Mittwoch, 8. Juni 2011

Der Fünfer und das Weggli.

Viele Bekannte haben mit uns gebangt und uns viel Glück gewünscht. Es geht um das leidige Thema „Iran Visum“, das uns (auch bei Miro) schlaflose Nächte gebracht hat. Drei mal wurde uns das Visum von der iranischen Botschaft in Bern verweigert, trotz des Einschaltens einer Visa Agentur. Ein Plan „B“ war nötig, und das war die  Route über Georgien, Aserbaidschan und dann mit der Fähre über das Kaspische Meer nach Turkmenistan. Aber uns den Iran mit den schönen Baudenkmälern und seiner reichen Kultur (trotz Chador für Romy) entgehen zu lassen – nein, das wollten wir auf keinen Fall. Also ging unser Kampf weiter. Von unterwegs wurde eine iranische Agentur beauftragt, die Authorisationsnummer, ohne die es kein Visum gibt, beim Aussenministerium in Teheran zu beantragen. Das Hoffen und Bangen ging also weiter, der Antrag wurde wieder abgelehnt. Im Lonely Planet Forum schreiben viele Enttäuschte: „Einmal abgelehnt, immer abgelehnt“ und es schien der Wahrheit zu entsprechen. Doch mit dieser „Iranvisa.com – Agentur“ haben wir einen guten Riecher gehabt. Diese Leute gaben sich nicht geschlagen und haben sofort ein Widererwägungsgesuch gestellt. Mittlerweile waren wir schon in Erzerum und versuchten dort auf dem iranischen Konsulat unser Glück. Der Konsul teilte uns freundlich aber bestimmt mit, dass er uns ohne diese ominöse Nummer kein Visum ausstellen darf. Enttäuscht wollten wir schon Richtung Georgien abreisen. Bevor wir aber Erzerum verliessen wurde noch die E-Mail – Box gecheckt und siehe da – die alles entscheidende Nummer aus Teheran war da!

Sofort gingen wir zurück zum Konsulat und nachdem man uns um  150 Euro  „erleichtert“ hatte war das lange ersehnte Visum im Pass. Nun aber kam  Romy eine neue Idee, eben „den Fünfer und das Weggli“, das heisst, nicht direkt aus der Türkei in den Iran einzureisen, sondern eben über die Länder aus dem Plan „B“ zu fahren. Schliesslich hatten wir ja bereits Geld in Visa für diese Staaten angelegt. Also fuhren wir Richtung Norden nach Georgien. Das Passieren der Grenze war ein Kinderspiel. Die Grenzbeamten machen von jedem von uns ein Foto, für was auch immer (vielleicht für ihr privates Fotoalbum)? Es gibt noch Stacheldraht und Wachtürme, die nun still vor sich hin rosten, aus der Zeit, als Ost und West hier eine gemeinsame Grenze hatten,. Georgien, eine ehemalige sowjetische Republik, ist seit 1991 ein selbständiger Staat. Wegen des Konfliktes mit Russland über die abtrünnige Regionen Süd Ossetien und Abchasien steht das Land in den Schlagzeilen und dazu werden pünktlich zu unserer Einreise Unruhen im Land gemeldet. Was wartet hier auf uns?  Die Armut ist auffällig. Viele Fabriken und ehemaligen Kolchosen sind nur noch Ruinen, halb zerfallen, alles Brauchbare abmontiert - es sieht aus wie nach dem Krieg. Geschwindigkeitsbegrenzungstafeln braucht es in diesem Lande keine. Die zahllosen Schlaglöcher in den Strassen (so die denn diese Bezeichnung verdienen) sorgen automatisch für eine angemessene Fahrweise. Es gibt wenige Neubauten, man sieht dem Land den wirtschaftlichen Niedergang sofort an. Alles wirkt marode und verkommen. Doch die Leute machen solche Unzulänglichkeiten mit ihrem freundlichen Wesen und ihrer Hilfsbereitschaft wett. Miro kramt seine bescheidenen Schulkenntnisse der russischen Sprache aus der Hirntruhe und siehe da, eine Verständigung ist möglich. Allerdings sind es eher ältere Leute, die noch russisch sprechen, die junge Generation lernt nicht mehr russisch in der Schule.
Wir besuchen die Höhlenklöster bei Vardzia in einer riesigen Felswand. Generationen von Mönchen haben hier unzählige Höhlen gegraben. Ein Teil davon wird von ihnen heute noch bewohnt. Wir kommen gehörig ins Schwitzen, denn es ist fast eine Kletterei um auch die oben gelegen Höhlen und Felsenkirchen zu erreichen.
Um in die Hauptstadt Georgiens zu gelangen, fahren wir eine kleine Strasse, die  über einen 2400 Meter hohen Pass führt. Unten bei der Abzweigung fragt Miro mehrmals nach den Pistenverhältnissen. Von verschiedenen Personen wird bestätigt, dass der Pass offen ist, also fahren wir los. Die bittere Wahrheit kommt  nach mehr als 30 km übelster Piste ans Tageslicht. Oben liegt noch meterweise Schnee, ein Durchkommen ist unmöglich. Dafür ist dann die längere Strasse sehr gut ausgebaut. Unterwegs kommen uns riesige Schafherden entgegen, oft mehrere Hundert Tiere laufen den Leitschafen hinterher. Esel und Maultiere tragen die Ausrüstung, die Hirten hoch zu Ross, haben alles im Überblick. Sie ziehen zu den Sommerweiden hoch im Gebirge.


Tbilisi begrüsst uns mit  Verkehr für den es nur ein passendes Wort gibt: MÖRDERISCH. Die Autofahrer scheinen sich um keine Verkehrsregel zu kümmern, falls sie überhaupt welche kennen. Es gilt nur vorwärts zu kommen, so schnell wie möglich. Und nur wer starke Nerven hat, kann hier bestehen. Es wird gedrängt, rechts überholt, den Weg abgeschnitten, wild gehupt, kurz - für einen erzogenen Schweizer Autofahrer ein reiner Horror, der den Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen treibt. Dazu gibt es in der ganzen Stadt keinen einzigen Wegweiser. Es grenzt schon an ein kleines Wunder, dass Miro unseren demolierten Bus und uns hier heil durch bringt.
Georgien möchte sehr gerne in die EU. Doch das ist noch ein sehr weiter Weg. Vielleicht ist das der Grund, dass bei allen öffentlichen Einrichtungen schon jetzt die EU Fahnen wehen. Wenigstens so tun als ob, und hoffen der Wunsch gehe irgend einmal in Erfüllung…….
Auf der Fahrt in Richtung Aserbaidschan wollen wir auf einem Hügel mit einem mehreren Meter hohen Kreuz übernachten. Doch oh je, schon bald kommt die Polizei. Auf unsere Frage, ob wir hier über Nacht stehen können, antworten sie zu unserem Erstaunen: „Ja, das ist überhaupt kein Problem“. Dann schenken sie uns eine Flasche Mineralwasser, echt georgisches, wie sie betonen und später bringen sie uns auch noch Eis, natürlich ebenfalls echt georgisch.
Am nächsten Tag dann die neue Grenze, wir betreten die zweite ehemalige Sowjetrepublik, indem wir in Aserbaidschan einreisen. Der Zöllner schaut in unser Auto und fragt: Ist das nun ein Auto oder ein Haus?“ „Ein Autohaus“, gebe ich ihm zur Antwort und damit gibt er sich zufrieden. Haben wir bis jetzt auf unserer Reise oft gefroren (ich musste wochelang die langen Unterhosen montieren) wird es hier schlagartig hiess, über 35 Grad. Sofort merkt man, dass hier ein anderer Wind weht. Das Land hat grosse Öl und Gasvorräte, es ist also  reich. Überall sind neue Gebäude, neue Strassen, neue Autos. Geldautomaten an jeder Strassenecke. Für uns sehr erfreulich, das Benzin kostet nur etwa 65 Rappen, (im Gegensatz zu der Türkei, wo wir Fr. 2.55 für einen Liter berappen mussten), da macht das Tanken noch Freude. Um die Tankstellen sind Rosengärten angelegt, eine wahre Augenfreude. Zuerst fahren wir am Kaukasus entlang, wo es schön grün ist.  Doch je mehr wir uns der Hauptstadt Baku nähern, desto wüstenartiger wird die Landschaft. Die Autofahrer in Baku haben ungefähr den gleichen Fahrstil wie die Georgier.
Wahrscheinlich sind sie bei ihnen in der Fahrschule gegangen. Etwas haben sie aber irgendwo anders gelernt – zu unserem grössten Erstaunen  wird am Fussgängerstreifen angehalten! Doch wie wir feststellen, alles haben sie noch nicht so gut im Griff. In nur 10 Minuten sehen wir auf der Stadtautobahn drei Unfälle. Bei einem gehen die beiden Fahrer der ziemlich üblich zugerichteten Autos mit den Fäusten aufeinander los – und das mitten auf der Autobahn. Einer der Kampfhähne blutet im Gesicht. Ich kann nicht sagen, ob es vom Unfall oder vom Ringkampf ist.  In Baku schicken wir Christine, mit welcher wir Tibet bereisen wollen, eine SMS. Vielleicht ist sie ja irgendwo in der Nähe. Und siehe da, sie antwortet, dass sie in ungefähr einer Stunde ebenfalls in der Hauptstadt sein wird. Es dauert dann allerdings über vier Stunden, denn sie hat den Verkehr hier unterschätzt. Die Wiedersehensfreude ist gross. Wir verbringen zusammen einen Tag an einem Strand am Kaspischen Meer, bevor sie mit der Fähre nach Turkmenistan übersetzt. Wir fahren zur iranischen Grenze. Ein neues Land – ein neues Abenteuer kommt auf uns zu. Wir haben also den Fünfer und das Weggli bekommen: Georgien, Aserbaidschan und nun reisen wir in Iran ein. Eine Frage beschäftigt uns aber: Werden uns die Mullahs gut gesinnt sein?

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