzen, denn nach einigen Kilometern kommt eine Zahlstelle. Wir überqueren den Syr Darja, einen mächtigen Fluss über dessen Wasser Tadschikistan und Usbekistan in einem erbitterten Streit liegen. Einen Tag verbringen wir an einem Stausee, in einem ehemaligen Kindererholungsheim. Die früher sicher schöne Anlage ist halb zerfallen, der Staat hat kein Geld mehr für Kindererholung. Das ist einer der Gründe, warum manche Einheimische der Sowjetunion nachtrauen.
Seit wir Iran verlassen haben sind wir viele Wochen über flaches Land gefahren, nun sehen wir mächtige, teils noch schneebedeckte Berge am Horizont. Und bald ist unsere  Freude über die schöne Strasse zu Ende. 

Die Chinesen, die hier die Strasse bauen, sind mit dem Bau des Tunnels noch nicht fertig. Darum geht es über einen 3400 Meter hohen Pass. Die Strasse, und das ist eine Beleidigung dieses Wortes, stammt noch aus der Sowjetzeit. Seitdem hat man nichts mehr in den Unterhalt investiert. Der ursprüngliche Asphaltbelag hat sich aufgelöst und tiefe Löcher haben sich aufgetan. Die Fahrzeuge ziehen mächtige Staubfahnen hinter sich. Die Steigung zwingt die Lastwagen im Schritttempo zu fahren. Zum Staub kommen noch schwarze Abgaswolken dazu. Überholen ist praktisch unmöglich. Wir fahren Slalom zwischen den Löchern, schlucken Staub und Abgase. Der Motor quält sich im ersten Gang. Langsam, sehr langsam gewinnen wir in unzähligen Kurven an Höhe. Endlich sind wir oben. Das Bergpanorama ist überwältigend, doch der starke kalte Wind lässt es uns nicht lange geniessen. Nicht weniger als elf Fünftausender sind in dieser Gegend zu bewundern.
Zur Erholung machen wir einen Abstecher zum Iskander-kul, einem herrlichen Bergsee auf etwa 2200 Metern Höhe. Unterwegs treffen wir Ernst, einen Schweizer aus Bülach, der mit einem Kleinmotorrad unterwegs ist. Sein grösstes Problem ist, ob sein Scouter später die hohen Pamir-Pässe schaffen. Zusammen verbringen wir zwei Tage auf einer herrlich grünen Wiese an einem kristallklaren Bergbach. Es gesellt sich noch ein Iraner zu uns, der auf dem Fahrrad mit seiner Mission schon vier Jahre unterwegs ist. Letztere ist simpel – er sagt den Leuten, sie sollen Bäume pflanzen. 

Lange reden wir am Lagerfeuer über Gott und die Welt. Auch über den Tunnel, der vor uns auf dem weiteren  Weg nach Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, liegt. Der Tunnel ist berühmt – berüchtigt. Es gibt keine Beleuchtung und keine Lüftung für gut fünf Kilometer. Man kann ihn aber über einen Pass umfahren. So dreht sich die Diskussion: Pass oder Tunnel? Wir ziehen alle möglichen Informationen ein. Leider sind sie sehr widersprüchlich, von es geht bis Horror. Wir entscheiden uns für den Tunnel, denn die Passstrasse soll  noch schlechter sein als die letzte. 

Den iranischen Fahrradfahrer laden wir samt Fahrrad in den VW Bus, Ernst fährt in unserem Schutz hinter uns. So fahren wir in das grosse schwarze Loch. Die Abgase verpesten die Luft, die Sichtweite ist vielleicht 30 Meter. Ich hoffe, dass die anderen Verkehrsteilnehmer Lichter haben und sie auch benutzen. Eine riesige Baumaschine steht unbeleuchtet mitten im Tunnel. Tiefe Löcher in der Fahrbahn, voll Wasser, das unablässig von der Decke tropft. Wie tief sie sind kann ich nur ahnen. Da ist schon wieder ein entgegenkommendes Auto, das mit Fernlicht blendet. Fahren, fahren, ja nicht anhalten  müssen. Wir sorgen uns um Ernst, der hinter uns die Giftmischung direkt einatmen muss, wir können wenigstens Fenster und Lüftung schliessen. Plötzlich ist die Fahrbahn auf einer Länge von gut 100 Meter ganz unter Wasser, wie tief wissen wir nicht. Aber es geht, wir quälen uns vorwärts. Ein Stein fällt uns vom Herzen als wir das sprichwörtlichen Licht - nach über  einer halben Stunde - am Ende des Tunnels sehen. Es ist wieder einmal gut ausgegangen. Kaum zu glauben, dass der Tunnel erst drei Jahre alt sein soll. Ende Monat, also in 12 Tagen soll er endgültig geschlossen werden, weil er zu gefährlich ist.
Kurz vor Dushanbe wollen wir noch die Mittagpause machen. Wie immer suchen wir einen schattigen Platz. Da keine Bäume weit und breit sind, fahren wir in ein verlassenes Fabrikgelände ein. In einer leeren Halle sind wir unter Dach, der Schatten ist perfekt. Doch die böse Überraschung folgt bei  der Ausfahrt. Die völlig verrostete Barriere, die bei unserer Ankunft offen war und unbrauchbar aussah, ist nun verschlossen. Niemand weit und breit. Ich versuche mit meiner kleinen Eisensäge das Schloss durchzusägen, leider ist es ein solider russischer Stahl. Wir müssen uns auf die Suche nach dem Besitzer des Schlüssels machen, was uns auch nach vielem  herumfragen gelingt. Da merken wir aber schnell, dass es um Geld geht. Darum hat er uns auch bewusst eingeschlossen. Wir verhandeln. Die ursprünglich verlangten 50 Somoni können wir auf 20 Somoni (etwa 4 Franken) hinunterhandeln (ein Arzt verdient
Fr. 20.--). Wir fahren weiter - um eine Erfahrung reicher: ein perfekter Schatten kann relativ teuerer sein.

Ps. Nun liegt der Pamir Highway vor uns, eine  entlegene Strasse über 4600 Meter hohe Pässe nahe an der Grenze zu Afghanistan. Es gibt dort weder Treibstoff noch Lebensmittel und schon gar kein Internet. So kann es sein, dass der nächste Beitrag etwas auf sich warten lässt.




 

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