Samstag, 16. Juni 2012

Das Land hinter den sieben Bergen I


Wir bleiben drei weitere Tage in Zanskar, denn im Kloster Bardan, 12 Kilometer von Padum entfernt, findet ein Klosterfest mit Maskentänzen. Wie ein Adlernest thront das Kloster auf einem riesigen Felsen über einem wilden Fluss. Bei unserer Ankunft ist das Fest schon im vollen Gange. Viele Einheimische sind anwesend, vor allem die Frauen haben ihre besten Kleider und ihren kostbarsten Schmuck angezogen. Romy hat grosse Freude weil einige der Frauen den traditionellen Kopfschmuck, Perak genannt, tragen, den man sonst selten sieht.

Die Mönche führen schier endlose Zeremonien und Handlungen durch, begleitet mit Hörnern und Trommeln. Es werden riesige Muscheln geblasen, geheimnisvolle Kräuter und Flüssigkeiten ins Feuer gestreut, Gebete gemurmelt, Glocken geläutet und vieles mehr. Uns bleibt der Sinn dieser Handlungen verborgen, doch den Pilgern bedeuten sie scheinbar viel und sie werden mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt. Das Ganze zieht sich über Stunden, dann wird das Mittagessen gebracht. Dieses Kloster ist nicht so reich und so ist das Essen eher bescheiden, Tsampa – geröstetes Gerstenmehl mit etwas Sosse und Buttertee. Anschliessend kommt, für uns - wie für die Einheimischen, der Höhepunkt des Festes, die Maskentänze.

Die Mönche haben sich im Inneren des Tempels umgezogen und tragen nun teils furchterregende Masken. Begleitet durch eine monotone, scheinbar sich ständig wiederholende, Musik beginnen sie mit ihren Darbietungen. Den Sinn und die tiefe Symbolik bleibt uns, dem unwissenden Zuschauer, fremd, doch die Pilger wissen um ihre Bedeutung und lassen keine Bewegung der Tänzer aus den Augen.

Am nächsten Tag besuchen wir die Residenz vom Dalai Lama. Es ist kaum bekannt, dass ihm in Ladakh drei Residenzen an verschiedenen Orten zur Verfügung stehen, eine davon hier in Zanskar. Wenn Seine Heiligkeit nicht anwesend ist, kann man diese besichtigen. Sie besteht aus einem Tempel, einer Audienzhalle und der privaten Wohnung. Es ist für uns ein komisches Gefühl durch eine fremde Wohnung ohne Wissen des rechtmässigen Bewohners zu laufen. Ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein westliches Badezimmer, alles bescheiden eingerichtet, das ist alles. Auch hier begegnen wir Pilgern die sich vor dem leeren Bett des Dalai Lamas zu Boden werfen, denn alles, was Seine Heiligkeit berührt hat, ist für sie heilig. Ein anwesender Mönch segnet sie mit den Flipp-Flopps des Dalai Lamas.


Wir verlassen Zanskar und fahren die Sackgassenpiste wieder zurück an die Hauptverbindungsstrecke. Nach zwei Tagen Rumpelei sind wir froh, eine bessere Strasse unter den Rädern zu haben. Wobei besser wie immer relativ ist. Es geht über zwei Pässe und auf dem zweiten überrascht uns ein Schneesturm. Im Nu wird die Strasse rutschig und wir stehen Stunden zwischen Lastwagen gefangen. Dann kommen wir ins Tal, welches vom mächtigen Fluss Indus durchzogen wird. Er ist einer der vier Flüsse die am heiligen Berg Kailash in Tibet entspringen. Er begleitet uns jetzt bis wir Leh, die Hauptstadt Ladakhs erreicht haben. Ladakh wird „The Little Tibet“ genannt und tatsächlich erinnert uns vieles an Tibet. Nur scheint uns hier alles viel ursprünglicher und das ist kein Wunder, denn hier hat nie eine Kulturrevolution - wie in Tibet - stattgefunden, hier haben keine Roten Garden gewütet. Zerstörungen, die wir hier sehen, wurden alleine durch den Zahn der Zeit verursacht. Die Leute sind sehr freundlich, lachen und es herrscht keine Hektik wie in indischen Grossstädten. Wir haben einen ruhigen Platz bei einem Hotel gefunden, wo wir eine Attraktion für die indischen Touristen darstellen. Ich kann mich nicht erinnern, in meinem Leben so oft fotografiert worden zu sein. Die Angestellten des Hotels sorgen für uns als ob wir ihre Eltern wären. Und als wir einmal aus der Stadt zurückkommen, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen, der Brummi ist verschwunden! An seiner Stelle steht ein neuer Wagen, er glänzt als wäre er gerade aus der Fabrikhalle gekommen. Die Hotelangestellten haben ihn so gründlich gewaschen und poliert, dass ich ihn am liebsten gleich ins Museum stellen würde…
Auch hier, in der Nähe von Leh, findet ein Fest statt, das dem Indus, einem der wichtigsten Flüsse Indiens, gewidmet ist. In langen Wagenkolonnen kommen die VIPs an, Minister, Kommissare, Militärs und andere. Die Indienflagge wird mit militärischen Ehren gehisst und lange Reden werden geschwungen. Das alles interessiert uns wenig, wir sind für den kulturellen Teil gekommen. Viele Gruppen aus verschiedenen Ecken Ladakhs tanzen in ihren Trachten. Es ist ein farbenprächtiges Spektakel, begleitet von Trommeln und Hörnern. Am zweiten Festtag ist ein Polo-Spiel auf dem Programm. Wir sind gespannt, denn keiner von uns hat je ein Polo-Spiel live erlebt. Natürlich fängt das Ereignis nicht an ohne die VIPs vorher gebührend zu würdigen. Das Spiel mit je sechs Spielern auf jeder Seite wird mit Ponys ausgetragen. Sie und die Spieler geben alles, denn es ist nicht leicht den Ball mit knapp 10 Zentimeter Durchmesser mit einer Art Schläger zu erwischen. Die Zuschauer feuern die Spieler lautstark an. Am Schluss gewinnt die blaue Mannschaft eins zu zwei. Sie bekommt einen goldenen Pokal vom Minister höchstpersönlich überreicht, die Ponys gehen leer aus. Wir hoffen, dass es für sie am Abend wenigstens eine extra Portion Hafer gibt.

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