Donnerstag, 30. Juni 2011

Iran zum letzten Mal

Nun nähert sich unser Aufenthalt in Iran langsam dem Ende entgegen. Wir hatten viele Vorstellungen und wir haben gekämpft, um in dieses Land einreisen zu dürfen. Was hat sich erfüllt, was war anders, was haben wir gesehen, was haben wir erlebt? Hat es sich für uns gelohnt?
Die etwas überhastete Einreise in Astara spät am Abend, wo die Beamten gar nicht richtig wussten, was sie mit westlichen Touristen anfangen sollen. Denn aus dieser Richtung reist selten jemand mit einem Camper ein. Der erste Eindruck: Chaos. Chaos auch auf den Strassen als wir das Zollgelände verlassen. Nirgends ein Wegweiser, welche Richtung sollen wir einschlagen, wo einen Übernachtungsplatz suchen? Also fuhren wir einfach drauf los. Am Ufer des Kaspischen Meeres haben wir bei einigen Fischerhütten eine Bleibe gefunden und am Morgen einen fangfrischen Fisch bekommen. Im Selbststudium dann eine Lektion, wie man einen Fisch ausnimmt. An der Tankstelle auch Chaos – welches ist die richtige Säule für Benzin, wie tanken ohne Zuteilungskarte, die jeder Einheimische hat? Auch da: das Problem wird gelöst. Leute, zwar meistens einer Fremdsprache nicht mächtig aber überaus freundlich und hilfsbereit, helfen uns überall. Dann die ersten Gespräche mit solchen, die Englisch sprechen. Langsam beginnt sich unser Bild von diesem Land zu bilden. Nur das Wetter hier in der Kaspischen Region passt irgendwie nicht zu Iran. Es ist bewölkt, trüb und ab und zu regnet es. Wir fahren über die Berge ins Landesinnere und es ändert sich schlagartig. Wie mit einem Messer abgeschnitten, verschwinden die Wolken. Ein blauer Himmel und Sonne, mit ihr dann die Hitze. Warm, heisse 40 Grad, viel zu viel. Wir schwitzen und trinken, es hilft nicht wirklich. Unser Brummi hat keine Klimaanlage und so leiden wir und halten Ausschau nach einem perfekten Schatten. Einmal gelingt es uns aus Not sogar auch unter einer Strassenbrücke in einem trockenen Flussbett (siehe Bild).

 
Wir besuchen die touristischen Hochburgen Isfahan, Shiraz, Persepolis, Yazd und wie sie alle heissen. Eines haben sie gemeinsam: obwohl in der UNESCO Weltkulturerbe-Liste aufgeführt, begegnen wir fast keinen Touristen und schon gar nicht Gruppenreisenden. Uns freut es natürlich aber die Iraner möchten schon gerne mehr Besucher. Da kommt aber die Politik ins Spiel, denn die steht sich manchmal selber im Weg, dieses Ziel zu erreichen. Unsere Visageschichte lässt grüssen.
Iran ist im Westen mit vielen Vorurteilen behaftet – etwas davon stimmt, anderes ist vielleicht zur Hälfte wahr. Kopftuch und das islamische Kleiderordnung für Frauen: Klar, Romy musste sich entsprechende Kleidung verschaffen, nein, ein Chador ist nicht vorgeschrieben, auch wenn eine gute Hälfte der Frauen ihn trägt. Die andere Hälfte nimmt es locker. Unter einem modischen Kopftuch lugen viele Haare hervor und mit Make-up wird auch nicht gespart. Ab 9 Jahren müssen die Mädchen ein Kopftuch tragen. Natürlich hören wir auch Geschichten, was alles passieren kann, wenn die Religionspolizei ihres Amtes waltet. Mich, unter einer kommunistischer Regime aufgewachsen, erinnert es an diese Zeiten: wer sich nicht offen auflehnt und wenigstens tut als ob, wird nicht behelligt, die Anderen kommen aber dran. Auf der anderen Seite können wir als Nichtmoslem jedoch fast jede Mosche betreten. Die Bilder des geistigen Führers Khomeini, die an fast jeder Ecke hängen, sagen klar, wer der Herr in diesem Land ist. Mindestens ein Fernseherprogramm sendet ausschliesslich religiöse Themen rund um die Uhr, die anderen dürfen nur nach der islamischen Kleiderordnung gekleidete Schauspielerinnen oder Ansagerinnen zeigen. Dagegen sieht man nirgends die Bilder des Staatspräsidenten Ahmadinejad, der im Westen als ein Bösewicht gilt.
Alkoholische Getränke sind verboten und man kann sie auch nicht kaufen. Bier gibt es nur nicht alkoholisches, wobei nicht einmal das Wort Bier verwendet wird. Es heisst immer „ein nicht alkoholischer Malzgetränk“. Unser Erstauen ist gross, als uns ein deutscher LKW überholt mit Bierreklame auf beiden Seiten: „Bier, das wahre Genuss“. Wir reden bei einem Stopp mit dem Fahrer. Er ist auf dem Weg nach Afghanistan, mit dem flüssigen Nachschub für deutsche Truppen. Ob sich das lohnt?
Auch das Atomprogramm des Irans ist ein Thema im Westen. Wir fahren an dem Forschungszentrum in Natanz vorbei. Natürlich sehen wir nicht viel, denn das Gelände ist riesig und es ist von der Strasse nicht einsehbar. Was wir aber sehen sind Flugabwehrkanonen an jedem Hügel rund um die Anlage. Man ist scheinbar vorbereitet.
Sonst ist die Polizei oder das Militär wenig präsent. Und es ist mehr aus Neugier, wenn die Beamten unser Auto kontrollieren. Einen Camper sehen sie nicht so oft und es ist immer interessant, was die Westler so mit sich herumschleppen.
Internet ist beliebt in Iran. Allerdings erlaubt die Regierung nicht alles. Unsere Blogseite können wir hier nicht erreichen, sie ist einfach blockiert. Es kommt nur eine Warnung in persischer Sprache. Aber findige Helfer in einem Internet Café wissen Rat. Etwas auf der Tastatur herumhacken, ein paar geheime Kodewörter und schon kann ich meinen Blog bearbeiten.
In der Wüste überholen wir einen Touristen mit einem Velo. Wir haben im Auto 40 Grad. Draussen prallt die Sonne umbarmherzig hernieder und dauernd donnern Lastwagen vorbei, die ihn mit einer schwarzen Abgaswolke einhüllen. Wir können auf der engen Strasse nicht anhalten und so erfahren wir nie, wer dieser Mann war und wohin er fuhr. Velo wird in Iran wenig gefahren, da fährt man stolz Auto oder wenigstens ein Motorrad. Das Velo ist nur gut als ein Spielzeug für Kinder. Und es spielt keine Rolle, dass die Städte im Verkehr und Abgase ersticken. Eine Spezialität des iranischen Verkehrs sind die „Speed Breaker“, gemeine Schwelle auf der Fahrbahn, die oft unerwartet auftauchen und das Auto regelrecht in die Luft fliegen lassen. Manchmal sieht man sie, farbig angestrichen vom Weiten, manchmal sind sie gut getarnt. Ihren Zweck, den Verkehr langsam fliessen zu lassen, erfüllen sie aber immer. (hoffentlich liest kein Verkehrsminister diese Zeilen).
Die Jugend – auch sie versucht sich den Umständen entsprechend durchzuschlagen. Wir hören Klagen, wie schwierig ist, es auch mit einer guten Ausbildung, einen Job zu bekommen. Viele wollen ins Ausland, sehen keine Zukunft mehr in Iran. Kanada gilt als gelobtes Land. Andere, hier ausschliesslich Männer, sind zufrieden, wenn sie mit ihren Motorräder in den Strassen ein verrücktes Rennen veranstalten können. Und trotz Geschlechttrennung und arrangierter Ehe, man sieht verliebte Paare, die in aller Öffentlichkeit Händchen halten.


Auch wir waren von der Geschlechttrennung   im öffentlichen Verkehr betroffen. In einem Bus sitzen vorne die Männer, der hintere Teil ist den Frauen vorbehalten. Für uns war dabei die Verständigung das Schwierigste, schliesslich wollten Romy und ich ja auch gemeinsam an der gleichen Haltestelle aussteigen!
Um unser Iranbild abzurunden, haben wir bei einer iranischen Familie ein Zimmer für drei Tage gemietet. Einerseits um der unerträglichen Hitze im Bus zu entfliehen, aber auch, um etwas mehr von der iranischen Kultur und dem Familienleben mitzukriegen. Unser Gastgeber spricht sehr gut englisch und so können wir ihn mit Fragen löchern. Zu Hause tragen die Frauen kein Kopftuch. Wenn ich jedoch unerwartet in das Zimmer trete, ist ihre Reaktion ungefähr so, als würde bei uns eine nackte Frau in ihrer Wohnung von einem fremden Mann überracht. Sie rennen Hals über Kopf aus dem Zimmer um das Kopftuch zu holen. Ja, fremde Länder, fremde Sitten……………

Lange könnte ich noch über dieses Land berichten, über die Begegnungen mit seinen freundlichen Menschen. Leider hat alles ein Ende. Schon bald werden wir eine andere Grenze überschreiten und nach Turkmenistan ausreisen. Bei allem was wir gesehen und erlebt haben – für uns hat sich der Kampf um das Visum  auf jeden Fall gelohnt.


   

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