Sonntag, 31. August 2014

Ein Besuch beim Santa Klaus

„Nachdem wir schon am Polarkreis waren, können wir ja doch noch zum Nordpol fahren“, sagen wir uns. „Jetzt sind sie aber übergeschnappt, dorthin fahren ist doch gar nicht möglich“, werdet ihr einwenden, aber es ist wahr. Nord Pole heisst nämlich eine kleine Ortschaft, etwa 12 Meilen von Fairbanks entfernt.

Ausser dem Namen gäbe es hier nichts Besonderes wenn, wenn nicht der amerikanische Santa Claus persönlich hier wohnen würde. Santa Klaus bedeutet für amerikanische Kinder das gleiche wie für die Kinder in Europa das Christkind – er bringt an Weihnachten die Geschenke. Und wirklich, in einem rot-weissen Haus mit einem grossen Parkplatz ist er zu Hause. Wenn amerikanische Kinder dem Santa Klaus einen Brief mit ihren Weihnachtswünschen schreiben, dann ist die Adresse „Santa Claus, Nordpole“ und alle Postämter im Land wissen, wohin sie diese Briefe befördern müssen. Da wären ja alle Kinder enttäuscht, wenn es in diesem Ort gar keinen Santa Klaus geben würde. Warum sollte es auch nicht, mit dieser Idee lässt sich ja wunderbar Geld verdienen. Und nicht nur kurz vor Weihnachten sondern das ganze Jahr durch. So gleicht das Haus einem grossen Einkaufzentrum, wo man alles kaufen kann, was irgendwie mit Weihnachten zu tun hat. Von einem Rentier-Figürchen bis zum geschmückten, künstlichen Weihnachtsbaum, alles ist da. Die anwesenden Kinder können sich mit einem lebendigen, bärtigen Santa Klaus fotografieren lassen und für die Daheimgebliebenen können die Eltern oder Verwandten einen Brief aufsetzen, der dann zu gegebener Zeit an den Nachwuchs verschickt wird. „Stellen Sie sich die Augen der Kinder vor, wenn sie vom Santa Klaus aus Nordpol persönlich einen Brief bekommen“, lockt die Werbung, „und es kostet ja nur 14 Dollar“.


In Delta Junction erreichen wir den berühmten Alaska Highway. Diese Strasse nimmt ihren Anfang weit unten in Kanada in Dawson Creek. Weit über 1400 Meilen ist sie lang, erbaut im Zweiten Weltkrieg in nur etwas mehr als acht Monaten. Der Grund für diese immense Anstrengung war die Angst der Amerikaner, Japan könnte Alaska besetzen und von dort aus Kanada und USA angreifen. Denn zu dieser Zeit gab es überhaupt keine Landverbindung nach Alaska. Jetzt spulen wir gemütlich die Meilen ab, die damals unter unvorstellbaren Schwierigkeiten gebaut wurden. Schnurgerade führt die Strasse durch schier unendliche Wälder. Nur selten geben die Bäume freie Sicht auf Flüsse oder Seen. Der Verkehr ist spärlich und Ortschaften am Weg gibt es wenige. Eine solche heisst Tok. 

Kurz danach verlassen wir den Alaska Highway wieder und biegen nach Norden. Diese Strasse hat den Namen „Top of the World Highway“ und führt vorwiegend auf einem Hügelkamm. Vielleicht deswegen? Der letzte Ort auf dieser Strecke in Alaska hat einen etwas lustigen Namen, er heisst „Chicken“. Auch wenn das Benzin hier einiges mehr als in Fairbanks kostet, tanken wir voll, denn in Kanada soll das Benzin um etliches teurerer sein als in USA. 


Zu Besichtigung in der Umgebung gibt es einen verrosteten „Dregger“, eine Art schwimmenden Bagger, mit dem früher Gold gefördert wurde. Nun wurde es zu einem Museum umfunktioniert. Es fördert kein Gold mehr sondern Touristendollars. Nach weiteren 60 Kilometern Schotterstrasse stehen wir an der Grenze. An der amerikanischen Seite werden wir gar nicht kontrolliert, der kanadische Beamte schaut kurz in unsere Pässe und sagt „Wellcome in Canada“.


Montag, 25. August 2014

Bis es nicht weiter geht

Alle Reiseführer und Prospekte sind sich in einem Punkt einig – der Höhepunkt jedes Alaska Besuches ist der Denali Nationalpark mit dem höchsten Berg Nordamerikas, dem Mount McKinley mit 6194 Metern. Nun wie es so mit den Höhepunkten im Leben ist, sie gelingen oft nicht so, wie man es gerne hätte. So auch unser Parkbesuch. Als wir ankommen, regnet es (noch immer). Trotz schlechten Aussichten für morgen buchen wir eine Fahrt. Nur etwa 15 von insgesamt 92 Meilen der Parkstrasse sind für den privaten Verkehr freigegeben, weiter kommt man nur im Rahmen einer Tour. Der Morgen lässt aber hoffen, es regnet nicht mehr und es gibt sogar ein paar blaue Löcher im grauen Himmel. Unseren Rucksack mit der Verpflegung haben wir gestern gepackt, also nichts wie los. Die Tour wird 12 Stunden dauern und im Park gibt es keine Möglichkeit irgend etwas zu kaufen. Unser Transportmittel ist ein  ehemaliger Schulbus mit einer Fahrerin, die fast ununterbrochen redet und die ganze Busladung – 36 Menschen – wie eine Schulklasse belehrt.


Macht nichts, denn wir haben wirklich Glück. Es klärt auf und wir können den Mount McKinley sehen. Somit gehören wir angeblich zu dem Drittel der Parkbesucher, die den Berg überhaupt zu Gesicht bekommen. Die Landschaft variiert: Berge mit Gletschern, mädernde Flüsse, Seen und Wälder, die später in Tundra übergehen.

Aber das Wichtigste sind die Tiere. Wir werden von der Fahrerin angewiesen, jedes Tier sofort zu melden etwa in dieser Art: „One bear ten o’clock“, also gemäss dem Zifferblatt, damit jeder weiss, in welcher Richtung er schauen muss. Die Fahrerin stoppt dann sofort und wir dürfen die Fenster öffnen. Ausser bei einer Toilettenpause darf niemand den Bus verlassen. Am häufigsten sehen wir Bären, aber auch Karibus, eine Wolfsfamilie, Fuchs und Dall. Schafe. Letztere leider nur als kleine weisse Punkte hoch an den Berghängen. Nach sechs Stunden erreichen wir Kantishna, ein Dorf mitten im Park. Seine Gründung geht, wie könnte es in Alaska anders sein, auf reiche Goldfunde zurück. Auch heute kann man in den Bächen noch Gold waschen, aber nur auf dem Parkgelände, alles andere ist „Private Property“. Nach einer Pause geht es zurück, mit einem Abstecher zum „Wonder Lake“. In ihm soll sich der Mount McKinley wunderschön spiegeln, darum auch der Name. Leider tut er es nicht, denn mittelweile ist der Himmel wieder mit dichten schwarzen Wolken verhangen. Und bald fängt es an zu regnen. Zurück im Camping fragen uns die Nachbarn, ob wir Fisch mögen und als wir bejahen, schenken sie uns eine Lachshälfte. „Ungefähr eineinhalb Kilo frischer Lachs“ meint Romy, nachdem wir uns bedankt haben. Und wirklich, es reicht für drei köstliche Mittagessen. Am ersten Tag gibt es Lachs gebraten, am zweiten Tag Lachsnudeln und dann noch eine Fischsuppe – für mich waren alle drei Gerichte die wirklichen Höhenpunkte.

Weiter fahren wir nach Fairbanks. Es ist die zweitgrösste Stadt Alaskas -  auch wenn sie nur 32000 Einwohner hat. Sehenswert ist die moderne Universität mit dem Botanischen Garten.

Hier finden wir die berühmten Kohlköpfe, die dank den langen Tagen hier riesengross sind. Über 60 cm im Durchmesser, schätzen wir. Der Rekord liegt irgendwo bei 60 Kilogramm. Aber auch Zucchini wachsen auf die Grösse von Drittklässlern heran. Neun Kilogramm schwere Karotten aus dem Boden zu ziehen ist eine sportliche Leistung und ein Bund Mangold kann es auf 2.70 Meter bringen. Am Stadtrand liegt ein grosses Schutzgebiet, wo die Zugvögel auf ihrem Flug nach Norden oder Süden Rast einlegen. Im Moment bereiten sich schon die ersten Schwärme für den Flug nach Süden vor. Ja der Sommer in Alaska ist kurz.








Dann nehmen wir die Dalton Highway unter die Räder. Diese Strasse wurde als Zubringerstrasse zu den Ölfeldern im hohen Norden Alaskas gebaut. 



In der Strassennähe verläuft - wie ein silberner Wurm - die Pipeline, die das Erdöl aus dem Norden zum eisfreien Hafen in Valdez bringt. Sie gehört zu den grössten Projekten der USA. Auf 800 Meilen überwindet sie Gebirge, mächtige Flüsse und menschenleere Landstriche. Das Öl darin ist fast zwei Wochen unterwegs. Wegen dem Permafrostboden mussten viele Abschnitte auf Stelzen gebaut werden. Die Strasse, die wir nun fahren ist rauh, mit vielen Löchern übersät. Schwere Lastwagen, die Material und Versorgungsgüter zu den Ölfeldern bringen, donnern an uns vorbei. Sie haben hier absoluten Vortritt. Wir halten jedesmal freiwillig an, denn die Gefahr von aufgewirbelten Steinen ist gross und eine neue Windschutzscheibe wäre hier nicht zu bekommen. Auf einer 600 Meter langen Brücke überqueren wir den mit vielen Legenden umwobenen Fluss Yukon. Der Wald wir allmählich durch Tundra abgelöst, wir sind schon weit nach Norden vorgedrungen. Das wird uns erst richtig bewusst, als wir den Polarkreis passieren. Nach den beiden Wendekreisen und dem Äquator haben wir nun auch diese Linie auf dem Globus erreicht. Es geht aber noch ein rechtes Stück weiter. Dann kehren wir um, denn diese Strasse ist eine Sackgasse. Doch die Rückfahrt wird zu einer Schlammschlacht, denn es hat wieder starker Regen eingesetzt. Und es wird uns hier noch etwas anderes bewusst – ab diesem Wendepunkt, hoch im Norden, geht es nur noch Richtung Heimat.


Dienstag, 19. August 2014

Bären und der grosse Regen

Unser erstes Ziel in Alaska ist Homer, im Süden der Kenai-Halbinsel gelegen. Hier planen wir etwas Grosses – zu den Bären fliegen. Wir haben uns das „Hallo Bay Bear Camp“ ausgesucht, dort kann man relativ günstig in fest installierten Zelten übernachten. Zuerst haben wir Glück, denn obwohl wir nicht im voraus gebucht haben, gibt es noch freie Plätze. Zwar nicht schon für morgen, aber übermorgen. Wir besuchen inzwischen den „Homer Spit“, eine sandige Landzunge, die einige Kilometer ins Meer hinaus ragt.


Dort wird vor allem gefischt und es hat viele Campingplätze direkt am Strand. Leider scheint es, dass inzwischen das schlechte Wetter auch Homer erreicht hat. Als wir uns nach der genauen Abflugzeit erkundigen, werden wir auf Nachmittag vertröstet, und als wir dann wieder erscheinen, auf morgen. Das schlechte Wetter in der Gegend der „Hallo Bay“, erlaubt keine Flüge, heisst es. Auch die Leute, die bereits dort unten sind, können nicht ausgeflogen werden. Am dritten Tag wiederholt sich die Situation. Wir wollen nicht mehr länger warten, die Ungewissheit ist zu gross. Problemlos bekommen wir die Anzahlung zurück und wir denken dabei an die Touristen, die nicht zurückfliegen können – jede zusätzliche Nacht im Bärencamp kostet sie 150 Dollar - an verpasste Anschlussflüge und weitere Probleme gar nicht zu denken.

Doch so leicht geben wir nicht auf und suchen eine andere Möglichkeit, die Bären zu „besuchen“. Bei „Beluga Air“ buchen wir eine Tagestour in den Lake Clark Nationalpark. Diesmal fliegen wir pünktlich ab. Das kleine Wasserflugzeug mit nur sechs Plätzen hebt an einem See in der Nähe von Homer ab und landet, oder besser gesagt wassert, nach etwa 45 Minuten Flug im Nationalpark.



Dort werden wir zuerst mit einem köstlichen Lachs zum Mittagessen begrüsst, dann besteigen wir ein kleines Boot und fahren am Ufer entlang. Lange muss unser Ranger nicht suchen und wir sehen die erste Bärin, ein riesiges Tier, fast drei Meter, schätzen wir. Sie steht auf den Hinterbeinen im Wasser und hält nach Lachsen Ausschau.

Vom Ranger, der die Bären hier genau kennt, erfahren wir, dass sie 14 Jahre alt ist. Vergnügt fischt sie nach Lachsen und hat dabei viel Erfolg. Vielleicht auch wegen ihrer schlauen Taktik – sie taucht vollständig unter Wasser und bleibt relativ lange unten. Nie hätten wir geglaubt, dass es ein Bär es so lange unter Wasser aushalten kann. Später sehen wir noch viele andere Bären. Eine Mutter mit drei Jungen, die ziemlich mager ist, was bei so zahlreichem Nachwuchs kein Wunder ist. Der Ranger meint, dass es ungewiss ist, ob sie sich noch genug Reserven für den nächsten Winter anfressen kann. Ein vierjähriges Geschwisterpaar ist gemeinsam unterwegs, meistens begegnen wir aber Einzelgängern. Die Bären scheinen uns im Boot gar nicht zu bemerken, zu sehr sind sie auf die Lachse konzentriert. Dabei beträgt die Entfernung zu ihnen kaum 20 Meter.




Noch einmal fahren wir nach Whittier, dem Hafen, wo wir vor einer Woche angekommen sind. Damals hat es in Strömen geregnet, nun regnet es Bindfäden. Vielleicht hat es seit unserem ersten Besuch gar nie aufgehört? Dabei wollten wir eine Bootstour im Prince Williams Sound unternehmen. „26 Gletscher in 5 Stunden“ verspricht die Werbung. Bei diesem Wetter hat es aber keinen Sinn. Wir beschliessen, noch einen Tag länger zu warten. Es regnet die ganze Zeit ununterbrochen weiter, fast wachsen uns Schwimmhäute und wir kriegen einen Regenkoller. Nun bin ich geneigt, den Sätzen aus der Geschichte von Whittier zu glauben. Während des Zweiten Weltkrieges haben die Amerikaner diesen Hafen ausgebaut – wegen „notorisch schlechtem Wetter“, heisst es dort. Im Schutz der tiefhängenden Wolken war der Hafen vor den Angriffen der japanischen Flugzeuge sicher. Mit schwerem Herzen verzichten wir am nächsten Tag auf „die 26 Gletscher“ und lassen sie buchstäblich „ins Wasser fallen“. „Nichts als raus aus diesem Regenloch“, sagen wir uns und fahren nach Anchorage.

Der Camping in Anchorage ist fest in Schweizer Hand. Wir treffen dort zuerst auf Maria und Hans-Jürg, die mit einem Mercedes Wohnmobil mit Berner Nummer ein Jahr länger unterwegs sind als wir. Zwei weitere Paare mit gemieteten Fahrzeugen gesellen sich zu der Runde. Es gibt Kaffee, Engadiner Nusstorte aus der Schweiz und viel, viel zu erzählen.



Anchorage, die grösste Stadt in Alaska, bietet nicht viele Sehenswürdigkeiten. Bei einem schweren Erdbeben im Jahr 1964 wurden viele ältere Gebäude zerstört und später durch Neubauten ersetzt. Nach den vielen Tagen in der Wildnis tut es uns gut, genüsslich einen Cappuccino zu schlürfen und den Leuten beim Flanieren zuzusehen.

Mittwoch, 13. August 2014

Inside Passage

Man muss ja nicht immer nur Autofahren. Um nach Alaska zu gelangen kann man auch das Schiff nehmen. Es ist möglich auf der berühmten „Inside Passage“, die als Traumziel vieler Kreuzfahrten gilt. Die Schiffspassage führt zwischen vorgelagerten Inseln hindurch und an der Küste entlang. Somit sind die Schiffe nicht den mächtigen Wellen des Pazifiks ausgesetzt und können in ruhigeren Gewässern fahren, was von den Passagieren geschätzt wird. Manchmal kommt es uns vor, als ob das Schiff auf einem Fluss fahren würde, denn die Küste ist sehr nahe. Die vielen Kreuzfahrtschiffe auf diese Route zeigen, dass diese Fahrt bei den Amerikanern sehr beliebt ist. Mit einigen Tausend Passagieren und allem erdenklichen Komfort gleichen manche Schiffe einer schwimmenden Stadt.

Wir wollen nicht so hoch hinaus und ausserdem haben wir den Brummi dabei, der auch mitkommen muss. Darum nehmen wir eine Fähre der staatlichen „Alaska Marine Highway“, die vor allem Einheimische transportiert. Sie legt an Orten an, die durch keine Strassen mit der übrigen Welt verbunden sind. Und solche Orte gibt es in Alaska viele. Es wird kein grosser Komfort und keine Unterhaltung am Bord geboten, dafür ist alles zweckmässig, einfach und sauber eingerichtet, dazu relativ günstig. Die Plätze auf der Fähre sind im Sommer schnell ausgebucht. Wir haben sie schon im Januar im Internet reserviert.

In Bellingham, in der äussersten Nordwestecke Washingstons, gehen wir an Bord. Wir haben eine (kleine) Kabine, denn die Überfahrt nach Whittier, dem Hafen von Anchorage, dauert fünf Tage. Einige, vor allem junge Leute, stellen auf dem Sonnendeck ihre Zelte auf, aber das wollen wir uns nicht zumuten. Unspektakulär verlässt das Schiff „Kennicott“ den Hafen.


Es ist uns ein Rätsel, wie sich der Kapitän in diesem Labyrinth von kleinen Inseln, alle mit Wald bewachsen, zurecht findet, denn für uns sehen sie alle gleich aus. Bald verlassen wir die Vereinigten Staaten, weiter geht es ein langes Stück durch die Gewässer von Kanada. Die Einheimischen werden gewarnt, nicht ihre Mobiltelefone zu benützen – die meisten haben keine Abonnemente für das Telefonieren im Ausland und somit würden ihnen hohe Kosten entstehen.


Von Vancouver sehen wir nur die Lichter, dann wird es am Ufern dunkel, nur die Leuchttürme blinzeln an den gefährlichen Stellen in regelmässigen Abständen. Die Fahrt am nächsten Tag verläuft ruhig. Die Sonne scheint und wir beobachten vom Deck aus die Natur. Ewig grüne Wälder ziehen an uns vorbei. Jedesmal gibt es eine grosse Aufregung wenn Wale oder Seelöwen gesichtet werden. Aber auch ein Weisskopfadler, auf einem Fels oder Baum sitzend, sorgt für Abwechslung. Mit Kameras bewaffnet stürzen sich viele an Deck.


Ab und steht am Ufer ein einsames Haus, nur auf dem Wasserweg oder mit einem Wasserflugzeug erreichbar. Ketchikan ist die erste Stadt in Alaska wo wir anlegen. Wir dürfen von Bord gehen und die Stadt besichtigen. Es gibt ein paar alte Häuser aus der Gründerzeit und viele Geschäfte mit Souvenirs für die Kreuzfahrtpassagiere. Ihre Schiffe liegen am Kai, sie überragen um vielfaches auch die höchsten Häuser der Stadt. Nach drei Stunden fährt unsere Fähre weiter, nachdem Fahrzeuge und Container aus- und umgeladen wurden.

Noch immer ist das Wetter schön. Die grüne Landschaft, auf den ersten Blick in ihrer Gesamtheit gleich und doch stets in den Einzelheiten verschieden, gleitet an uns vorüber
Wieder eine grosse Aufregung an Bord – etwa 25 Wale wurden gesichtet. Der Kapitän ändert den Kurs, leider nicht um näher an die Tiere zu kommen, sondern um ihnen weiträumig auszuweichen. Vor einem Monat ist nämlich das Schiff mit einem dieser streng geschützten Tiere zusammengestossen, was immer noch Gegenstand einer Untersuchung ist. Der nächste Hafen, den wir anlaufen, ist Juneau, die Hauptstadt von Alaska. Leider hat man hier den Fährhafen über 20 Kilometer weit weg von der Stadt gebaut. Den Hafen direkt in der Stadt dürfen nur die grossen Kreuzfahrtschiffe anlaufen.


So wird für uns eine Taxifahrt unumgänglich. Zum Glück kennt man mittlerweile einige der Mitreisenden und so können wir eine Fahrgemeinschaft bilden. Eine Seilbahn bringt die Touristen direkt vom Kai auf den Hausberg. Dort kann man die Aussicht auf die Berge, Gletscher und die Inselwelt der Inside Passage bewundern. Dafür reicht unsere Zeit leider nicht, wir müssen uns mit einem Stadtrundgang zufrieden geben. Auffallend ist die renovierte russisch-orthodoxe Kirche sowie das Parlamentsgebäude.

Der nächste Ort auf unserem Weg ist Yakutat, ein kleines Dorf am Ende eines Fjords. Zuerst ist nicht klar, ob wir überhaupt an Land gehen dürfen. Am Strand tummeln sich nämlich zwei Bären. Die herbeigerufene Polizei verscheucht sie mit einigen Schüssen in die Luft. Dann ist der Weg für uns frei, jedoch gibt es in diesem Ort beim besten Willen jetzt, wo die Bären verschwunden sind, nicht viel zu sehen.


Nach fünf Tagen und 2600 Kilometer auf dem Wasser darf auch der Brummi an Land. Wir sind in Whittier angekommen. Der Hafen ist mit dem übrigen Strassennetz Alaskas verbunden. Aber nicht direkt, sondern durch einen Eisenbahntunnel, der abwechslungsweise von Autos oder der Bahn benutzt wird. Natürlich hat der Zug immer Vortritt, so dass Warten angesagt ist. Aber nach fünf Tagen langsamer Fahrt übers Wasser stört uns das nicht. Alles ist gut, bis auf das Wetter, es nieselt, die Wolken hängen tief und alles ist grau in grau. Auf eine solche Begrüssung hätten wir gerne verzichtet.

Freitag, 8. August 2014

North to Alaska

Nun sind wir wieder auf der berühmten Strasse Nummer 101, die wir schon zwischen Los Angeles und San Francisco befahren haben. Sie führt oft dicht an der Westküste von Süden nach Norden. Hier in Oregon und später in Washington geht sie aber wirklich direkt an der Küste entlang und bietet wunderschöne Ausblicke auf das Meer und die schier unendlichen, menschenleeren Strände. 


Sie sind nicht leer, weil hier kein Mensch wohnen würde, nein, aber die Wassertemperatur lässt nur wirklich abgehärteten Schwimmer ins Wasser gehen. Dafür bieten sich andere Aktivitäten an, wie Wale beobachten, fischen und wandern oder in den Sanddünen mit einem ATV (einem Motorrad mit vier Rädern) herumbrausen. Alles sieht sehr friedlich aus, aber das kann sich schnell ändern. Überall stehen Schilder, die vor Tsunamigefahr warnen und die Fluchtwege markieren. In einem Hafen steht als Denkmal ein Stück eines Hafenpiers. Das Besondere daran – es brauchte 18 Monate bis hierher und kam über den Ozean von Japan, wo es bei dem letzten grossen Tsunami abgerissen wurde. 

Wir gehen an Bord eines kleinen Schiffes, angelockt mit der Garantie, dass wir hundertprozentig Wale sehen würden. Lange kreuzt das Schiff zwischen den bewaldeten Inseln, bis wir, kurz vor dem Umdrehen, wirklich auf Wale stossen.


 Es sind Orkas (Schwertwale), die vergnügt im Wasser spielen. Leider fährt der Kapitän nicht so nah heran, wie wir uns wünschen würden, so dass Romy nicht ihre erträumten Bilder bekommt. Hunderte von Kilometer fahren wir weiter Richtung Norden an der Küste von Oregon, dann geht es über eine gigantische Brücke über den Columbia River nach Washington. Es ist einer von den 50 Bundestaaten der USA, nicht zu verwechseln mit Washington, der Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Hier steuern wir zuerst die kleine Stadt Long Beach an, auch nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Stadt in der Nähe von Los Angeles. Warum besuchen wir diese kleine Stadt, die fast niemand kennt? Romy hat im Internet herausgefunden, dass hier an diesem Wochenende ein Rodeo stattfindet. Für so ein kleiner Ort ist es natürlich ein Ereignis ersten Ranges, alle sind auf den Beinen. Wie in Australien, wird die Veranstaltung mit dem Abspielen der Nationalhymne eröffnet. Nur sind die Amerikaner um einen Zacken patriotischer als die Australier. Während ein Reiter mit der amerikanischen Flagge um die Arena trabt, stehen alle stramm, die Männer nehmen ihre Kopfbedeckung ab und die meisten halten die Hand an die Brust. Alles ist sehr ernst, so dass ich fast Angst um Romy kriege, denn sie begeht gerade ein Sakrileg – sie isst seelenruhig ihr Hamburger weiter. Hoffentlich, denke ich, wird dies hier nicht als eine amerikafeindliche Äusserung gedeutet. Aber es passiert nichts dergleichen. Dann folgen die Rodeo Disziplinen in schneller Folge und alle haben ihre Freude daran..


Danach fahren wir wieder ins Hinterland. Es sind zwei Nationalparks die uns locken. Der erste heisst Mount Helens und wurde weltweit bekannt, als im Jahr 1980 der Vulkan explodierte. Der Gipfel des Berges ist in die Luft geflogen und es wurden immense Schäden verursacht. 57 Menschen haben dabei ihr Leben verloren, die Bäume im Umkreis von sieben Meilen wurden allesamt entwurzelt und weite Gebiete mit Vulkanasche bedeckt. Heute, nach mehr als 30 Jahren, hat die Vegetation das Land zurück erobert, aber die Schäden sind immer noch gut sichtbar. Der Vulkan ist heute ruhig, sein Gipfel spiegelt sich in einem See - als ob nie etwas geschehen wäre. Und trotzdem, man weiss es nie, die unterirdischen Gewaltkräfte sind stets am Werk, jederzeit könnten sie wieder ausbrechen und die Umgebung in Schutt und Asche verwandeln.


Der zweite Park heisst Mount Rainier und ist ebenfalls ein schlafender Vulkan. Nur ist er um einiges höher als der Mount Helens. Viele Gletscher fliessen an seinen Flanken herunter, Wasserfälle stürzen sich über die Felsen in die Tiefe. Ein dichter Wald bedeckt die niedrigeren Regionen. Wir fühlen uns an die Schweizer Alpen erinnert, nur die Kühe fehlen auf den satten Alpwiesen. Viele Bergsteiger versuchen den Gipfel zu erklimmen. Für wenig geübte bedeutet dies eine viertägige Tour – zwei Tage für die Vorbereitung und zwei weitere Tage für den Aufstieg.


Nach dem langen Aufenthalt in der Wildnis möchten wir wieder etwas Stadtluft schnuppern. Dazu bietet sich Seattle an, die Hauptstadt von Washington. Das Wahrzeichen der Stadt ist die „Space Needle“, ein hoher Aussichtsturm mit Restaurant.


 Es tut gut durch die Geschäftstrassen zu bummeln, Märkte zu besuchen und im Hafen am Wasser den warmen sonnigen Tag zu geniessen, so wie es auch die Stadtbewohner tun. Aber wir sind auch aus einem anderen Grund nach Seattle gekommen. Unser Schalthebel ist bekanntlich nur provisorisch repariert. Zwar funktioniert er bis jetzt hervorragend, aber wir möchten für die Fahrt nach Alaska kein Risiko eingehen. Im Internet haben wir eine auf VW Buse spezialisierte Werkstatt gefunden. Und wirklich, bald steht der Brummi auf dem Garagenhof, zusammen mit gut 25 Artgenossen. Der Hebel und ein paar andere Ersatzteile sind vorhanden, was uns das Zusenden aus der Schweiz erspart. Wir dürfen auf dem Garagengelände sogar übernachten und bekommen zum Abschied T-Shirts mit einem aufgedruckten, orangen VW Bus geschenkt. Einziger Wermutstropfen ist die Rechnung, die recht hoch ausfällt.

Jetzt bleiben nur noch etwa 150 Kilometer bis Bellingham im äussersten Nordwesten der „lower 48“, gemeint sind die unteren 48 Staaten der USA. Zuerst geht es recht mühsam vorwärts. Die Strassen und Autobahnen in und um Seattle sind total verstopft. Nicht einmal in Los Angeles war es so mühsam voranzukommen. In Bellingham werden wir an Bord der Fähre der “Alaska Maritime Highway“ gehen. Der Brummi (und auch wir) können sich dann fünf Tage lang ausruhen, während das Schiff Richtung Nord durch die Inside Passage schippert. Wenn ihr diese Zeilen liest, werden wir bereits in Alaska angekommen sein. Alaska, der Name klingt nach Abenteuer und ist mit vielen Legenden verbunden. Wie wird die Wirklichkeit aussehen?