Dienstag, 12. Juli 2011

Die Perlen an der Seidenstrasse.

Die Städte Khiva (deutsche Schreibweise Chiwa), Buchara und Samarkand sind unsere nächsten Stationen. Die Namen sind vielleicht die berühmtesten Städtenamen auf dem langen Weg vom Mittelmeer bis nach China. Tausende Karawanen machten hier Halt und erholten sich vom  Kräfte zehrenden Weg durch die Wüsten. Und genauso wie heute war auch damals die Erholung und Sicherheit nicht umsonst. Die Herrscher dieser Städte wussten genau um den Wert der Ware und verlangten ihren Anteil in Form von Zöllen. So wurden sie unermesslich reich, konnten ihre Städte durch hohe Mauern umgeben und in ihrem Schutz prächtige Paläste, Moschen und Medresen (Koranhochschulen) bauen. Wenig hat sich von dieser Pracht bis in die heutigen Tagen erhalten, doch das Wenige lässt staunen.
Die erste Stadt auf unserem Weg ist Khiva, in einer Flussoase am Amu-Darja Fluss gelegen. Rund herum eine glühende Wüste, so heiss, dass schlafen im Auto fast unmöglich ist. Das Auto heizt sich während des Tages so auf, dass es bis Mitternacht dauert, bis die Hitze etwas entwichen ist. Und morgens um sieben Uhr ist schon wieder zu heiss. So gehen wir öfters in ein Hotel oder Guest-House. In Khiva liegt es genau gegenüber dem westlichen Tor. Vier Tore, für jede Himmelrichtung eines, gewähren den Zugang in die Stadt. Dort wähnt man sich in einem lebendigen Museum. Nicht umsonst ist diese Stadt in der UNESCO Weltkulturerbeliste enthalten. Wir können vom Balkon aus dem geschäftigen Treiben am Tor zusehen und uns gut vorstellen, wie es damals war, als die beladenen Karawanen durch dieses Tor die Stadt betraten. Heute sind es nicht mehr Händler, sondern Touristen, die hier das Eintrittsgeld entrichten und die Stadt betreten. Die Pracht der alten Bauten ist geblieben, das Angebot in den Bazaren hat sich geändert. Andenken aller Art sind zu haben. Wahrscheinlich  ist, dass es sich dabei um Ware wie damals auch „made in China“ handelt. Von den Kamelen haben wir nur eines gesehen. Es arbeitet hart als Fotomotiv im Dienste der Tourismusindustrie. Am schönsten ist die Stadt am Abend, wenn die Tageshitze nachgelassen hat und die untergehende Sonne die Lehmmauer in ein mildes Licht taucht.

Dann fast zwei Tage Fahrt durch die Wüste nach Buchara. Die längste Baustelle, die ich je „erfahren“ durfte. Über 130 km ist die Strasse im Bau. Mühsam plagen sich die modernen „Kamele“ in Staubwolken eingehüllt durch unzählige Löcher und Bodenwellen der Umfahrungspiste. Unterwegs übernachten wir in der Wüste. Wir haben eine Aussendusche, aber sie fasst nur 10 Liter Wasser, also 5 Liter pro Person. Das reicht gerade um den gröbsten Staub abzuwaschen. Die ganze Nacht hören wir das Geklapper und Motorenheulen der Lastwagen. Überall hat es viel Sand und deswegen können wir nicht weit von der Strasse wegfahren um etwas mehr Ruhe zu haben.
Am nächsten Tag wird die Strasse besser, die Landschaft grüner und gegen Mittag sind wir in Buchara, der nächsten Perle an der Schnur die Seidenstrasse heisst. Wir haben zwar von anderen Overlandern Angaben, wo man in der Stadt gut mit einem Wohnmobil stehen kann. Gut ist gut, in dieser Hitze aber unmöglich. Wir finden eine Bleibe in einem Guest-House mitten in der Altstadt. Alle Sehenswürdigkeiten Bucharas liegen gleich um die Ecke. Das Erste Mal begegnen wir hier mehr als nur vereinzelten Touristen. Buchara ist einfach schön. Um das zentrale Wasserbecken gruppieren sich restaurierte Medresen und Bazare. Auch da ist das Angebot auf die Touristen ausgerichtet. Lebensmittel und Ware des täglichen Gebrauchs kauft man natürlich auch im Bazar, aber in der Vorstadt, nicht hier im historischen Zentrum.  Das ist zum Glück autofrei und so können wir gemütlich von einer Sehenswürdigkeit zur anderen schlendern, belästigt nur von den Souvenirhändlern. Die Kalon Mosche mit gleichnamigem Minarett dient wieder dem Glauben. Zur Sowjetzeit wurde sie als Lagerhaus verwendet. Doch nur wenige Gläubige verlieren sich in den Hallen, die bis zu 10’000 Menschen Platz bieten. Usbeken sind eben keine fanatischen Moslems. So ist der Zutritt auch überall erlaubt und Alkohol wird gern getrunken.

Nach drei Tagen fahren wir Richtung Samarkand. Unterwegs besuchen wir die Stadt Shahrisabz. Hier wurde Timur, auch Tamerlan genannt, der grausame Herrscher und Eroberer, geboren. Sein Reich erstreckte sich von Ägypten bis nach China. Er lies Menschen zu Tausenden bestialisch ermorden und ganze Städte dem Erdboden gleich machen. Heute wird er von den Usbeken (obwohl er streng genommen gar kein Usbeke war) in Ermangelung anderer historischer Persönlichkeiten verehrt. Wahrscheinlich braucht jede Nation eine Identifikationsfigur? Darum steht auch hier eine übergrosse Statue von Timur. Das wäre so weit für uns noch verständlich, weniger verständlich ist, dass sich bei der Statue Hochzeitpaare fotografieren und filmen lassen. An diesem Samstagvormittag zählen wir sage und schreibe gut  zwanzig Hochzeitpaare, die zeitweise sogar warten müssen, bis die Statue „frei“ wird. Die Braut ist immer in weiss, etwas unsicher ins Brautleid gezwängt, mit sehr ernsthafter Miene. Trauert sie den Mädchenjahren nach oder ist es ein Teil des Spiels? In Usbekistan heiraten die Frauen sehr jung, mit 25 Jahren ist eine Frau schon „unverkäuflich“. Die Hochzeiten werden meist von den Familien arrangiert. Und wenn ich das Treiben an der Timur Statue beobachte, kommt mir in den Sinn, dass ich gar nicht weiss, wie man die Mehrzahl von Bräutigam schreibt.
Zwischen Shahrisabz und Samarkand liegt ein Pass von etwa 1700 Meter Höhe. Die Temperatur oben ist mit 32 Grad ganz angenehm, darum beschliessen wir hier die Nacht zu verbringen. Doch ein sehr starker Sturm rüttelt unablässig am Auto. Eben, wie es heisst – nichts ist vollkommen…
Samarkand, die letzte der drei Perlen. Um die Sehenswürdigkeiten voll zur Geltung zu bringen hat die Stadtverwaltung ganze Stadteile abreissen lassen und, wo es nicht ging, hat sie die alten, niedrigen Häuser hinter einer Mauer „versteckt“. So wirken die grossartigen Bauten entsprechend imposant, doch gleichzeitig ist das alles etwas künstlich. Wir stehen immer wieder voll Stauen vor diesen grossartigen Bauwerken, die die Jahrhunderte kriegerischer Auseinandersetzungen, Naturgewalten wie Erbeben und Stürme überdauert haben - sogar die Zeit der kommunistischen Herrschaft, die der Religionen wenig zugetan war. Riesige Kuppeln, bedeckt mit fein gearbeiteten, glasierten Ziegeln  ragen zusammen mit unzähligen Minaretten in den blauen Himmel. Leider hat man mitten drin für eine folkloristische Grossveranstaltung im August eine riesige Zuschauertribüne gebaut, die den Gesamteindruck erheblich stört.  Eben – nichts ist vollkommen…… Eine ganze „Strasse“, wo ein prächtig dekoriertes Mausoleum neben dem anderen steht, erstaunt uns von Neuen. Der Bazar ist neu und unvorstellbar riesig. Ganze Hallen mit Ständen voll Obst, Gemüse, Trockenfrüchten. In klimatisierte Räume werden Fleisch und Milchprodukte verkauft. Alles was ein Mensch braucht kann man hier finden. Es wird gefeilscht und gehandelt und es herrscht  ein Kommen und Gehen. Frauen in bunten Kleidern und goldenen Zähnen verkaufen frisch gebackenes Brot auf der Strasse. Angeblich sind goldene Zähne hier ein Schönheitsideal und ein Wohlstandsymbol. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Kleine Restaurants servieren Schaschlik - Spiesse, dazu kann man sogar Bier vom Fass  haben. Das wäre für mich allerdings ein Killer bei dieser Hitze. Am Abend im  Hotel ja, aber nicht hier. Unser Hotel, eigentlich ein Guest-House, ist ein Backpacker Treffpunkt schlechthin. Wie treffen hier einige Bekannte, wie Thomas, der mit einem Motorrad in die Mongolei fährt und andere. Das Auto steht vor dem Hotel in der prallen Sonne, gestern hat der Thermometer im Innern 52 Grad gezeigt. Uns geht es bei der Siesta im Zimmer mit Klimaanlage bedeutend besser. Auch der Internetzugang ist vorhanden, so erfahren wir, dass es sich bei den in Pakistan entführten Schweizern nicht um unsere Bekannte handelt (aber wir fühlen mit den Betroffenen). Wir haben uns schon grosse Sorgen deswegen gemacht. (siehe den Artikel „Baby on Board in diesem Blog“, die richtige Adresse von Jan, Lilian und Lola ist übrigens „blog.jan-kunz.net“ also ohne www)


Auch in Samarkand bleiben wir fast drei Tage. Morgen fahren wir  nach Taschkent, der Hauptstadt Usbekistan. Taschkent ist eine neue, moderne Stadt, dort werden wir sicher keine grossartigen Denkmäler der Vergangenheit finden, aber bestimmt viele andere interessante Dinge. Nachher erwartet uns ein neues „stan-Land“ nämlich Tadschikistan.                

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